Marcel Koller – zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Marcel Koller kann sich schon nicht mehr retten vor lauter Verehrung in Österreich, seit er mit dem Nationalteam die EM-Qualifikation geschafft hat. Das fantastische Länderspieljahr endet mit der Begegnung gegen die Schweiz, und in der Alpenrepublik sorgt man sich bereits, ob der Zürcher über den Euro-Sommer hinweg erhalten bleiben wird.

Wien 29.10.2015, Austria Center Vienna, Wien, AUT, Lotterien-Gala, Nacht des Sports 2015, im Bild v.r.n.l. Herbert Prohaska und Marcel Koller // f.r.t.l. former football player Herbert Prohaska and Headcoach of the austrian football team Marcel Koller during Lotterien galanight of sports 2015 at Austria Center in Vienna on 2015/10/29, PUBLICATIONxNOTxINxAUT EX_GRU Vienna 29 10 2015 Austria Center Vienna Vienna AUT Lotteries Gala Night the Sports 2015 in Picture v r n l Herbert Prohaska and Marcel Koller F r T l Former Football Player Herbert Prohaska and Head Coach of The Austrian Football team Marcel Koller during Lotteries galanight of Sports 2015 AT Austria Center in Vienna ON 2015 10 29 PUBLICATIONxNOTxINxAUT EX_GRU

(Bild: Imago)

Marcel Koller kann sich schon nicht mehr retten vor lauter Verehrung in Österreich, seit er mit dem Nationalteam die EM-Qualifikation geschafft hat. Das fantastische Länderspieljahr endet mit der Begegnung gegen die Schweiz, und in der Alpenrepublik sorgt man sich bereits, ob der Zürcher über den Euro-Sommer hinweg erhalten bleiben wird.

Langsam muss Marcel Koller die Hysterie und der Hype, die inzwischen in Österreich um seine Person gemacht werden, unheimlich werden. Was kommt jetzt als nächstes? Wird ihm das Verdienstkreuz der Republik verliehen? Kriegt er vielleicht einen österreichischen Pass? Wird etwa gar das ehrwürdige Ernst Happel-Stadion künftig nach ihm benannt?

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Nichts scheint mehr unmöglich, seit Marcel Koller die österreichische Fussball-Nationalmannschaft das erste Mal zu einer EM-Endrunde geführt hat. Selbst bei der traditionellen heimischen Sportler-Gala, bei der die besten und beliebtesten Athleten gekürt werden, hat der 55-jährige Schweizer zuletzt für ein Novum gesorgt: Koller erhielt da als erster Nicht-Österreicher in der 65-jährigen Geschichte der Sportlerwahl den Special Award überreicht, sozusagen den Preis für sein Lebenswerk.

Dass die Laudatio dann auch noch ausgerechnet von Herbert «Schneckerl» Prohaska gehalten wurde, einem der grössten Kritiker des Zürchers, als er seinerzeit im Herbst 2011 das Teamchefamt übernommen hatte, passt irgendwie gut in den Stimmungswandel, den das Land in den vergangenen Jahren vollzogen hat. «Unglaublicherweise kann auch ich mich einmal irren», sagte Prohaska in einem Anflug von Selbstironie.



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Ein Special-Award mit speziellem Design: Marcel Koller bei der Nacht des Sports Ende Oktober in Wien. (Bild: Imago)

Von der Notlösung zum Glücksfall

Das wirklich Erstaunliche an diesem Stimmungswandel und an dem Aufwärtstrend ist ja, dass dieser Marcel Koller, dem mittlerweile die ganze Nation huldigt, seinerzeit nicht einmal die erste Teamchef-Wahl war. In die Suche nach einem Mann, der den rot-weiss-roten Fussball wieder aus seinem langjährigen Dornröschenschlaf erweckt, war damals sogar Franz Beckenbauer eingebunden. Franco Foda, Christoph Daum oder auch Mirko Slomka waren als Kandidaten gehandelt worden, der Name Marcel Koller tauchte erst spät auf und wurde in manchen Medien und von Ex-Teamspielern und Ex-Teamchefs prompt als Notlösung hingestellt.

