«Ich spüre keine Wehmut»

Alex Frei will erst im Juni weinen. Und der FC Basel entschärft erneut frühzeitig eine Situation mit Konfliktpotenzial.

Alex Frei, striker of Switzerland's soccer team FC Basel 1893 and former international, speaks during a press conference in the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Thursday, November 15, 2012. Alex Frei will abandon his soccer career in summe (Bild: Keystone/Georgios Kefalas)

Alex Frei will erst im Juni weinen. Und der FC Basel entschärft erneut frühzeitig eine Situation mit Konfliktpotenzial.

Alex Frei kann ein gefährlicher Mann sein. Manch ein Torhüter singt davon ein Liedlein. Doch auch für Bernhard Heusler hätte der 33-jährige Stürmer bedrohlich werden können. Sagt der heutige FCB-Präsident selbst: «Der Transfer von Alex Frei war mein gefährlichster Entscheid beim FCB.» Es war ein Risiko, Frei im Sommer 2009 für rund sechs Millionen Franken von Borussia Dortmund loszueisen. Weil Heusler Freunde um Geld angehen musste, um den Transfer zu stemmen. «Aber», kann er im Rückblick sagen, «ich habe keinen Tag bereut.»

Seither erhält Heusler bei jedem Treffer, den Frei für den FCB erzielt, von einem der Geldgeber ein SMS. Kein Text. Nur die Nummer des Tores. Bei 101 steht der Zähler derzeit. Ja, Alex Frei hat dem FCB und den anonymen privaten Gönnern all die investierten Millionen in Toren zurückbezahlt. Er hat den FCB in die Champions League geschossen und unter die besten 16 Mannschaften Europas.

Und doch hätte Alex Frei für den Club noch einmal gefährlich werden können. Wenn er zum Beispiel via Medien darauf bestanden hätte, weiter als aktiver Fussballer beim FCB tätig sein zu wollen. Wenn der Vorstand sich unter öffentlichem Druck hätte entscheiden müssen, ob er seinem bestbezahlten Angestellten in dessen Karriereherbst noch einmal einen gutdotierten Vertrag unterbreiten möchte.

Alex Frei und sein kluger Bauch

Es ist nicht so weit gekommen. Alex Frei ist klug genug, um die Zeichen der Zeit zu erkennen. In seiner Familie, er ist frischgebackener Vater einer Tochter: «Da habe ich plötzlich bemerkt, dass es wichtigere Dinge gibt als Siege und Niederlagen.» Beim Lauschen auf den eigenen Körper: «Als ich Murat Yakin sagen musste, ich glaube, ich kann nicht mehr zweimal am Tag trainieren, da wusste ich, dass ich mich ernsthaft mit dem Gedanken an Rücktritt befassen musste.» Und dann war da wohl auch der Club, der gar nicht erst versuchte, seinen Torschützen zum Weitermachen zu überreden. Er habe nicht überlegen müssen, Frei einen neuen Vertrag zu unterbreiten, sagt Heusler: «Weil ich seit längerem seine Tendenz kannte, die in Richtung Rücktritt ging.»

Alex Frei selbst sagt, Heusler hätte ihn sowieso nicht umstimmen können: «Wer mich kennt, weiss, dass ich konsequent bleibe. Jeder Clubentscheid in meiner Karriere war ein Bauchentscheid. Und damit bin ich immer richtig gefahren.»

Letztendlich ist es auch nebensächlich, welche Punkte genau Frei zu seiner Entscheidung brachten, per Ende Saison zurückzutreten. Am Ende steht der Fakt, dass Club und Spieler eine Situation gütlich bereinigt haben, die Konfliktpotential hätte bergen können. Wie bereits beim Rücktritt von Benjamin Huggel im Sommer 2012 steht so am Ende einer grossen Spielerkarriere eine weitere Zusammenarbeit zwischen lokal verankertem Profi und Club. Wie Huggel wird auch Frei im Nachwuchsbereich des FCB tätig.

Das verhindert böses Blut. Und es bringt dem Club die Gelegenheit, die eigene Geschichte weiter zu nutzen. Inzwischen ist es fast eine ganze Mannschaft an ehemaligen FCB-Spielern, die im Verein tätig ist. Sie sollen für Kontinuität sorgen. Und dem eigenen Nachwuchs auch nach dem Karrierenende nicht nur als Ausbildner, sondern auch als Vorbilder dienen.

Alles raushauen, was noch drin ist

Aufgeräumt wirkte Frei an der Pressekonferenz, an der er seinen Abschied auf Ende Saison erläuterte. «Ballast» sei ihm von den Schultern gefallen, nachdem er Heusler am Sonntag erklärt habe: «Bärni, ich habe mich entschieden. Ich werde meinen Vertrag nicht verlängern. Ich will 2013 aufhören mit Fussballspielen.»

Auch deswegen sagte er: «Ich spüre keine Wehmut.» Das dürfte am 1. Juni 2013 etwas anders aussehen, wenn der FCB sein letztes Saisonspiel im Joggeli gegen St. Gallen austrägt. Und Alex Frei ein letztes Mal als Profifussballer einen Rasen betritt: «Ich denke, dann darf ich schon weinen.»

Bis dann will er «alles raushauen, was ich noch in mir drin habe». Und Kumpel Marco Streller zur Torjägerkrone verhelfen: «Da ist meine neue Position im linken Mittelfeld gar nicht so schlecht, um Bälle hinzulegen. Nur sollte ich jetzt langsam damit beginnen.»

Da ist keine Kritik an Trainer Murat Yakin, der ihn zuletzt auf eine ungewohnte Position gesetzt hat. Kein Bedauern, dass der FCB offenbar kein Interesse daran gezeigt hat, ihn weiter als Stürmer zu halten.

Alex Frei hat sich entschlossen, nur für jemanden gefährlich zu sein: die gegnerischen Goalies.

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