«Ich habe keinen Lauf, das ist zum Kotzen»

Alex Frei, der Torjäger des FC Basel, der das Tor nicht mehr trifft, grübelt, und Yann Sommer, der unfreiwillige Urheber des 1:1 in Lausanne, rät sich und anderen: «Am besten, wir vergessen das schnell.»

Der Torjäger und sein Bezwinger: Alex Frei kann es nicht fassen, dass ihm Anthony Favre ein sicheres Tor vom Fuss genommen hat. (Bild: Reuters/VALENTIN FLAURAUD)

Alex Frei, der Torjäger des FC Basel, der das Tor nicht mehr trifft, grübelt, und Yann Sommer, der unfreiwillige Urheber des 1:1 in Lausanne, rät sich und anderen: «Am besten, wir vergessen das schnell.» Die Bestandsaufnahme eines tristen Abends in der Romandie.

Der eine, der das Tor hätte machen müssen, es aber nicht machte, ging genauso in Sack und Asche wie der, der sich das Tor quasi selbst gemacht hatte. Alex Frei und Yann Sommer redeten nach dem 1:1 in Lausanne nicht um den heissen Brei herum.

Einen «ärgerlichen Fehler» nannte Yann Sommer seinen Ballverlust an Sekou Junior Sanogo, der Matt Moussilou den Ausgleich auf der Pontaise ermöglichte. «Ich kann den Fehler nicht erklären», sagte Sommer und suchte dennoch nach einer Erklärung, «es ist ein Fauxpax, unnötig. Den Ball muss ich natürlich lang schlagen. Tja, viel mehr kann ich nicht sagen. Normalerweise mache ich mit dem Fuss nicht allzu viele Fehler.»

Genk bleibt ungeschlagen

Racing Genk, am Donnerstag in der Europa League zu Gast in Basel, hat sein Heimspiel gegen Mechelen nach 0:1-Rückstand mit 2:1 gewonnen. Jelle Vossen und Benjamin De Ceulaer trafen für den Koninklijke Racing Club Genk, der als Dritter der Jupiler League drei Punkte hinter Spitzenreiter Club Brugge (dem nächsten Gegner kommenden Sonntag) und zwei hinter Anderlecht liegt. Alle drei Clubs blieben in den bisher gespielten neun Runden ungeschlagen. Die einzige Niederlage kassierte Genk, das in der Europa League mit einem 3:0 gegen Videoton gestartet ist, in der Qualifikation zu diesem Wettbewerb – beim 1:2 in Luzern. (cok)

Sein Trainer versuchte fast zeitgleich mit ein bisschen Spott dem Ereignis die Spitze zu nehmen: Yann Sommer habe ja am Mittwoch schon geübt. Gegen Sion war Sommers Lapsus, als er den Ball den Sittenern in die Füsse spielte, noch unerheblich, weil die Offerte nicht ausgenutzt wurde. Diesmal kostete ein winziger Moment der Unkonzentriertheit, ein technischer Fehler dem FC Basel den Auswärtssieg.

Der fehlbare Halbgott

Heiko Vogel wollte Sommer daraus keinen Strick drehen. Im Gegenteil: Der Trainer weiss, was er an seinem mitspielenden Goalie hat. Gut eineinhalb Jahre war Sommer die Zuverlässigkeit in Person, nach dem Elfmeterschiessen im Cupfinal und nach dem gehaltenen Penalty in der Champions-League-Qualifikation kam der Torhüter dem Trainer schon wie ein «Halbgott» vor. Jetzt ist Vogel dran erinnert worden, dass auch Sommer fehlbar ist.

«Das war unnötig, wir hatten den Match im Griff, hatten eigentlich genügend Chancen gegen eine Mannschaft, die auf einem katastrophalen Platz hinten drin gestanden ist. Aber wir müssen uns an der eigenen Nase packen – das 1:1 ist für uns ganz klar zu wenig», sagt Sommer.