Die Ausgangslage war für den Schweizer aber vielleicht gar nicht so schlecht. Erstens einmal weil kaum jemand in ihm tatsächlich einen «Wunderwuzzi» oder Heilsbringer sah und die Erwartungshaltung dementsprechend gering war. Und zweitens weil schon zu dieser Zeit enormes Potenzial im österreichischen Fussball schlummerte.

«Er war auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort», sagt heute etwa Willibald Ruttensteiner, der Sportdirektor beim Österreichischen Fussball-Bund (ÖFB), und: «Ich glaube schon, dass der Zeitpunkt und die Entwicklung der Mannschaft vor zehn Jahren schwieriger gewesen wäre.»

Denn mittlerweile wissen sie beim ÖFB: die Heim-EM 2008 zusammen mit der Schweiz hat die Österreicher im Grunde genommen völlig auf dem falschen Fuss erwischt. In der Euphorie um die erste Turnier-Teilnahme waren viele Entwicklungen und Probleme schlicht übersehen worden.



Wien 12.10.2015, Ernst Happel Stadion, Wien, AUT, UEFA EURO EM Europameisterschaft Fussball 2016 Qualifikation, Oesterreich vs Liechtenstein, Gruppe G, im Bild Trainer David Alaba (AUT), Marcel Koller (AUT) // the UEFA EURO 2016 qualifier group G match between Austria and Liechtenstein at the Ernst Happel Stadion, Vienna, Austria on 2015/10/12. PUBLICATIONxNOTxINxAUT EX_PUC Vienna 12 10 2015 Ernst Happel Stadium Vienna AUT UEFA Euro euro European Championship Football 2016 Qualification Austria vs Liechtenstein Group G in Picture team manager David Alaba AUT Marcel Koller AUT The UEFA Euro 2016 Qualifier Group G Match between Austria and Liechtenstein AT The Ernst Happel Stadium Vienna Austria ON 2015 10 12 PUBLICATIONxNOTxINxAUT EX_PUC

Ein Trainer, der auch austeilen kann: Marcel Koller mit David Alaba am 12. Oktober im Wiener Ernst-Happel-Stadion beim Feiern der EM-Teilnahme. (Bild: Imago)

Dass sich etwa der österreichische Fussball fast über Jahrzehnte die falschen Vorbilder genommen hatte und immer geglaubt hatte, sich am (über)grossen Bruder Deutschland orientieren zu müssen. Oder dass kaum langfristige Konzepte, Strategien und Leitbilder entworfen worden wären. Wofür steht der österreichische Fussball, wo will er hin, was ist machbar?

Das Beispiel der Schweiz

Erst spät, aber nicht zu spät, fanden sie beim ÖFB den Weg in die Erfolgsspur. Auch weil sich der Blick nicht mehr stur nach Deutschland richtete, sondern die Verantwortlichen im heimischen Fussball auch einmal einen Seitenblick wagten. Auf den Schweizer Fussball, der den Österreichern in den ersten zehn Jahren dieses Jahrtausends um Welten voraus war und die eine oder andere Steilvorlage liefern sollte.

Die Österreicher haben sich in den vergangenen Jahren durchaus auch die Schweiz zum Vorbild genommen. Die Nachwuchsförderung wurde überdacht, die Integration von Spielern mit Migrationshintergrund kultiviert, und ein «österreichischer Weg» eingeschlagen. «Im Nachwuchs haben wir uns im letzten Jahrzehnt 14-mal für ein Turnier qualifiziert. Da sieht man, dass das Gesamtsystem stimmt», erklärt Sportdirektor Willibald Ruttensteiner.

Marcel Koller erntet die Früchte

Natürlich erntet Marcel Koller jetzt die Früchte, die schon vor einiger Zeit ausgesät worden waren. Selbstverständlich profitiert er von der aktuellen Generation der Alabas, Dragovice und Arnautovice , die sich inzwischen alle im besten Fussballeralter befinden und längst bei internationalen Topvereinen am Ball sind.

