Die Chronik: Wundersame Wandlung nach der Pause
Es sind noch keine drei Minuten vorüber, als Christian Schneuwly mit seinem 100. Tor in der Super League die Sittener in Führung bringt. Vorausgegangen ist ein Querschläger von Manuel Akanji, der zur Vorlage für Torvorbereiter Matheus Cunha wird.
Der frühe Rückstand wirkt sich auf das Nervenkostüm des FCB aus, der zwar auf dem frisch ausgerollten Rasen im St.-Jakob-Park drückt, aber in Tornähe keinerlei Gefahr ausstrahlt. Und der homogen wirkende FC Sion kontert nach Herzenslust, verpasst aber einen weiteren Treffer.
Nach der verzögerten Spielfortsetzung (siehe weiter unten) dreht der FCB die Partie innert 60 Sekunden. Erst trifft Michael Lang per Kopf (56.), dann Mohamed Elyounoussi mit einem Heber (57.).
Gegen einen völlig in sich zusammenfallenden Gegner erleben offiziell 24’212 Zuschauer die wundersame Wandlung eines Spiels, verwandelt Renato Steffen in der 72. Minute einen an Albian Ajeti verschuldeten Foulpenalty und sieht Jan Bamert für wiederholtes Foulspiel die Gelb-Rote Karte.
Steffen, der eine lange Durststrecke hinter sich hat, spricht nach dem Spiel von einer «Last», die mit dem ersten Saisontreffer von ihm falle.
Die dezimierten Sittener haben nach dem 3:1 nichts mehr dagegenzusetzen und kassieren in der 76. Minute einen weiteren Foulpenalty (Mitryushkin an Steffen), den Kevin Bua ebenso sicher verwertet wie zuvor Steffen. Der FCB kombiniert sich nun lustvoll durch die desolate Gästeabwehr, lässt noch einen Strauss an weiteren Chancen aus (Elyounoussi, Bua), ehe Bua in der Nachspielzeit seinen zweiten Treffer des Abends erzielt.
Basels zwei Gesichter und die Serie gegen Sion
Es sind wieder einmal zwei Gesichter, die der FCB unter Raphael Wicky präsentiert. Erstaunlich ist, wie die Mannschaft sich durch einen frühen Rückschlag verunsichern lässt. Beeindruckend ist dann aber auch, wie sie einen Gang höher schaltet. Dem Speed, den die Elyounoussis und Buas dann ausspielen können, war der FC Sion mit seiner jungen Mannschaft nicht mehr gewachsen.
Und so steht unter dem Strich der höchste Basler Saisonsieg in der Meisterschaft, und Wickys Team gelingt es erstmals, einen Rückstand in einen Sieg zu wenden. Gabris Mannschaft dagegen rutscht durch den Auswärtssieg des FC Lugano in St. Gallen ans Tabellenende, hat seit sieben Spielen nicht mehr gewonnen – und wartet seit sage und schreibe 1997 und 28 Spielen (18 Niederlagen) auf einen Sieg in Basel.
Trainermonologe: «Eine schreckliche zweite Halbzeit»
Raphael Wicky, Trainer des FC Basel:
«Ich bin sehr froh über das Ergebnis und die Reaktion der Mannschaft in der zweiten Halbzeit. Das frühe Gegentor war sehr unglücklich und hat meine Mannschaft verunsichert. Auf den letzten 30 Metern und im Strafraum waren wir zu langsam, haben wir zu wenig Intensität gezeigt. Es war immer ein Bein des Gegners dazwischen oder wir haben die falschen Entscheidungen getroffen.
Die lange Halbzeitpause war ungewohnt und unangenehm, weil man nicht weiss, wann es weitergeht. Es verging fast eine halbe Stunde, und man kann ja nicht die ganze Zeit Anweisungen geben. Die Spieler haben sich zum Teil locker auf dem Velo bewegt. Wichtig ist, dass wir ruhig geblieben sind.
Als sich Renato Steffen den Ball zum Penalty geschnappt hat, habe ich gehofft, dass er es macht. Für ihn und die Mannschaft. Ich bewerte Spieler ja nicht nur nach Toren, aber für einen Offensivspieler sind persönliche Erfolgserlebnisse schon wichtig.
Für die Champions League gegen Manchester nehmen wir vor allem Selbstvertrauen mit. Wir haben nicht viel zu verlieren, aber es wird ein total anderes Spiel werden, und nur gut zu spielen reicht nicht gegen solche Gegner. Es wird ein unglaublich harter Match werden, wir werden zusammen kämpfen und leiden müssen – und darauf freue ich mich.»
Gabriel Garcia, genannt Gabri, Trainer des FC Sion:
«Unsere erste Halbzeit war gut, und es ist etwas schwer zu sagen, was dann passiert ist. Vielleicht lag es nicht nur an uns, sondern auch am Druck, den der FC Basel gemacht hat. Es war jedenfalls eine schreckliche zweite Halbzeit für uns, und wir werden unsere Schlüsse und Lehren daraus ziehen müssen.»
