Koller hält mit seiner Kritik nicht hinter dem Berg

Das 2:2 in Lugano deckt erneut auf, wie hausbacken der FC Basel inzwischen unterwegs ist. Die Einschätzung eines frustrierten Trainers Marcel Koller klingt wie eine Fundamentalkritik. Ihm fehlen Biss und Leader auf dem Platz.

Von seinen Abstechern ins Tessin ist der FC Basel eigentlich immer beschwingt heimgekehrt. Seit der Rückkehr des FC Lugano in die Super League vor drei Jahren hat der FCB im Cornaredo nicht verloren, vier Siege und drei Unentschieden stehen zu Buche. Die letzte Niederlage geht sogar noch sehr viel weiter zurück, in die Zeiten, als Christian Gimenez noch Siegtore für die Luganesi schoss, so wie damals im November 2000.

Verloren hat der FCB auch am Sonntag nicht. Aber im späten September 2018 trat in Lugano zutage, was der Ex-Meister inzwischen verkörpert: hausbackenes Mittelmass. Schöner lässt sich das 2:2 nicht ausschmücken. Drei Remis hat der FCB aus seinen vier Auswärtsspielen in der Liga mitgenommen, er rangiert nach dem ersten Saisonviertel auf dem fünften Rang und der auf 14 Punkte angewachsene Rückstand auf die dem Rest enteilten Young Boys ist eigentlich nur noch eine Randnotiz.

Während der Meisterexpress unter vollem Dampf zwischen Bern und den Super-League-Destinationen rollt, ächzt und stottert der Motor beim FCB. Seiner Mannschaft ist so ziemlich alles an Selbstsicherheit und Ausstrahlung abhanden gekommen, an Widerstandskraft und Klasse, die einen redlich herausgespielten 2:0-Vorsprung wie im Cornaredo zu einem glatten Dreier werden lassen.

Nach einer unterirdischen ersten Halbzeit der Luganesi reichte offenbar ein Tobsuchtsanfall von Präsident Angelo Renzetti auf dem Weg in die Pause und ein archaischer Schachzug von Trainer Guillermo Abascal. Sein defensiver Ankerspieler Miroslav Covilo, ein baumlanger Bosnier, spielte nach dem Seitenwechsel so etwas ähnliches wie Mittelstürmer. Jedenfalls konnten ihn die Basler weder beim Anschlusstor, das Covilo allerdings aus klarer Abseitsposition selbst besorgte, noch beim Ausgleich kontrollieren.

Schliesslich war gar nichts mehr gut

Keine Organisation hätten sie mehr gehabt nach Seitenwechsel, lamentiert Taulant Xhaka, der nach seiner langen Verletzungspause zu jenen auf Formsuche gehört. Und Luca Zuffi, mit seinem Tor und etlichen anderen konstruktiven Szenen der auffälligste Basler, rechnet ähnlich ernüchternd zusammen: «In der zweiten Halbzeit sind wir zu wenig auf dem Gegner gewesen, wir konnten das Pressing nicht mehr ausführen wie zuvor, wir haben zu wenig erste und zweite Bälle gewonnen.»

https://www.srf.ch/sport/fussball/super-league/2-2-im-cornaredo-basel-muss-sich-in-lugano-mit-einem-punkt-bescheiden

Eigentlich war gar nichts mehr gut, schien an allen Ecken und Enden auf, woran es dem FCB gebricht. Sportdirektor Marco Streller legte auf der Tribüne des Cornaredo seine Stirn in Falten. Und das gegen einen FC Lugano, der mit bescheidenen Mitteln zu Werke ging. Vor noch nicht allzu langer Zeit hätte der FC Basel dieses Lugano mit Haut und Haaren verzehrt, jetzt verschluckt er sich beinahe daran.

«Nach dem 2:0 müssen wir einfach besser spielen», sagt Zuffi und gesteht ein: «Wir haben zu wenig gut verteidigt und ein weiteres Mal die Null nicht halten können.» Genau genommen ist der FCB in seinen neun Ligaspielen kein einziges Mal ohne Gegentor geblieben und weist die drittschlechteste Defensive der Liga aus – eingedenk der sieben Gegentreffer in Bern.

Kollers Fundamentalkritik

Angefasster als nach jener monströsen Niederlage gegen YB wirkte in Lugano Marcel Koller. «Weil wir den Sieg verschenkt haben», sagt der FCB-Trainer, «es ist eine Enttäuschung, dass wir es nicht hinbekommen haben.»

Was folgte war eine in seiner ruhigen und unaufgeregten Art formulierte Adresse an seine Spieler, die man als Fundamentalkritik an der Mannschaft begreifen kann, aber auch an ihrer Zusammensetzung und an seinem Vorgänger. Im Wesentlichen sind es drei Aspekte, die Koller unmittelbar nach dem Spiel vor den Journalisten ansprach:

Die physische Verfassung:

«Da müssen wir schärfer sein, um solche Spiele zu Ende zu bringen. Was wir Trainer wollen – auf der einen Seite das Läuferische, hohes Tempo, Schnelligkeit, Sprints – das verlangt eine höhere Basis als wir sie vielleicht aktuell besitzen.»

Die fussballerische Klasse:

«Wir haben spielerische Qualitäten, und in einzelnen Phasen können wir fussballerisch umsetzen, was wir uns in der Theorie vorgenommen haben. Aber wir können es nicht über 90 Minuten spielen.»

Die fehlenden Leader:

«Es bringt nichts, wenn Spieler hinterher in der Kabine laut werden. Wir brauchen auf dem Platz Schärfe. Diese Verbissenheit und Aggressivität hat mir gefehlt. Ich weiss nicht, ob das bisher nicht verlangt wurde – aber wir sind zu brav. Wir brauchen jemanden, der das in die Hand nimmt und auf dem Platz führt.

Das alles aufzubauen und zu verbessern, «geht nicht von heute auf morgen», sagt Koller, «aber wir müssen anfangen, wir müssen das ändern, wenn wir weiterkommen und wieder Erfolg haben wollen.»

Davon, all das umsetzen zu können, um wieder erfolgreicher zu sein, ist Koller überzeugt; das muss er in seiner Funktion ja auch sein. «Aber es gibt  immer wieder Rückschläge, und das frustet den Trainer.» Und das Umfeld, das sich in der neuen Wirklichkeit des FC Basel eingerichtet hat. Die spiegelt sich in der Tabelle.

https://tageswoche.ch/allgemein/fcb-muss-sich-in-lugano-mit-remis-bescheiden/

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