Das königlichste aller Tennisturniere ist zu Ende. Vorbei die perfekten weissen Höschen und Leibchen, vorbei auch die Zeit unseres Tennis-Korrespondenten Jörg Allmeroth an einem der schönsten Plätze. Ein persönlicher Abschiedsgruss.
Es ist einer der schönsten Plätze, die man als Reporter in Wimbledon haben kann. Ich sitze in einem Agenturbüro im ersten Stock des Internationalen Pressezentrums und habe ein Zimmer mit Aussicht. Mit bester Aussicht sogar, denn an meinem Fenster flanieren den ganzen Tag die Stars und Sternchen vorbei, sogar die Super-VIPS´s und Royals.
Kürzlich parkte den ganzen Tag ein hochgerüsteter Audi vor dem Fenster, ich wunderte mich, weil der Fahrdienst natürlich nur britische Karossen benutzt, Dutzende, Hunderte sogar. Am Ende des langen Tags kam dann ganz lässig David Beckham vorbeigeschlendert, winkte kurz herüber und brauste dann mit seinem Sohn Romeo davon.
Keiner kann mir an meinem geliebten Fensterplatz entkommen, einem Aussichtsort, für den ich sogar eine Reservierungsgebühr an den All England Lawn Tennis Club bezahlen würde. Roger Federer gleitet mit seiner unglaublichen Entspanntheit vorbei, Rafael Nadal trommelt mit harten Schritten und kühn-entschlossener Miene voran, Andy Murray grüsst fast immer alle auf seinem Weg, auch die Stewards und Küchenhilfen, die ihm begegnen.
Andy Murray grüsst fast immer alle auf seinem Weg.
Novak Djokovic macht Späßchen mit seiner Entourage, Maria Scharapowa schaut nicht links, nicht rechts, Serena Williams ist von einer so großen Kohorte von Begleitern und Begleiterinnen umgeben, dass man sie kaum noch erkennt. Anzugträger kommen vorbei, gerüstet für den großen Tag in der Royal Box.
Aber auch Platzmeister in grünen T-Shirts und grünen Hosen, in den Wimbledon-Geschäftsfarben. Die Ehemaligen der Branche schlendern eher gemächlich über das sorgfältig gepflasterte, mit Blumenrabatten links und rechts geschmückte Areal vor dem Haupteingang.
Prestige abseits des heiligen Rasens
Sie nehmen sich auch ausgiebig Zeit, um in einige Fenster des Pressezentrums hineinzuschauen, ob sie von der Gegenseite auch noch erkannt werden. Was aber eigentlich regelmässig der Fall ist, wenn frühere Stars wie Billie Jean King, Martina Navratilova, Björn Borg oder Jimmy Connors vorbeidefilieren.
Rod Laver, die Ikone der vorprofessionellen Ära, war auch in den beiden Wochen da. Er ist allerdings nicht mehr so gut zu Fuss, wurde direkt bis vor den Haupteingang vorgefahren. Trotzdem konnte ich ihn mit ein paar Verrenkungen noch erkennen, den Mann, den sie einmal «Rocket von Rockhampton» nannten und der als letzter den echten Grand Slam gewann, alle vier Major-Pokale in einem Kalenderjahr holte.
Dabei sind die Royals eigentlich komplett unkompliziert.
Ein bisschen Aufregung erfasst die Dauergäste vor dem Fenster, also Sicherheitskräfte, Turniermacher und Protokollbeauftragte, nur in jenen Momenten, da königlicher Besuch ansteht. Alle flattern umher, geben Anweisungen, widerrufen sie, schauen sich penibel um, ob die Krawatte oder jeder Grashalm sitzt. Dabei sind die Royals eigentlich komplett unkompliziert, schenken jedem, dem sie begegnen, ein freundliches Lächeln oder ein nettes Wort.
So wie Prinz William und seine Kate am Mittwoch. Und wie auch die Queen, als sie vor fünf Jahren der Grün-Anlage im Londoner Südwesten den zweiten Besuch ihrer majestätisch langen Regentschaft abstattete. Aus dem Fenster gab es an diesem 24. Juni 2010 allerdings wenig zu sehen, der Ausblick war durch die Motorradstaffel von Elizabeth II fast ganz verstellt. Fast, das hieß: Ein kunstvoll unscharfes Bild der Königin war mir vergönnt. Auch nächstes Jahr werde ich hoffentlich wieder auf meinem wundervollen Platz sitzen. Und das lebensechte Kino da draußen beobachten dürfen. Abseits des Centre Court.