Talente und Konzepte garantieren freilich noch lange keine EM-Teilnahme und bringen ein Nationalteam nicht automatisch von Rang 77 in die Top Ten der Fifa-Weltrangliste. «Das ist Koller in der Persönlichkeit zuzuschreiben – egal ob Fachwissen, Umgang mit Spielern, Betreuern oder Medien. Da ist er extrem stark und ich traue ihm in diesem Bereich auch noch eine Riesenkarriere zu», erklärt Ruttensteiner vor dem Prestigeduell mit der Schweiz am Dienstag im Wiener Ernst Happel-Stadion.



Wien 03.11.2015, Raiffeisen Zentralbank, Wien, AUT, OeFB, Pressekonferenz des Oesterreichischen Fussballverbandes, im Bild Teamchef Marcel Koller (AUT) mit Karikatur vor Eiffelturm // during press conference PK Pressekonferenz of the Austrian Football Association at Raiffeisen Zentral Bank in Vienna, 2015/11/03. PUBLICATIONxNOTxINxAUT EX_GRU Vienna 03 11 2015 Raiffeisen Central Bank Vienna AUT �FB Press conference the Austrian Football Association in Picture Team boss Marcel Koller AUT with Caricature before Eiffel Tower during Press Conference press conference Press conference of The Austrian Football Association AT Raiffeisen centrally Bank in Vienna 2015 11 03 PUBLICATIONxNOTxINxAUT EX_GRU

Meine Verehrung, Herr Teamchef: Wo der Zürcher Marcel Koller auch auftaucht, schlägt ihm Sympathie entgegen. Die Qualifikation für die Euro 2016 werden ihm die Österreicher so schnell nicht vergessen. (Bild: Imago)

Das ist aber auch das Dilemma, in dem sie beim Österreichischen Fussball-Bund inzwischen stecken. Die beeindruckende Entwicklung, die das rot-weiss-rote Nationalteam in den vier Jahren unter Marcel Koller genommen hat, ist nicht unbemerkt geblieben. Und deshalb wird es wohl nicht einfach, den beliebten Schweizer über das EM-Turnier 2016 in Frankreich hinaus in Österreich zu halten. «Für mich ist die grosse Zielsetzung, dass Marcel Koller bleibt», sagt Ruttensteiner, «sportlich wäre es wunderschön, wenn er seine Arbeit fortsetzen würde.»

Schöner kann’s kaum noch werden

Nur: So recht daran glauben mögen in Österreich nur mehr die Wenigsten. Denn die Fussball-Euphorie, die inzwischen das Land erfasst hat, wird nicht mehr zu toppen sein. Auch nicht durch eine WM-Teilnahme 2018 in Russland, die übrigens alles andere als ein Selbstläufer werden dürfte. Zumal Europa bei einem WM-Turnier auch nicht 24 Teilnehmer stellen darf, wie 2016 bei der Euro in Frankreich.

Das alles weiss Marcel Koller, und er weiss wohl auch, dass ein würdiges Abschneiden beim EM-Turnier im kommenden Sommer das schönste Abschiedsgeschenk sein würde.

Österreichs voraussichtliche Aufstellung (4-2-3-1) für das Länderspiel gegen die Schweiz am Dienstag, 17. November (20.45 Uhr) in Wien:

Tor: Ramazan Özcan (31, FC Ingolstadt/4 Einsätze)
Abwehr: Florian Klein (28, Vfb Stuttgart/32/0 Tore), Sebastian Prödl (28, FC Watford/54/4), Aleksandar Dragovic (24, Dynamo Kiew/42/1), Christian Fuchs (29, Leicester City, 71/1)
Mittelfeld defensiv: Julian Baumgartlinger (27, Mainz 05/41/1), David Alaba (23, Bayern München/41/10)
Mittelfeld offensi: Jakob Jantscher (26, FC Luzern/19/1), Marcel Sabitzer (21, RB Leipzig/15/3), Marko Arnautovic (26, Stoke City/47/10)
Angriff: Marc Janko (32, FC Basel/50/25)
Abwesend: Robert Almer (Austria Wien), Martin Harnik (Vfb Stuttgart), Zlatko Junuzovic (Werder Bremen), Veli Kavlak (Besiktas Istanbul).

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