Was Aleksandar Dragovic mit Hermann Maier gemein hat, warum er sich als Angsthasen bezeichnet, seinen aktuellen Club Dynamo Kiew noch eine Stufe höher einschätzt als seinen ehemaligen Verein FC Basel und was er von Murat Yakin hält. Ein Interview, geführt am Rande der Vierschanzentournee.
Aleksandar Dragovic ist keiner, der gerne auf der faulen Haut liegt. Auch im Winter-Urlaub bleibt der ehemalige Abwehrspieler des FC Basel im übertragenen Sinn am Ball und verbringt nahezu jeden Tag in der Kraftkammer. Unter prominenter und professioneller Anleitung schindet er derzeit Kondition, bevor er mit Dynamo Kiew ins dreiwöchige Trainingscamp nach Marbella einrückt. Kein geringerer als Heini Bergmüller, der einst den österreichischen Skistar Hermann Maier zum «Herminator» geformt hat, macht Dragovic Beine.
Bei Dynamo ist Dragovic Stammspieler und in Kiew hat sich der 22-Jährige mittlerweile gut eingelebt. Dragovic bewohnt mit seinen Grosseltern, die ihn seinerzeit bereits nach Basel begleitet hatten, ein zweigeschossiges Appartment. Dynamo hat sich, in einer Gruppe mit dem FC Thun, für die K.o.-Phase der Europaleague qualifiziert, in der Liga liegt der Traditionsverein mit fünf Zählern Rückstand auf Shakhtar Donezk derzeit an der zweiten Stelle. «Wir wollen die unbedingt vom Thron stossen», sagt Dragovic im Interview.
Trotz des dichten Terminkalenders beim Heimaturlaub in Österreich blieb dem österreichischen Nationalspieler Zeit für einen Abstecher zur Vierschanzentournee. Dragovic zeigte sich in Bischofshofen beeindruckt von den Flugkünsten der Spkispringer. «Für mich wäre das nichts, ich bin in solchen Dingen eher ein Angsthase», gestand der gebürtige Wiener am Fusse der Paul Ausserleitner-Schanze, «die müssen schon ein bisschen verrückt sein, wenn sie sich da drüber trauen.»
«Kiew ist ein Topclub, noch eine Stufe höher als der FC Basel.»
Apropos verrückt, Aleksandar Dragovic: Nicht jeder hat im vergangenen Sommer verstanden, warum Sie ausgerechnet in die Ukraine wechseln.
Ich weiss, aber das war damals, als ich nach Basel gegangen bin, nicht viel anders. Da haben auch einige gemeint, das wäre für mich ein Rückschritt. Aber mir war damals schon klar, dass Basel eine Topadresse ist und dass dieser Schritt für meine Karriere der absolut richtige ist. Ich glaube heute denkt in Österreich keiner mehr so. Wir haben ManU geschlagen, waren im Europa League-Halbfinale, und, und, und…
Aber warum die Ukraine, wieso Kiew? Sie hatten ja auch andere Offerte vorliegen. War es eine Frage des Geldes?
Mir ist es in meiner Karriere noch nie um das Geld gegangen. Ich habe einfach eine neue Herausforderung gesucht. Weil, was hätte ich mit Basel noch erreichen können? Wir haben in Wahrheit in den zweieinhalb Jahren das Maximum rausgeholt, ich bin sogar zum Schweizer Verteidiger des Jahres gewählt worden. Und Dynamo Kiew ist ein internationaler Topklub, eine Stufe höher noch als der FCB. Vielleicht ist das vielen nicht so bewusst. Aber ich habe hier in Kiew sofort gemerkt, was für einen Status dieser Verein hat.
Was meinen Sie konkret?
Valerij Lobanowski, Oleg Blochin, Andrej Schewtschenko – diese Namen kennt man auf der ganzen Welt. Die waren alle bei Dynamo. Und was für eine Legende Oleg Blochin ist, das können wir jeden Tag sehen. Wenn der auf die Strasse geht, wird er sofort fotografiert und muss Autogramme geben. Ich bin stolz, dass ich unter so einer Legende trainieren darf.
