Knapp am Gefrierpunkt

Wenn sich nicht doch noch ein paar Hundert FCB-Fans für ein K.o.-Rundenspiel im Europacup erwärmen können, wird die Tiefstmarke an Zuschauern heute im St.-Jakob-Park unterboten werden.

Es sind noch Plätze frei: Im St.-Jakob-Park werden gegen Dnipro Dnipropetrovsk so wenig Zuschauer sein wie selten zuvor. (Bild: EQimages/Giuseppe Esposito)

Wenn sich nicht doch noch ein paar Hundert FCB-Fans für ein K.o.-Rundenspiel im Europacup erwärmen können, wird die Tiefstmarke an Zuschauern heute im St.-Jakob-Park unterboten werden. Der Winter ist nur einer von vielen Gründen für das geringe Interesse.

Sagt man einem vollen Stadion die Kraft eines heissen, dampfenden Kessels nach, dann wird heute im St.-Jakob-Park, wenn der FC Dnipro aus der Ukraine seine Visitenkarte abgibt, im doppelten Sinn eine Atmosphäre knapp am Gefrierpunkt herrschen. 6300 Tickets sind bis Mittwochabend im Vorverkauf abgesetzt worden. Das heisst, es müssten am Spieltag noch einmal 550 Karten an den Tageskassen verkauft werden – ansonsten gibt es einen Minusrekord.

Der liegt bei 6843. So viele FCB-Fans kamen am 30. Juni 2001, wenige Monate nach Eröffnung des neuen Stadions, um in der 2. Runde des Uefa-Intertoto-Cup den FCB gegen den FC Grindavik aus Island zu sehen. Die Basler hatten das Hinspiel auf Island mit 2:0 gewonnen, und die Spannung war bereits raus, als die Basler das Rückspiel mit 3:0 herunterspulten.

Zwölfeinhalb Jahre später stellt sich die sportliche Affiche ganz anders dar, bestreitet der FCB heute Abend das Hinspiel in den Sechzehntelfinals der Europa League. Doch die Fans zeigen dem FCB quasi die kalte Schulter. Aber zur uneinladenden Witterung kommt noch eine ganze Reihe weiterer – darunter durchaus gute – Gründe, nicht im Stadion zu sein.

Es sind Ferien, und aussdem stecken viele Basler mitten in den Fasnachtsvorbereitungen. Der Gegner aus Dnipropetrovsk besitzt nicht die Zugkraft anderer Clubs im Wettbewerb, und es gibt keine nennenswerte Zahl von Expats aus der Ukraine, die das Stadion füllen könnten. Dazu kommt die kundenunfreundliche Anstosszeit um 21.05 Uhr, von der Uefa den Teilnehmern in der Europa League auferlegt, womit Familien mit Kindern und Weitherreisende vom Besuch abgeschreckt werden. Und das Schweizer Fernsehen überträgt live, in Farbe und voller Länge heim in die warme Stube.

Werbeaktion wurde verworfen

Es sind also die Hartgesottenen, die unerschütterlichen Fans, die sich dieses Spiel gönnen und bis kurz vor Mitternacht in einer Kühltruhe sitzen oder stehen. Grundsätzlich kann sich der FC Basel als seit Jahren in der Schweiz unangefochtener Krösus wahrlich nicht beklagen, was das Zuschaueraufkommen anbelangt.

Josef Zindel erklärt sich das geringe Interesse kurz und bündig: «Es ist das Zusammentreffen sämtlicher ungünstiger Kriterien.» Man habe, so der FCB-Sprecher, in der Geschäftsleitung überlegt, mit grossen Aktionen die Werbetrommel zu rühren, um sich dann selbst einzugestehen, dass die Attraktivität dieser Partie in einer schwierigen Woche damit kaum zu steigern gewesen wäre. Für den Club wird diese Runde unter dem Strich eher ein Drauflegegeschäft werden denn Gewinn abwerfen.

An den Eintrittspreisen kann das mangelnde Interesse nicht unbedingt liegen – sie liegen auf Meisterschaftsniveau. Zindel bezeichnet die Preise als «fair» und hält auch nichts von Dumpingangeboten: «Der FC Basel und die Europa League sind ein gutes Produkt. Das ist nicht zum verschenken.»        

Dreimal bereits ist der FCB knapp an der Minusmarke von 2001 vorbeigeschrammt. Gegen den FK Baku kamen 2009 in der Europa-League-Qualifikation auch nur 7113 Zuschauer. 8430 erlebten 2007/08 den Match gegen Stade Nyonnais und ebenfalls im Schweizer Cup wurden es gegen Lausanne-Sport 2010/11 auch nur 8028.

Der Präsident ist enttäuscht

Während Josef Zindel sich nicht zu sehr verbeissen will in den Hader über das geringe Interesse am Dnipro-Match, äusserte sich FCB-Präsident Bernhard Heusler im vom Club produzierten TV-Magazin «rotblau total» auf «Telebasel» kerniger: «Es ist schade, wir sind enttäuscht.» Heusler, der in der europäischen Clubvereinigung ECA tätig ist, schildert, dass man auf der organisatorischen Ebene Überlegungen anstelle, die Europa League zu stärken. «Der Wettbewerb wird zu wenig angenommen von den Leuten. Ich begreife nicht, das man sich nur noch auf die Champions League konzentriert. Sportlich ist das nicht zu erklären.»

In der Europa League oder vormals im Uefa-Cup kam der FCB in den letzten Jahren gegen Gegner von überschaubarer Zugkraft stets auf plusminus 15’000 Zuschauer und damit auf deutlich weniger als in der heimischen Meisterschaft, wo der offizielle Besucherschnitt zuletzt zweimal über 29’000 lag. Nicht berücksichtigt sind in dieser Zahl die sogenannten No-Shows, Jahreskarteninhaber, die Spiele auslassen und ihr Ticket nicht weitergeben. Und diese Zahl ist beim FCB erheblich.

Murat Yakins Mannschaft wird es zu spüren bekommen, dass die Kulisse diesmal deutlich dünner besetzt sein wird. «Es ist ein grosser Unterschied, vor 10’000 oder 30’000 Zuschauern zu spielen», räumt Yann Sommer ein. Der FCB-Goalie verspricht aber: «Wir werden uns darauf einstellen. Wir müssen einfach ein gutes Spiel zeigen und ein gutes Resultat erzielen.»

In den Achtelfinals winkt ein grosses Los

Übersteht der FC Basel diese Runde in der Europa League, und das ist gegen einen ambitionierten Gegner wie Dnipro Dnipropetrovsk alles andere als eine Selbstverständlichkeit, stünde in den Achtelfinals der Sieger aus Zenit Sankt Petersburg gegen den FC Liverpool gegenüber. Kämen die Engländer, man müsste sich all diese Gedanken nicht machen: Der St.-Jakob-Park wäre voll – egal, ob es stürmt, schneit oder Freibier am Barfüsserplatz ausgeschenkt wird.

Und wer es sich noch überlegt im Laufe dieses Tages: Die Kasse am St.-Jakob-Park ist geöffnet – bis Mitte der ersten Halbzeit, verspricht Josef Zindel.

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