Für Italien geht es nach der Niederlage gegen Costa Rica um Alles oder Nichts. Grund genug für die einen für Kritik und für andere für Optimismus. Oder mit den Worten von Gianluigi Buffon: «Zwei von drei möglichen Resultaten reichen uns. Das ist nicht so schlecht.»
Soll keiner sagen, dass Italien seine traditionellen Tugenden verloren hätte. Souverän kontrollierte das Team von Cesare Prandelli in der Hitze von Recife das Ergebnis. Zwar brachte es in der zweiten Halbzeit keinen gefährlichen Schuss aufs Tor, aber hinten liess es nichts mehr anbrennen. Es blieb gegen Costa Rica beim 0:1.
Das kluge Resultatsmanagement führt dazu, dass heute in Natal gegen Uruguay ein Remis zum Weiterkommen genügt. Anderenfalls hätte gewonnen werden müssen. So kurios ist manchmal der WM-Modus, so rasant die Achterbahnfahrt in der «Todesgruppe» D, dass sogar ein italienischer Sieg gegen die Mittelamerikaner nicht das Weiterkommen garantiert hätte. Auch dann wäre dieser eine Punkt gegen Uruguay noch vonnöten gewesen.
Ob Buffon hier Prandelli sagt: «Locker bleiben Trainer – wir sind Chamäleons»? (Bild: TORU HANAI)
Warum also die Panik? Diese Frage durchzog so ziemlich jede Antwort, die Gianluigi Buffon in Natal der aufgescheuchten Presse gab. «Das ist mein zehntes Turnier mit Italien», dozierte der 36-jährige Kapitän und Rekordnationalspieler. «Und nur einmal waren wir vor dem letzten Gruppenspieltag schon qualifiziert. Dieses Spiel ist ein Finale, klar, aber wir sind wie Chamäleons: Wir passen uns den Umständen an.»
In seinem Kernbereich allerdings wirkt Prandelli zunehmend vom Visionär zum Tüftler mutiert; einer, der verändert um der Veränderung willen. Seit Monaten sucht der Commissario Tecnico («CT») in Fragen von Taktik und Aufstellung den Kompass. Vor Turnierbeginn liess er drei verschiedene Module trainieren, insbesondere die exakte Positionierung Andrea Pirlos, für Italiens Spiel so entscheidend, variierte er dabei immer wieder.
Als die Squadra dann gegen England einen gelungenen Auftakt hinlegte (2:1), atmeten die verwirrten Beobachter durch: das Experiment mit dem jungen Marco Verratti als zweitem Spielmacher schien zu funktionieren, Italien seine Formation gefunden zu haben. Prandelli war anderer Auffassung. Gegen Costa Rica überraschte er mit dem Austausch Verrattis gegen den rustikaleren Thiago Motta und einem profunden Abwehrrevirement: Matteo Darmian, Italiens Turnierentdeckung, von rechts auf links, Giorgio Chiellini von rechts in die Mitte, Ignazio Abate neu ins Team.
«Prandelli macht zu viele Fehler, er ist konfus und verliert die Kontrolle über die Situation.» Kritik wird an Prandelli laut.
«Der CT sucht Probleme, wo keine waren, wir ruinieren uns selbst das Leben», schimpft Alessandro Altobelli, Weltmeister 1982. Sein damaliger Kompagnon Francesco Graziani stimmt ein in den Lästerchor der Altmeister: «Prandelli macht zu viele Fehler, er ist konfus und verliert die Kontrolle über die Situation. Ciro Immobile, Torschützenkönig der Serie A, kam gegen Costa Rica nicht mal von der Bank.» Tatsächlich wechselte Prandelli gegen Costa Rica mit Alessio Cerci, Lorenzo Insigne und Antonio Cassano alle anderen Ersatzstürmer ein und musste danach einräumen: «Die drei Neuen haben uns nicht weitergeholfen.»
Kann endlich auch auf dem Platz lachen: Ciro Immobile darf wohl gegen Uruguay endlich spielen. Der Torschützenkönig der Seria A kam nicht mal von der Bank gegen Costa Rica. (Bild: ALESSANDRO GAROFALO)
Gegen Uruguay könnte Immobile nun endlich seine Chance bekommen. Das Land ruft nach einem Einsatz des Neu-Dortmunders, der sich beim letzten Testkick vor Turnierbeginn gegen Fluminense mit drei Toren und zwei Torvorlagen bewährte. Weil zudem wohl Abräumer Daniele De Rossi (Wadenprobleme) ausfällt, erwägt Prandelli die Umstellung vom 4-1-4-1 der letzten Spiele auf ein 3-5-2-System.
Zwei von drei möglichen Resultaten reichen
Klingt wieder kompliziert, könnte sich aber als Vereinfachung herausstellen. Die Verteidiger Chiellini, Leonardo Bonucci und Andrea Barzagli sowie Pirlo und sein Adjutant Claudio Marchisio kennen das von ihrem Verein Juventus Turin. Auch die Nationalelf hat diese Taktik schon erfolgreich exerziert, etwa im Gruppenspiel gegen Spanien bei der EM 2012 (1:1).
In der Heimat regiert dennoch die Skepsis. Neben fussballerischen Fragen besorgt vor allem der körperliche Aspekt. «Viele müde Spieler» sah Prandelli gegen Costa Rica, und wenig deutet daraufhin, dass es gegen Uruguay anders werden könnte. Wieder wird im heissfeuchten Nordosten gespielt, wieder um ein Uhr Ortszeit angepfiffen, wieder geht es gegen ein lateinamerikanisches Team und Italien hatte sogar einen Tag weniger Erholung.
Aber wie gesagt, Italien kann schizophren sein. Der Pessimismus der einen ist der Optimismus der anderen. Und wie sagt Gigi Buffon mit der Erfahrung von zehn Turnieren: «Im Fussball gibt es drei Resultate. Zwei davon reichen uns. Das ist nicht so schlecht.»