Sechs Mal unentschieden hat der Meister nun in elf Partien gespielt, er ist der Remiskönig der Liga, «aber immer nur mit einem Punkt kommen man nicht weiter», stellt Alex Frei fest. Er war es, dem sich kurz nach der Pause die Chance auf jenes zweite Tor eröffnete, das Lausanne-Sport mutmasslich den Zahn gezogen hätte.

Es bleibt ein steiniger Weg

So aber muss der FC Basel am Übergang vom Spätsommer in den Herbst an einem tristen Abend in der Romandie feststellen, dass es ein steiniger Weg bleibt zurück zur Dominanz vergangener Tage. 20 Minuten lang liess er sich von der Heimmannschaft, die der schmalen Samstagabend-Kulisse von 6000 Zuschauern auf der Pontaise eine schwache erste Halbzeit angeboten hatte, einheizen. «Nach dem 1:1 hat Lausanne gemerkt, dass sie auf einem Fussballplatz stehen und haben mitgespielt», merkte Yann Sommer an, der Mann, der mit seinem Fehler deren Lebensgeister erst geweckt hatte.

Dass das Geläuf schwierig zu bespielen war, ist die eine Seite. Dennoch kam der FCB zu ausreichend Möglichkeiten, um die Partie in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken. Doch Alex Freis Torflaute ist sinnbildlich: Auch ohne dass mit grossem Hallo glanzvoll die Gegner in Grund und Boden gespielet werden, besitzt Heiko Vogels Mannschaft genügend Spielanteile. Aber die Effizienz ist derzeit nicht vergleichbar mit der der letzten drei Jahre.

In Lausanne war Marco Streller offensichtlich unpässlich. Der Trainer nahm ihn in der 57. Minute vom Platz, nachdem der Captain in der Halbzeitpause über Magenkrämpfe geklagt hatte und mit einem Medikament versorgt worden war. Vielleicht wären alle besser beraten gewesen, wenn Streller ausgesetzt und Jacques Zoua seine Chance erhalten hätte. Aber das ist müssig.

Alex Frei und die Altersdiskussion

Alex Frei hätte alles in andere Bahnen lenken können, und weil er ahnt, was kommt, bevor also «die scheiss Altersdiskussion los geht», plädierte der 33-Jährige in eigener Sache: «Ich kann 90 Minuten gehen und ich habe meine Chancen. Was zum Kotzen ist: Ich habe keinen Lauf.»

In Zahlen heisst das: Seit der Rückkehr aus seiner Verletzung, einer Beckenprellung, hat Frei in sechs Spielen nicht mehr getroffen. Eine lange Zeit für einen, dessen Elexier das persönliche Erfolgserlebnis ist. Die beiden Tore im Cup gegen das sechstklassige Amriswil waren kein echter Gradmesser für einen Torjäger seines Schlages. In irgendeinem Strafraum ging der Instinkt verloren, vielleicht in Cluj, wo Alex Frei einen womöglich wegweisenden Penalty übers Tor schoss.

«Ich muss eine Lösung finden»

Ein schwacher Trost ist es für Frei, dass er selbst auch schon solche Zeiten in seiner Karriere erlebt hat, dass jeder Goalgetter auf der grossen weiten Welt Phasen einer – sagen wir: Impotenz erlebt hat. Sie ist in der Regel heilbar. Bei Alex Frei ist es die berühmte «letzte Geste» beim Torschuss, von der er als Erfolgsgeheimnis berichtet hat. Diese Geste gelingt ihm derzeit nicht, und selbst die letzte Option, der Freistoss, ist eine stumpfe Waffe. «Ich weiss», sagt Frei, «dass ich die Lösung so schnell wie möglich finden muss – für mich und für die Mannschaft».

Bevor es am Donnerstag mit dem Heimspiel gegen Genk in der Europa Lesgue weitergeht, können sich Yann Sommer und Alex Frei zu einer Therapiegruppe zusammen tun. Der junge Sommer, der über das ärgerliche 1:1 sagt: «Wir sind eine Mannschaft, und jeder macht mal Fehler. Am besten, wir vergessen das schnell», kann dann den Grübler Frei in den Arm nehmen. Oder umgekehrt.

 

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