An diesem Donnerstag ist Christian Streich fünf Jahre Trainer beim SC Freiburg. In der Bundesliga ist das eine gefühlte Ewigkeit. Eine kleine Würdigung eines Fussballlehrers, der sich auch immer wieder die Freiheit nimmt, über den Tellerrand hinauszuschauen.
Am Montag bittet Christian Streich zum ersten Training im neuen Jahr. Sollte dann einer auf die Idee kommen, ihm zu seinem fünfjährigen Jubiläum als Trainer des SC Freiburg zu gratulieren, wird er eine wegwerfende Handbewegung machen. Dass er seit fünf Jahren im Amt ist und vor Peter Stöger und Roger Schmidt der dienstälteste Bundesligatrainer ist, interessiert Streich nach eigenem Bekunden nur insofern, als es beweist, «wie schnelllebig das Geschäft geworden ist».
Wenn die Freiburger Pressestelle schon vor Wochen jede Interviewanfrage abwies, liegt das allerdings auch daran, dass sie beim SC seit jeher schnell panisch werden, wenn das Interesse der Öffentlichkeit den gewohnten 50-Kilometer-Radius überschreitet. Als nach Streichs Äusserungen über Facebook, Flüchtlinge und die AfD («Man muss sich jetzt bekennen») mehrere Dutzend Interviewanfragen aufliefen, liess man deshalb die Jalousien runter. Auf Geheiss von Streich, dem zuletzt einige Menschen einen Hang zur Selbstdarstellung andichteten. Und die damit ziemlich danebenliegen.
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Streich, der früher mit Sportdirektor Klemens Hartenbach in einer WG wohnte, ist vor 30 Jahren in der Freiburger Studentenszene politisch sozialisiert worden. Eine Meinung und eine Haltung zu haben gilt da nicht als Verhaltensauffälligkeit. Wer sieht, wie er bei seinen öffentlichen Aussagen nach Worten ringt, wie sein Blick hin- und herwandert, kann sowieso nicht auf die Idee kommen, dass sich da jemand inszeniert.
Streich und die grosse Bühne
Wenn Streich sich wohlfühlt, er das Gefühl hat, frei reden zu können (und vielleicht sogar eine Zigarette in der Nähe ist), dann ist seine Körpersprache genauso entspannt wie sein Redefluss. Er gewinnt in dem Masse an Souveränität, in dem das Publikum privater wird. Es ist die Frage, ob die grosse Bühne sein Freund ist. Ihr Freund ist er jedenfalls nicht.
Dass es ihm rund um die Spieltage so schwer gelingt, Gelassenheit aufzubauen, ist hingegen ein wirkliches Problem. Wenn Streich sich provoziert fühlt – sei es von Trainern wie Gertjan Verbeek, Hoffenheims Manager Alexander Rosen oder auch mal einer banalen Zeitungs-Überschrift – geht ihm das noch Monate nach. Nervenschonend kann es nicht sein, wenn man Dinge noch mit 51 Jahren so schlecht abhaken kann.
Fussball gespielt und gelehrt wird auch noch
Immerhin, ein paar Worte in eigener Sache hat Streich zuletzt fallen lassen. Er sei dem Sportclub «dankbar, dass sie nicht gleich anfangen zu spinnen, wenn man mal ein Spiel verloren hat», hat er gesagt und dabei unter anderem an den Abstieg im Sommer 2015 gedacht. Denn ansonsten hätte die Ägide Streich kaum so erfolgreich verlaufen können.
So lange sind die Trainer in der Bundesliga im Amt (Stand: 28.12.2016):
(Bild: transfermarkt.de)
Als er am 29. Dezember 2011 das Traineramt vom überforderten Marcus Sorg übernahm, führte er einen entmutigten Tabellenletzten auf Rang 12. In der darauffolgenden Spielzeit qualifizierten sich die Freiburger für die Europa League, ehe man nach einem 14. Platz in der Saison 2013/14 im darauffolgenden Jahr abstieg. Um eine Klasse tiefer den sofortigen Wiederaufstieg zu schaffen – als Erster vor RB Leipzig.
Auch diese Spielzeit könnte frühzeitig zu einem guten Ende kommen. Der SC hat mit 23 Punkten zur Winterpause zehn Zähler Vorsprung auf den Relegationsrang. » Die Bundesliga-Tabelle
Der Menschenführer
Auf Ballbesitz und Kombinationsfussball wird jede Mannschaft Wert legen müssen, die von Streich trainiert wird, doch seit gut einem Jahr spielt Freiburg pragmatischer, ergebnisorientierter und auch deutlich robuster. Es waren notwenige Anpassungen, die dem SC Erfolg brachten.
Doch Streichs Stärken erschöpfen sich nicht im Fussballtaktischen. Zwar gab es auch in Freiburg in den vergangenen fünf Jahren Spieler, die mit dem Trainer nicht klarkamen, doch es ist immer wieder erstaunlich, dass auch sehr unterschiedliche Spielertypen geradezu euphorisch über seine Menschenführung reden. Schlichtere Gemüter, aber auch auffallend reflektierte Spieler wie Nils Petersen, Julian Schuster oder der nicht unkomplizierte Jan Rosenthal.
Streich ist dann am stärksten, wenn er mit seinen Spielern arbeiten kann und wenn es um Fussball geht. Mit seiner Art und manchen Aussagen, die in einer nichtssagenden Branche auffallen müssen, ist er zudem längst das Gesicht des SC Freiburg geworden. Ob ihnen das dort nun gefällt oder nicht.
* 1. und 2. Bundesliga | Quelle: transfermarkt.de | |||
Die Bundesliga-Trainer mit der längsten Dienstzeit bei einem Verein * | |||
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5843 | Volker Finke | SC Freiburg | 1.7.1991 – 30.6.2007 |
5202 | Otto Rehhagel | Werder Bremen | 2.4.1981 – 30.6.1995 |
5119 | Thomas Schaaf | Werder Bremen | 10.5.1999 – 15.5.2013 |
4285 | Winfried Schäfer | Karlsruher SC | 1.7.1986 – 25.3.1998 |
4016 | Hennes Weisweiler | Borussia Mönchengladbach | 1.7.1964 – 30.6.1975 |
3798 | Eduard Geyer | Energie Cottbus | 1.7.1994 – 23.11.2004 |
3396 | Werner Lorant | 1860 München | 1.7.1992 – 18.10.2001 |
2921 | Jupp Heynckes | Borussia Mönchengladbach | 1.7.1979 – 30.6.1987 |
2679 | Jürgen Klopp | FSV Mainz 05 | 28.2.2001 – 30.6.2008 |
2556 | Helmut Johanssen | Eintracht Braunschweig | 1.7.1963 – 30.6.1970 |