In der Wüste geht es um Millionen

Ein paar Pokerkarten können das Leben von neun Männern verändern. Sie bereiten sich vor wie Profisportler, mit Betreuer, Mental- und Fitnesstrainer sowie einem Ernährungsplan vom Facharzt. Und das mit gutem Grund: Schliesslich werden vom 6. bis 8. November im Penn and Teller Theater in Las Vegas über 28 Millionen US-Dollar verteilt. Der Poker-Weltmeister verlässt den Finaltisch mit 8,7 Millionen Dollar Siegergeld.

Frederic Veseli muss sein Pokerspiel in Lugano hinterfragen (Bild: sda)

Ein paar Pokerkarten können das Leben von neun Männern verändern. Sie bereiten sich vor wie Profisportler.

Der Schweiss tropft erst, nachdem die letzte Hand gespielt ist. Steve ­McQueen alias Cincinnati Kid hat alles und noch ein bisschen mehr auf fünf Spielkarten gesetzt. Zu viel. Als sein Gegenspieler die letzte Karte aufdeckt, hat «The Kid» nicht nur all sein Geld verloren, er ist mit einem Schlag auch furchtbar einsam. Und nur weil dem Produzenten das ursprünglich geplante Ende des Films zu depressiv erschien, bleibt dem Kid wenigstens noch die Geliebte.

Ganz so existenziell wird es ab Sonntag in Las Vegas nicht zugehen. Wobei ein paar Pokerkarten durchaus die Zukunft von neun Männern massiv beeinflussen können. Sorgen im Klassiker von 1965 noch 30 000 Dollar für Spannung, dann muss es heute schon um mehr Geld gehen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Um verdammt viel mehr. Also werden im Penn and Teller Theater 28’469’161 US-Dollar verteilt. Wer die acht Gegner am Tisch bezwingt, ist um 8,7 Millionen Dollar reicher. 6856 Spieler haben um einen Platz im Final der World Series of Poker gespielt. Übrig geblieben sind die sogenannten ­November Nine.

Vier Monate sind seit der Qualifikation vergangen. Zeit, die genutzt wird, um mit den Finalisten Poker-Werbung zu machen. Denn wenn es für die neun Spieler in Las Vegas auch um ein paar Millionen geht, dann ist das noch immer ein Klacks im Vergleich zu den Summen, die Anbieter von Online-­Poker verdienen können. Wobei auch hier die Finanzkrise ihre Spuren hinterlässt. Die Umsätze sind geschrumpft. Dazu kommen Schreckensnachrichten wie jene des Poker-Portals Full Tilt Poker, das von mehreren ­Poker-Stars betrieben und im September von den US-Behörden geschlossen wurde. Der Vorwurf: Die Profis sollen in die Kasse gegriffen und ihre Kunden um rund 300 Millionen Dollar betrogen ­haben.

Währenddessen bereiten sich die Finalisten wie Olympiateilnehmer auf die drei Tage in Las Vegas vor. Der Deutsche Pius Heinz (22) hat neben einem Betreuer für Pokerübungen auch einen Fitness- und einen Mentaltrainer engagiert, dazu kommt der Ernährungsplan vom Facharzt. Nur die empfohlenen acht Stunden Schlaf hielt er kaum ein, wie er dem «Kölner Stadt-Anzeiger» verriet: «Wenn ich tatsächlich gewinnen sollte, hätte ich ausgesorgt. Mein Leben steht am Scheideweg. Beim Einschlafen muss ich oft darüber nach­denken.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 04/11/11

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