Der inzwischen pensionierte Schweizer Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld stattete in den Anfangsjahren seiner Karriere als Fussballausbildner der Fussballschule des SV Sissach einen Besuch ab. Hitzfeld trainierte damals, im Sommer 1988, den FC Aarau und reihte sich in eine eindrückliche Liste prominenter Gäste auf dem Tannenbrunn ein.
Auch ein Welttrainer beginnt mal im Kleinen. Für Ottmar Hitzfeld, dem früheren Torjäger des FC Basel und des VfB Stuttgart, begann die Trainerkarriere beim Erstligisten SC Zug mit einigen Stolpersteinen und einem ziemlich speziellen Präsidenten. Werner Hofstetter verlangte viel, man rieb sich oft – und einmal soll der Vereinsvorsitzende seinem Trainer sogar an die Gurgel gegangen sein in der Kabine. Das ist lange her, und Hitzfeld stieg auf der Karriereleiter als Fussballlehrer sehr schnell nach oben. Er übernahm den FC Aarau und holte sich dort 1985 sensationell den Schweizer Cup.
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Vier Jahre blieb er auf dem Brügglifeld, dann rief im Sommer 1988 die nächste Stufe, die Grasshoppers. In jene Zeit fällt der Besuch des Lörrachers in der Sissacher Fussballschule. Am 15. Juni 1988, einem schulfreien Mittwochnachmittag, zeigte er 90 Buben auf der Sportanlage Tannenbrunn das Fussball-ABC. «Es hat einige Talente dabei», lobte der prominente Gast den kickenden Nachwuchs des Oberbaselbiets und hielt fest, dass «man mit Kindern einfache Sachen üben muss, damit sie den Spass am Fussball erhalten».
Trainings in einer Welt, in der man noch für Fussball werben musste
Der SV Sissach hatte in seiner Blütezeit in den 1980er-Jahren zweimal den Aufstieg in die 1. Liga verpasst und bemühte sich, mit gezielten Schnuppertrainings seine Nachwuchsabteilung mit neuen Talenten zu bestücken. Dabei gelang es immer wieder, prominente Gasttrainer zu gewinnen. Den Anfang machten bei der Premiere 1981 der ehemalige Assistent von Nationaltrainer Karl Rappan, Roger Quinche, sowie der langjährige FCB-Libero und spätere Landschreiber Walter Mundschin. Ein Jahr später war ein gewisser Christian Gross zu Besuch auf den Sissacher Sportanlagen. Damals spielte Gross noch beim FC St. Gallen – und lancierte später eine glanzvolle Trainerkarriere mit zehn erfolgreichen Jahren beim FC Basel.
Im Mai 1991 kam Uli Stielike nach Sissach – er hatte wenige Monate zuvor seine Tätigkeit als Nationaltrainer der Schweiz aufgegeben und übernahm im Abtausch mit Roy Hodgson Neuchâtel Xamax. Stielike war in der EM-Qualifikation 1992 knapp gescheitert, bereitete jedoch das Feld für die erstmalige Qualifikation einer Schweizer Auswahl für ein grosses Turnier nach 28 Jahren der Abstinenz, die WM 1994 in den USA.
Ein Europameister und die Kinder
Stielike war ein grossartiger Spieler bei Borussia Mönchengladbach und Real Madrid gewesen und wurde mit Deutschland 1980 Europameister. Es war nicht nur bei Stielike eindrücklich, mit welcher Geduld und welchem Engagement sie sich an der fussballerischen Basis in Sissach bewegten. Die Leistungsunterschiede in der offen ausgeschriebenen Fussballschule waren teilweise erheblich, dennoch kümmerten sich die hoch dekorierten Trainer sehr intensiv um jeden einzelnen Teilnehmer und sorgten so für einmalige Begegnungen der Kinder. In solchen Momenten wird auch klar, dass der Erfolg dieser Trainer in Eigenschaften wie Demut, Akribie, Leidenschaft und Verantwortung gründet.
Das Werbeplakat für die Fussballschul-Ausgabe 1988.
Viele weitere prominente Fussballer und Trainer machten ihre Aufwartung in Sissach – zu einer Zeit, als man noch um Fussballjunioren werben musste und weit von den heutigen Wartelisten entfernt war. Massimo Ceccaroni, Ruedi Zbinden, Erni Maissen, Adrian Knup, Ernst-August Künnecke, Hans-Peter Zwicker, Roberto Böckli, Roger Wehrli, Sigi Gretarsson, Peter Nadig, Udo Klug, René Botteron, Hans Küng, Arthur von Wartburg und viele mehr bereicherten die Fussballschule.
Und natürlich auch zwei der ganz grossen Trainer des Schweizer Clubfussballs in den 1970er-Jahren: Timo Konietzka und Helmut Benthaus. Im Abstand von einem Vierteljahrhundert ist das eine doch ziemlich eindrückliche Gästeliste – und ob sie im heutigen Fussballumfeld noch einmal so zustande kommen könnte, ist eher unwahrscheinlich.
Hitzfeld war einst sogar neidisch auf den SV Sissach
Der grösste Name war, schon damals, aber erst recht aus heutiger Perspektive, zweifellos jener von Ottmar Hitzfeld, der später mit Borussia Dortmund und Bayern München die Champions League und den Weltpokal gewann und mit dem Schweizer Nationalteam an die WM-Endrunden 2010 und 2014 reiste.
Damals in Sissach war von einem derart breiten Horizont an Trainererfolgen noch nicht zu träumen. Und Hitzfeld lobte noch die Sissacher Infrastruktur: «Ihr habt es hier auf dem Tannenbrunn ja schöner als wir auf dem Brügglifeld.» Ein Satz, den man heute noch stehen lassen könnte …
Die Basler Zeitung berichtet über den Besuch von Ottmar Hitzfeld beim SV Sissach.