Taugen die Neuen beim FC Basel etwas? Und macht der neue Meisterpokal etwas her? Wer ist denn nun der Transfersieger dieses Winters, und wäre es schlimm, wenn der FCB nicht Meister würde? Auf der Suche nach Antworten in der Super League.
1. Ist es möglich, einen Zehn-Punkte-Vorsprung noch zu verspielen?
Da müsste ziemlich viel zusammenkommen. Vier Basler Niederlagen zum Beispiel. Das ist dem FCB zum letzten Mal in der Christian-Gross-Abschiedssaison 2008/09 passiert. Mehr als drei Niederlagen gab es seither im Frühjahr nicht mehr. Gleichzeitig dürfte sich GC so gut wie keine Ausrutscher leisten. Und auf YB kann man sich im Falle eines Basler Schwächeanfalls erfahrungsgemäss ja sowieso nicht verlassen.
Also: Dass der FCB die Meisterschaft unter den Vorzeichen noch vergeigt, ist so unwahrscheinlich, wie den Titel am letzten Spieltag in der 93. Minute nach einem nicht korrekt ausgeführten Einwurf des Gegners – an diese leidvolle Erfahrung im Mai 2006 zu erinnern, fühlte sich Bernhard Heusler diese Woche bemüssigt. Sechs Punkte Vorsprung wurden seinerzeit in den letzten beiden Runden noch verspielt. So ein Präsident muss wahrscheinlich den Warnfinger heben.
2. Wäre es denn schlimm, wenn der FCB mal nicht Meister würde?
Wie man’s nimmt. In der Stadt soll es ja Leute geben, die sich geradezu danach sehnen. Und die eine Phantomdiskussion über ihre Erfolgsmüdigkeit führen.
Wie auch immer: Es wäre der 19. Titel für den FC Basel (wir erinnern an dieser Stelle respektvoll an den Rekordmeister GC und seine 27) und der siebte in Serie. Sieben – das ist eine schöne, magische Zahl (sieben Weltwunder, sieben Zwerge), und geschafft hat es natürlich noch niemand im Schweizer Fussball, so oft hintereinander Meister zu werden.
Also: ein lohnendes Ziel. Ausserdem: Als Meister geht’s direkt zum Auszahlungsschalter der Uefa und der Champions League; dem Zweiten bleibt der Umweg über die Qualifikation.
Wobei: Selbst ein weiteres Jahr ohne Königsklasse stürzt den FCB nicht in den Ruin. Für das Geschäftsjahr 2015 wird er zwar nicht wieder einen 100-Millionen-Franken-Umsatz ausweisen, aber plus/minus 80 Millionen und einen Gewinn fürs Eigenkapitalkonto.
3. Wer ist der Transfersieger des Winters?
Solche Fragen werden auf dem Boulevard beantwortet und nicht in der TagesWoche! Sagen wir mal so: Von der Fluktuation her nehmen sich der FCB und der FC Zürich nichts. Beide haben vier Zu- und acht Abgänge. Am anderen Ende der Skala figuriert der FC Thun, die gelebte Beschaulichkeit mit null neuen Spielern und zwei Abgängen.
Wenn man es nur von der wirtschaftlichen Seite betrachtet, hat der FCB mit dem 12-Millionen-Franken-Transfer von Mohamed Elneny zu Arsenal London wahrscheinlich auf einen Schlag so viel eingenommen wie alle anderen zusammen. Und ein bisschen was reinvestiert hat der FCB ja auch: zusammen circa fünf Millionen in Andraz Sporar, Alexander Fransson und Renato Steffen.
Prominenter Rückkehrer: Philippe Senderos, neu beim Grasshopper Club Zürich. (Bild: Keystone/WALTER BIERI)
Die ganz grossen, klingenden Namen sind woanders gelandet, in Zürich und Sion. Philippe Senderos, der Heimkehrer in die Schweiz mit fast 31 Jahren und nach 15 Monaten ohne Einsatz bei den Grasshoppers. Theofanis Gekas (35) wurde in der Türkei beim Abstiegskandidaten Eskisehirspor im November aus- und kurz vor Toresschluss beim FC Sion wieder einsortiert. Schliesslich der grosse Alexander Kerschakow (33), dessen ganz grosse Zeiten auch schon eine Weile zurückliegen, was Ancillo Canepa aber nicht davor zurückschrecken liess, sich diesen Skalp an den Präsidenten-Mehrheitsaktionär-Sportchef-Gürtel zu hängen.
Fazit: Diese drei Verpflichtungen haben einen Hauch von Resterampe. Wir fressen einen Besen, wenn alle drei einschlagen.
4. Was darf man von den drei Neuen beim FCB erwarten? Und: Spielen sie am Wochenende schon?
Nein. Das wird eine gepflegte Aufstellung mit Vaclik im Tor, Lang, Suchy, Samuel oder Akanji sowie Safari in der Abwehr, davor Xhaka und Zuffi im Mittelfeld und vorne toben sich Embolo, Bjarnason, Delgado und Janko aus.
Nahe dran am Team ist Andraz Sporar, doch nun laboriert der Slowene, der mit der Empfehlung von 17 Toren in 18 Spielen für Ljubljana zum FCB wechselte, an einer Entzündung im Fuss. Den ersten Eindrücken aus Training und Testspielen nach sagen wir: Der kann was.