Die Aufstellungen: Riveros zurück in der Startelf
FCB-Trainer Raphael Wicky entschied sich für eine 4-2-3-1-Grundordnung mit einer Viererabwehr, in die auf links nach einiger Zeit wieder Blas Riveros anstelle von Raoul Petretta in die Startelf zurückkehrte.
Im Mittelfeld ersetzte, wie vom Trainer angekündigt, Geoffroy Serey Dié den in der Champions League am Mittwoch gegen Manchester United gesperrten Taulant Xhaka, der ebenso auf der Bank Platz nahm wie Dimitri Oberlin. In der Offensive bekamen Renato Steffen, Mohamed Elyounoussi, Kevin Bua sowie Albian Ajeti den Vorzug.
FC Basel (4-2-3-1): Vaclik – Lang (80. Xhaka), Suchy, Akanji, Riveros – Serey Dié, Zuffi – Steffen (82. Fransson), Elyounoussi, Bua – Ajeti (73. Oberlin).
Bank: Salvi (Tor), Balanta, Petretta, Itten.
FC Sion (4-3-3): Mitryushkin – Angha, Bamert, Ricardo, Dimarco (63. Pinga) – Kasami, Toma (78. Maceiras), Ucan – Cunha (78. Mboyo), Schneuwly, Lenjani.
Bank: Fickentscher (Tor), Constant, Kukeli, Zock.
Der Nebenschauplatz I: Sion-Fans auf der Palme
Die Partie im St.-Jakob-Park konnte nach der Halbzeitpause erst mit über 20-minütiger Verzögerung fortgesetzt werden. Grund waren Sittener Fans, die sich erst auf dem Spielfeld, dann vor der Absperrung des Gästesektors aufhielten.
Auslöser für den Aufruhr war, dass FCB-Fans sich in der Pause einer Fahne der wenigen mitgereisten Sion-Fans bemächtigten und damit übers Spielfeld zurück in die Muttenzerkurve rannten. Dort wurde das Textil während der Unterbrechung verbrannt.
Dieses Ritual, ein Machtspielchen unter Ultra-Fans, brachte die Sion-Anhänger auf die Palme. Die Polizei marschierte kurzfristig vor dem Gästesektor auf, zog sich aber rasch wieder zurück. Währenddessen begaben sich FCB-Präsident Bernhard Burgener und Jean-Paul Brigger, der Delegierte des Verwaltungsrates, zum Schauplatz vor dem Gästesektor. «Wir haben versucht zu vermitteln», sagt der Walliser Brigger.
Der Grossteil der Sion-Fans verliess daraufhin den St.-Jakob-Park. Als auf dem Platz noch keine Viertelstunde der zweiten Halbzeit vorüber war, kam es vor dem Stadion offenbar zu Auseinandersetzungen. Akustisch wahrnehmbar der Einsatz von Kampfmitteln durch die Polizei.
Der Nebenschauplatz II: Pogba und Ibrahimovic sind zurück
Das Comeback zweier grosser Namen war das überragende Thema beim 4:1-Heimsieg von Manchester United gegen Newcastle. Auch die «roten Teufel» gerieten in Rückstand – unter gütiger Mithilfe von Rückkehrer Paul Pogba, der im ersten Aufeinandertreffen mit dem FC Basel im September früh verletzt ausgeschieden war und seither fehlte. Pogba war es dann aber auch, der erst den Ausgleich vorbereitete und das dann 3:1 markierte. Die weiteren Treffer für Manchester erzielten Anthony Martial, Chris Smalling sowie Goalgetter Romelu Lukaku.
Mit den drei Punkten bleibt ManU in der Premier League der erste Verfolger von Manchester City – allerdings mit acht Punkten Rückstand. Bei seiner Auswechslung in der 70. Minute erhielt Pogba stehende Ovationen der 75’000 Menschen im Old Trafford, und sieben Minuten später standen diese erneut Kopf, als Zlatan Ibrahimovic nach siebenmonatiger Verletzungspause (Kreuzbandriss) zum Einsatz kam. Der Schwede figuriert auf der Kontingentliste für die Champions League, weshalb er auch am kommenden Mittwoch in Basel eingesetzt werden könnte.
Vor dem Spiel
Die Vorschau:
Alex Frei im Interview mit der TagesWoche über sein Rollenverständnis als Juniorentrainer des FC Basel (am Sonntag, 13.30 Uhr, auf dem Campus im U18-Spitzenkampf gegen GC) und Verwaltungsrat:
Andere haben sich während der Länderspielpause mit Raphael Wicky beschäftigt. Im «Blick» pocht der FCB-Trainer darauf, dass er Meister werden will: «Ich weiss, dass es ein langer Weg wird. Aber wir schaffen das.» Zu Wort kommt Wicky ausserdem in der «Basler Zeitung», der er erklärt, warum er nichts in den Medien über den FCB lesen mag.
Und dann gibt es noch eine traurige Meldung: Friedel Rausch ist im Alter von 77 Jahren in Horw im Kanton Luzern gestorben. Der gebürtige Duisburger war in der Nationalliga-B-Saison 1992/93 Trainer des FC Basel. Zu seinem Andenken in Basel erheben sich die Zuschauer vor dem Anpfiff des Super-League-Matches FCB–Sion für eine Schweigeminute.