Der FC Sion tritt heute Abend im St.-Jakob-Park gegen den FC Basel an. Es dürfte das (vorerst) letzte Spiel für Michel Decastel an der Seitenlinie der Walliser sein. Der Daumen von Präsident Christian Constantin scheint für den Trainer wieder einmal nach unten zu zeigen.
Es lief die 24. Minute des Westschweizer Derbys gegen Lausanne-Sport, als es Christian Constantin wieder einmal für angebracht erachtete einzuschreiten. Der Präsident des FC Sion platzierte sich auf seinem zweiten Stammplatz im Tourbillon, gleich links hinter der Ersatzbank. Von dort dirigiert er gerne, ganz so, als ob die Sittener dazu nicht einen angestellten Cheftrainer hätten.
An diesem Mittwoch ging Constantin noch einen Schritt weiter: Er gab Michel Decastel die klar sichtbare Anweisung auszuwechseln. Und Decastel, der bereits zum dritten Mal die Strafaufgabe übernommen hat, den FC Sion zu trainieren, gehorchte. In der 32. Minute ersetzte Fedele den indisponierten Yartey.
Ein Wechsel, der dem Spiel der Walliser durchaus gut tat, das schon. Aber wie erniedrigend muss es für den Trainer nach dem Spiel gewesen sein, die Frage zu beantworten, ob der Präsident das Coaching während des Spiels übernehme? «Christian hat mir gesagt, er wolle, dass etwas geschehe. Aber er hat nicht gesagt, dass ich auswechseln soll», versuchte sich der 57-Jährige in einer müden Verteidigung, «ich war es also, der die Wahl getroffen hat.»
Eine merkwürdige Jobgarantie
Fast scheint es so, als ob es Constantin darauf anlege, Decastel öffentlich derart zu demontieren, dass dieser entnervt das Handtuch wirft. Denn «CC» hat sich vor der Saison zu einem Spielchen hinreissen lassen, zu dem in der Schweiz wohl nur der Präsident des FC Sion Hand bietet. «Le Matin» wollte von Constantin eine Garantie, wie lange Decastel sicher auf dem Trainerstuhl sitzen dürfe. Und Constantin schrieb tatsächlich von Hand: «Wenn die Mannschaft in dieser Saison kein animiertes Spiel zeigt, dann ist das mein Fehler … Darum werde ich den Trainer nicht auswechseln.»
Das Versprechen ist ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse. Aber wohl kaum das Papier wert, auf dem es geschrieben ist. Dazu spielt der FC Sion bislang schlicht zu wenig gut – und vor allem zu wenig erfolgreich. Neun Punkte und vier Tore aus neun Spielen, das ist nicht die Bilanz, mit dem sich Constantin zufrieden geben würde. Der «Blick» hat bereits am Mittwoch verbreitet, Decastel werde nach dem Besuch des FC Sion beim FC Basel entlassen.
Nur noch eine Hülle
Michel Decastel kommt also als «Dead Man Walking» ins Joggeli – als zum Tode Verurteilter, der das Urteil kennt und nur noch auf dessen Vollstreckung wartet. Nach dem 2:1-Sieg gegen Lausanne konstatierte die lokale Presse, es sei nicht mehr der sonst so lässige Trainer vor den Medien erschienen. Gar bloss noch die Hülle von Michel Decastel wollte der «Walliser Bote» gesehen haben, «ein müder Geist, ein müder Kopf».
Ja, Christian Constantin kann seine Mitarbeiter ausquetschen, bis sie für ihn zur Wegwerfware werden. Bloss er selbst, er scheint von einem nie endenden inneren Feuer getrieben. In einem bemerkenswerten Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» sagte er Anfangs Herbst: «Fussball ist wie das Meer. Jede Welle bringt ein neues Problem mit sich.»
Sehr wahrscheinlich, dass die nächste Welle Trainer Decastel mit sich davon trägt. Es wäre das 38. Mal in seiner Zeit als Sion-Präsident, dass Constantin einen neuen Trainer präsentiert.
Die Trainer des FC Sion unter Präsident Christian Constantin | ||
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Trainer | von–bis | Dauer in Monaten |
Erste Präsidentschaft | ||
Jean-Paul Brigger | Juli 1992–Januar 1993 | 7 |
Claude Andrey | Januar 1993–Juli 1993 | 6 |
Umberto Barberis | Juli 1993–Oktober 1994 | 16 |
Jean-Claude Richard | Oktober 1994–Juli 1995 | 10 |
Michel Decastel | Juli 1995–August 1996 | 12 |
Jean-Claude Richard | interimistisch August 1996 | 1 |
Alberto Bigon | August 1996–September 1997 | 13 |
Zweite Präsidentschaft | ||
Charly Rössli | März 2003–Juli 2003 | 5 |
Didier Tholot | Juli 2003–Mai 2004 | 11 |
Guy David | November 2003–Mai 2004 (mit Tholot) | 7 |
Admir Smajic | Mai 2004–August 2004 | 4 |
Christian Zermatten | interimistisch August 2004 | 1 |
Gilbert Gress | August 2004–Juli 2005 | 12 |
Gianni Dellacasa | Juli 2005–Oktober 2005 | 4 |
Christophe Moulin | Oktober 2005–Mai 2006 | 8 |
Nestor Clausen | Juni 2006–Oktober 2006 | 5 |
Christophe Moulin | interimistisch Oktober 2006 | 1 |
Marco Schällibaum | Oktober 2006–November 2006 | 3 |
Pierre-Albert Chapuisat | November 2006–Februar 2007 | 4 |
Alberto Bigon | Februar 2007–Dezember 2007 | 10 |
Charly Rössli und Maurizio Jacobacci |
Dezember 2007–März 2008 | 4 |
Alberto Bigon | März 2008–Mai 2008 | 3 |
Uli Stielike | Mai 2008–Oktober 2008 | 6 |
Christian Constantin | Oktober 2008–Dezember 2008 | 3 |
Umberto Barberis und Christian Zermatten |
Dezember 2008–April 2009 | 5 |
Christian Constantin | interimistisch April 2009 | 1 |
Didier Tholot | April 2009–Mai 2010 | 15 |
Bernard Challandes | Mai 2010–Februar 2011 | 10 |
Laurent Roussey | Februar 2011–April 2012 | 15 |
Sébastien Fontbonne und Rolland Courbis |
April 2012–Mai 2012 | 2 |
Vladimir Petkovic | Mai 2012 | 1 |
Sébastien Fournier | Juni 2012–September 2012 | 4 |
Michel Decastel | September 2012–Oktober 2012 | 2 |
Pierre-André Schürmann | Oktober 2012–Dezember 2012 | 2 |
Victor Muñoz | Dezember 2012–Februar 2013 | 2 |
Gennaro Gattuso | Februar 2013–März 2013 | 1 |
Arno Rossini | März 2013–Mai 2013 | 2 |
Michel Decastel | Mai 2013–Oktober 2013 | 6 |