Wie soll verhindert werden, dass Kinder, die im letzten Quartal des Jahres geboren werden, bei der Sportförderung nicht diskriminiert werden? In der Theorie gibt es einige Ideen. In der Praxis werden sie bislang kaum umgesetzt.
Kinder, die im letzten Quartal des Jahres geboren werden, haben im Sport weniger Chancen darauf, gefördert zu werden. Das liegt daran, dass sie unter Umständen fast ein Jahr jünger sein können als ihre Jahrgangskollegen. Das ist bei einem Zehnjährigen immerhin ein Zehntel seines Lebens.
Die Folge: Wo eine Auswahl junger Sportler stattfindet, die besonders gefördert werden sollen, entsteht der sogenannte Relative Age Effect (RAE). Es werden überproportional viele Kinder aus dem ersten Quartal des Jahres selektioniert, Kinder aus den Monaten Oktober, November und Dezember sind statistisch im Vergleich zur Geburtsverteilung untervertreten.
Es gibt einige theoretische Ansätze, wie man dem RAE begegnen könnte. Ein Blick darauf, wie die Theorie in der Schweiz in Fussball, Eishockey und Leichtathletik in die Praxis umgesetzt wird.
Keine oder sehr späte Selektion
Pro: Fällt eine Unterteilung in stärkere und schwächere Gruppen weg, oder wird erst nach der Pubertät selektioniert, hat der RAE praktisch keinen Einfluss mehr.
Contra: Die Mittel der Sportförderung sind begrenzt.
Das geht in der Schweiz: Der Schweizerische Fussballverband schiebt im Sommer 2014 den Übergang vom Breiten- zum Spitzenfussball um ein Jahr nach hinten zu den unter 15-Jährigen. Swiss Athletics selektioniert erst 15-Jährige.
Kategorien nach biologischem Alter
Pro: In der Pubertät der Stand der körperlichen Entwicklung innerhalb eines Jahrgangs bis zu fünf Jahre Unterschied ausmachen. Würde nach diesem «biologischen Alter» eingeteilt, wäre der RAE Vergangenheit. In gewissen Ländern Afrikas, in denen Geburtsdaten schwierig zu eruieren sind, wird nach Gewichtskategorien Fussball gespielt. Dort gibt es – soweit überprüfbar – keinen RAE.
Contra: Um einzuteilen, müsste man die Kinder Handknochenröntgen. Das ist zu teuer. Bei Einteilungen nach Gewicht könnten sich Kinder in eine tiefere Kategorie herunterhungern.
Das geht in der Schweiz: Im Fussball und im Eishockey können Spätgeborene oder -entwickelte mit einer Bewilligung in einer jüngeren Alterskategorie spielen.
Rollende Stichtage
Pro: Wird der Stichtag stetig verschoben, profitieren alle einmal vom Vorteil, zu den Ältesten des Jahrgangs zu gehören.
Contra: Nicht kompatibel mit den internationalen Alterskategorien.
Das geht in der Schweiz: Swiss Ice Hockey überlegt sich, ob die Alterskategorien über zweieinviertel Jahre gezogen werden sollen.
RAE-bereinigte Resultate und Ranglisten
Pro: Bei Einzelsportarten könnten die Resultate jedes Kindes mit seiner körperlichen Entwicklung verrechnet werden. Das hätte eine Objektivierung der Leistung zur Folge.
Contra: Es macht die Wettkämpfe zu kompliziert.
Das geht in der Schweiz: Bei der Selektion von Kader-Sportlern werden Bonuspunkte für Spätgeborene und Spätentwickelte vergeben, um die physischen Nachteile wett zu machen. Auf Wettkampfresultate haben diese Boni keinen Einfluss.
Quoten für Spätgeborene
Pro: Quoten stellen sicher, dass ein paar vom Geburtsdatum Benachteiligte gefördert werden.
Contra: Schwierig zu vermitteln, da im Gegenzug Kinder, die momentan besser sind, nicht selektioniert werden.
Das geht in der Schweiz: Der Fussballverband hat in seinem Projekt «Footeco» für die Kategorien U12, U13, und U14 Quotenplätze eingeführt.
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