«Kein Grund zu Klagen» – Federer und Wawrinka souverän weiter

Schwierigkeiten hatte Federer erst bei der Verwertung seiner Matchbälle. Ansonsten marschierte er noch überzeugender in die Runde der letzten Acht als vor ihm Stan Wawrinka.

Locker eine Runde weiter. Federer will unbedingt in den Final.

(Bild: HENRY BROWNE)

Schwierigkeiten hatte Federer erst bei der Verwertung seiner Matchbälle. Ansonsten marschierte er noch überzeugender in die Runde der letzten Acht als vor ihm Stan Wawrinka.

Roger Federers spitzte seine Aussage selber zu: Er müsste hart mit sich ins Gericht gehen, würde er in diesem Jahr nicht den Wimbledon-Titel oder wenigstens das Finale erreichen. Der siebenmalige Champion des berühmtesten Turniers der Welt hat sich damit weit aus dem Fenster gelehnt und zugleich eine ziemliche Fallhöhe für ein früheres Scheitern gesetzt.

Doch bisher sieht es keinesfalls nach einem unzeitigen Straucheln des Maestros aus. Auch am Manic Monday zog der 33-jährige Familienvater einsam seine Kreise, demonstrierte beim 6:2, 6:2, 6:3-Achtelfinalsieg gegen den Spanier Roberto Bautista Agut seine Formstärke und tankte noch einmal Selbstbewusstsein für den heissen Turnier-Endspurt. «Ich bin in der richtigen Spur. Es gibt keinen Grund, sich über irgendetwas zu beklagen», sagte Federer, der nun in der Runde der letzten Acht auf den Franzosen Gilles Simon trifft. Noch die grössten Probleme hatte Federer in den allerletzten Momenten, denn er brauchte ein halbes Dutzend Matchbälle zum Gesamterfolg.

Energiegeladene Auftritte im reifen Profialter

Dass es am Mittwoch zu einem grösseren schweizerisch-französischen Länderkampf kommt, ist Stanislas Wawrinka zu verdanken – der Romand nämlich begleitet Rasenmeister Federer nach dem 7:6 (7:3), 7:6 (9:7) und 6:4-Sieg über den Belgier David Goffin ins Viertelfinale. Und auch Stan, the Man trifft auf einen Tennis-Musketier, auf den 29-jährigen Richard Gasquet. Einen Mann, mit dem Wawrinka schöne Erinnerungen verbinden: Denn mit dem dramatischen Fünf-Satz-Sieg bei den French Open 2013 gegen Gasquet deutete Wawrinka erstmals so richtig an, dass er sein grosses Potenzial auch in grossen Matches auf den Platz bringen kann.



Zwei mal musste Wawrinka ins Tiebreak – und gewann doch in drei Sätzen.

Zwei mal musste Wawrinka ins Tiebreak – und gewann doch in drei Sätzen. (Bild: TOBY MELVILLE)

Inzwischen ist Wawrinka zu beachtlicher Stabilität bei den Major-Turnieren gereift – denn seit jenen Französischen Meisterschaften vor zwei Jahren erreichte der 30-Jährige in acht von zehn Fällen das Viertelfinale bei seinen Grand Slam-Auftritten. In Wimbledon wiederholte er den Vorstoss in die Runde der letzten Acht aus dem Vorjahr, damals allerdings war er dann an Federer gescheitert.
Mit Federers Bestwerten kann der French Open-Pokalheld freilich auf den grünen Plätzen an der Church Road nicht mithalten, doch das muss er auch nicht. Gegen Bautista Agut erhöhte der Maestro seine Wimbledon-Bilanz auf 77:9-Siege, zog in sein nunmehr 45. Viertelfinale ein und holte sich seinen 140. Erfolg auf einem Rasenplatz der Tour.

Doch mehr noch als diese Zahlen und Fakten imponieren Federers energiegeladene Auftritte im reifen Profialter, insbesondere in der Rasensaison, in der sich in diesem Jahr so wohl fühlt wie seit langem nicht mehr. «Die längere Serie auf Rasen tut mir einfach gut. Ich bin in optimaler Verfassung nach Wimbledon gekommen, und ich habe mir hier bisher bestätigt, dass das grosse Puzzle zusammenpasst», sagte er.

Vier Spiele ohne Satzverlust

Federers nächste Aufgabe führt ihn mit einem Kollegen zusammen, der einst so etwas wie ein Angstgegner für ihn war – doch nach zunächst zwei verlorenen Partien gegen Simon gewann der Schweizer die letzten fünf Vergleiche. Besonders dicke Freunde sind Federer und Simon nicht, beim Davis Cup-Finale im letzten November warf Federer dem Franzosen vor, mit unüberlegten, provozierenden Bemerkungen («Ich wundere mich, warum die Franzosen manchmal Federer mehr als uns anfeuern») die Atmosphäre unnötig angeheizt zu haben. «Gilles redet viel», sagt Federer, «manchmal zu viel.»

Wawrinka arbeitete sich hart durch die Partie gegen den kleinen Flitzer Goffin, erlebte immer wieder Aufs und Abs im Spiel. Aber Wawrinka blieb, wie er selbst sagte, «trotz allem positiv», liess nicht zu, dass gelegentlicher Frust ihn übermannte und herunterzog. «Unterm Strich ist es gut, dass man auch durch die Spiele durchkommt, wenn es nicht optimal läuft», sagte er. Auch nach dem vierten Spiel behielt er seine weisse Weste, hat noch keinen Satz abgegeben. Vielen ist das freilich noch gar nicht aufgefallen im Londoner Hype um Federer, Djokovic oder Murray. Aber spätestens mit dem Viertelfinale wird Wawrinka nicht mehr unter dem Radar bleiben.

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