«Ich kann kein Wort Schwyzerdütsch.»
Sie sind jetzt ein halbes Jahr in Kiew, was sind die grossen Unterschiede zu Basel?
Vor allem einmal die Sprache. Wobei: Als ich nach Basel gekommen bin, habe ich am Anfang auch wenig verstanden. Das ist zwar eigentlich auch Deutsch, aber ich hab‘ da zuerst überhaupt nichts gecheckt.
Und heute: Können Sie nach Ihren zweieinhalb Jahren in Basel zumindest ein Paar Brocken Schwyzerdütsch?
Nein, kein Wort. Ich habe mich auch immer bemüht, hochdeutsch zu reden. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass ich einmal «Grüezi» gesagt hätte. Ich bin ein Wiener, bei uns sagt man Servus.
Wie verständigen Sie Sich denn jetzt in der Ukraine. Bei Dynamo spielen ja Fussballer aus aller Herren Länder?
Die Amtssprache bei uns ist Russisch, damit tue ich mich im Moment noch ein bisschen schwer. Ich gehe zwar zwei Mal die Woche zum Kurs und habe einen eigenen Dolmetscher, aber mit dem Reden, da hapert’s noch. Zum Glück gibt’s zwei Spieler aus dem ehemaligen Jugoslawien, mit denen kann ich mich unterhalten. Überhaupt: Ich kann mich hier nicht beschweren, Kiew war die richtige Entscheidung.
«Jeder weiss, dass ich einmal in der Premier League spielen will.»
Was hat schlussendlich den Ausschlag für Dynamo Kiew gegeben?
Ich glaube, dass die Ukraine ein gutes Sprungbrett ist. Meine Vorbilder sind da Vidic und Ivanovic, die es über diesen Weg beide in die Premier League geschafft haben. Jeder weiss, dass ich einmal dort spielen möchte. Und nur für alle, die den ukrainischen Fussball vielleicht nicht ganz ernst nehmen: Das Niveau hier ist extrem hoch. Es ist bestimmt kein Zufall, dass vier Vereine noch in der Europa League mit dabei sind.
Auch Ihr FC Basel ist noch in der Europa League engagiert. Haben Sie noch viel Kontakt zu Ihren ehemaligen Kollegen?
Ich bekomme jedenfalls alles mit, was dort passiert. Über Facebook bin ich dabei, mit zwei, drei Spielern telefoniere ich immer wieder einmal. Und auch der Präsident und der Trainer haben mich angerufen.
Aus der Distanz: Was halten Sie von der Vertragsverlängerung mit Murat Yakin?
Das ist ganz bestimmt die richtige Entscheidung. Was die Taktik betrifft kann ihm keiner was vormachen. Der Trainer hat uns immer exzellent eingestellt. Sonst kommst du als FCB nicht ins Europa League-Semifinale und gewinnst zwei Mal gegen Chelsea. Ich habe dem Trainer und dem FCB sehr viel zu verdanken. Die haben mich auch nicht fallengelassen, wenn ich einmal einen Blödsinn gemacht habe. Das rechne ich der Clubführung hoch an.
Ohne Anlaufschwierigkeiten hat sich Aleksandar Dragovic nach seinem Wechsel im vergangenen Sommer vom FC Basel bei Dynamo Kiew eingegliedert. Die ersten beiden Spiele schaute er noch zu, dann fehlte er in 14 Meisterschaftspartien nur noch einmal wegen einer Meniskusverletzung. In der Europa League kam er in sieben von acht möglichen Spielen zum Einsatz, dazu in zwei Cup-Spielen. Ein Tor ist dem 22-jährigen österreichischen Nationalspieler im Trikot von Dynamo noch nicht gelungen.