Einen gewissen Rückstand aufzuholen haben Renato Steffen und Alexander Fransson. Steffen trainierte als Aussortierter bei YB zehn Tage alleine, ehe der Wechsel nach Basel in trockenen Tüchern war. Er wird natürlich keine Eingewöhnungsschwierigkeiten haben, was Rhythmus und Anforderungen der Super League anbelangt.
Vielleicht benötigt Fransson ein paar Tage länger für diese Assimilation, dafür hat er nicht an Steffens Front zu kämpfen: sich bei Fans beliebt zu machen.
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5. Ist der FCB nun stärker oder schwächer?
Wir versuchen es mal so herzuleiten: Mohamed Elneny, Zdravko Kuzmanovic, Shkelzen Gashi, Albian Ajeti und Yoichiro Kakitani haben in der ersten Saisonhälfte von 90 möglichen Einsätzen 47 absolviert, sieben von 43 Tore erzielt und drei Assists beigetragen. Nüchtern betrachtet ist die Lücke überschaubar. Und die Neuen stehen grundsätzlich im Saft.
Wobei: Elneny wird fehlen, am schmerzhaftesten wird man das vielleicht bei internationalen Spielen feststellen.
Für Feinschmecker mit Sinn für Elnenys Spiel: fünf Minuten zusammengeschnitten aus der Champions-League-Heimpartie gegen Real Madrid. Ein Genuss:
6. Was ist beim FC Luzern, dem ersten Gegner des FCB am Sonntag, gelaufen?
Dauerläufer Remo Freuler ist in der Serie A (Bergamo) gelandet und der beste Torschütze, Dario Lezcano in der Bundesliga (Ingolstadt). Auf diesen Substanzverlust haben die Zentralschweizer reagiert: Die Familienzusammenführung (Christian zu Marco Schneuwly) scheint ein ebenso kluger Schachzug zu sein wie die Verpflichtung von Markus Neumayr, dessen Verlust der FC Vaduz womöglich mit dem Abstieg bezahlen muss. Dazu kommt der in Lille nicht glücklich gewordene Michael Frey auf Leihbasis.
Ansonsten präsentiert sich Luzern mal wieder als einer der traditionell nervösesten Fussballstandorte des Landes. Rolf Fringer – der, der Alex Frei vor einem Jahr nachfolgte – ist schon wieder geschasst worden.
Die Rechnung, die die «Zentralschweiz am Sonntag» aufgemacht hat (online nicht verfügbar) – 3,5 Millionen Franken durch Transfers verdient, eine Million ausgegeben – und die leise Kritik, warum nicht jüngere Spieler geholt worden seien, hat der FC Luzern mit einer harschen Entgegnung auf seiner Webseite gekontert: Die kolportierten Zahlen seien «komplett falsch» und «teilweise bis zu fünfmal zu hoch». Aussenstehende würden mit «Fantasiebeträgen in die Irre geführt».
Da möchte man den Vereinen zurufen: Dann nennt doch die korrekten Zahlen, damit das Publikum sich selbst ein Bild machen kann!
7. Macht der neue Meisterpokal was her?
Von Grösse und Gewicht auf jeden Fall. 73 Zentimeter ist der neue Wanderpokal hoch und damit fast doppelt so gross wie der Vorgänger, den der FC Basel nun sein Eigen nennen darf. 13 Kilo wiegt die neue Trophäe aus Sterlingsilber 925 und Goldschicht und sollte damit auf dem engen Balkon des Basler Stadtcasinos sorgsam von Hand zu Hand übergeben werden.
Entworfen und geschmiedet wurde das gute Stück von der Zürcher Edelwerkstatt Meister Silber unter Anleitung eines Österreichers. 920 Arbeitsstunden waren nötig, das sind umgerechnet 613 Fussballspiele à 90 Minuten oder so viele Spiele wie in dreieinhalb Jahren Super League. Klingt eindrücklich.
8. Zu guter Letzt: Was tun, wenn das Titelrennen tatsächlich so früh entschieden ist, wie allseits prognostiziert wird?
Zerstreuung bietet das Frühjahr wahrlich genügend. Noch in diesem Monat etwa die K.o.-Runde der Europa League mit Sion und Basel. Dann die mit Spannung erwartete Präsidentenwahl im Augiasstall Fifa. Ausserdem: diverse Gerichtsverhandlungen mit Blattini. Und wer wird Schweizer Cupsieger? Okay, das interessiert in Basel kaum einen mehr.
Am 18. Mai schliesslich der Europa-Cup-Final im St.-Jakob-Park. Eher ohne FCB-Beteiligung – oder sind wir da zu pessimistisch? Auf jeden Fall scheint die Organisation des Events eine herkulische Aufgabe für Stadt Basel und den FCB zu sein.
Schliesslich gibt es vier Wochen EM-Fussball aus Frankreich bis zum Final am 10. Juli, der wohl ohne Schweizer Beteiligung stattfinden wird. Oder sind wir da schon wieder zu pessimistisch?
Wen das alles nicht genug umtreibt: Nur ein paar Tage später, am 23. Juli, geht die neue Saison der Super League schon wieder los. Viel Vergnügen.
» Für die Planung der nächsten Saison: Der Rahmenterminplan 2016/17 zum Download
Ausgangslage: Die Super-League-Tabelle vor dem Start der zweiten Saisonhälfte: