Marcel Kollers Österreicher wittern eine grosse Chance

Ausser dem neuen Respekt, den Marcel Koller dem Nationalteam verschafft hat, spricht nicht besonders viel für Österreich in der WM-Qualifikation. Vor dem Spiel in Schweden ist dennoch so etwas wie ein landesweites Fieber ausgebrochen.

Austria's David Alaba (R) reacts after scoring a goal past Ireland's goalkeeper David Forde (L) and Marc Wilson (C) during their World Cup qualifying soccer match against Ireland in Vienna September 10, 2013. REUTERS/Heinz-Peter Bader (AUSTRIA - Tags: SP (Bild: Reuters/HEINZ-PETER BADER)

Ausser dem neuen Respekt, den Marcel Koller dem Nationalteam verschafft hat, spricht nicht besonders viel für Österreich in der WM-Qualifikation. Vor dem Spiel in Schweden ist dennoch so etwas wie ein landesweites Fieber ausgebrochen.

Es gibt kein Entrinnen. Widerstand zwecklos. Selbst wer sich nicht für Fussball interessiert, der erlebt dieser Tage in Österreich zwangsläufig einen Kick. Keine Zeitung, die nicht seitenweise über die rot-weiss-roten Kicker berichtet; keine TV-Nachrichtensendung, die dieser Tage nicht am Ball ist und sich dem «Spiel der Spiele» widmet; kein Gesprächsthema, das zwischen Boden- und Neusiedlersee so in aller Munde ist, wie der Auftritt der österreichischen Fussball-Nationalmannschaft am Freitag in Schweden.

Wer bereits für die WM 2014 qualifiziert ist

Brasilien (Gastgeber)
Argentinien (Südamerika)
Niederlande (Europa)
Italien
USA (Concacaf)
Costa Rica
Japan (Asien)
Iran
Südkorea
Australien

In Europa stehen am Freitag und Dienstag die letzten Gruppenspiele an; in Afrika werden die Hinspiele der fünf Playoffs ausgetragen.

Aufbruchstimmung und Euphorie, so versichern Kommentatoren und ehemalige Teamspieler glaubhaft, wären grösser als vor der Heim-Europameisterschaft 2008.

Die kollektive Anteilnahme am WM-Qualifikationsspiel sind durchaus nachvollziehbar. Das Land trägt seit Jahren eine grosse Sehnsucht in sich, die Sehnsucht nach einer Teilnahme an einer Fussball-Weltmeisterschaft.

Der letzte Auftritt österreichischer Fussballer bei einem WM-Turnier ist längst verjährt (1998), und trotzdem – oder gerade deswegen – sind die Protagonisten von damals heute allgegenwärtig. Vor allem, weil die Ausgangslage Erinnerungen wach werden lässt an den Coup vor eineinhalb Jahrzehnten – was die Abergläubischen unter den Österreichern, und von denen hat es nicht wenige, als perfektes Omen werten.

«Die Spieler riechen den Braten»

Auch vor der Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich waren die Schweden der härteste Qualifikationsgegner der Österreicher. Damals glückte dem ÖFB-Nationalteam der wichtige Auswärtssieg in Stockholm. Einen ähnlichen Exploit benötigen die Österreicher auch diesmal, wollen sie in den letzten beiden Partien die drei Zähler vor ihnen liegenden Schweden noch abfangen und sich den zweiten Gruppenplatz hinter Deutschland sichern.

«Die Spieler riechen den Braten», versichert Teamchef Marcel Koller, der die österreichische Nationalmannschaft schon einmal so weit gebracht hat, wie kein Teamchef der letzten zehn Jahre. Denn da war für Österreich die EM- und WM-Qualifikation meist schon nach wenigen Spieltagen gelaufen. «Das ist für uns ein richtiges Endspiel», sagt der Zürcher.

Marcel Kollers Verdienst

Einen Erfolg kann Koller schon jetzt für sich verbuchen. Ihm ist es gelungen, das Ansehen der oft so belächelten und verspotteten österreichischen Nationalmannschaft vor allem in der Heimat zu steigern und Hochstimmung zu entfachen. Der ÖFB vermeldete für die Ära Koller jedenfalls Rekordzuschauerzahlen und nahezu immer ausverkaufte Stadien. Nach Schweden wird die Mannschaft von 5000 Anhängern begleitet, beim Auswärtsspiel in Deutschland waren zuletzt sogar 20’000 österreichische Fans mit in München.

Die Aufbruchstimmung in allen Ehren: Die Statistik und die jüngsten Leistungen geben eher wenig Anlass zu Optimismus und weltmeisterlicher Vorfreude. Vor allem die verheerende Auswärtsbilanz stempelt die Österreicher zum krassen Aussenseiter. Wieso soll ein Team, das in den letzten Jahren in Moldawien, Kasachstan oder sogar auf den Färöer Inseln gestrauchelt ist und nicht voll gepunktet hat, nun ausgerechnet bei den erfahrenen Schweden den notwendigen Sieg einfahren?

Österreichs Auswärtsschwäche

Nur zur Verdeutlichung: In diesem Jahrtausend haben die Österreicher in Wettbewerbsspielen erst vier Auswärtssiege zu Buche stehen, die Gegner lesen sich nicht wie das Who’s who des europäischen Fussballs: Liechtenstein (1:0 im Jahr 2000), Weissrussland (2:0/2002), Wales (2:0/2005) und Aserbaidschan (4:1/2011). «Serien sind dazu da, um gebrochen zu werden», meinte der österreichische Teamkapitän Christian Fuchs trotzig vor der Abreise nach Stockholm.

Die Auswärtsmisere ist nicht das einzige, was gegen die Österreicher spricht. In all dem Jubel und Trubel um die Nationalmannschaft wird gerne vergessen, dass die Nationalmannschaft in dieser Qualifikation das Glück bereits strapaziert hat. In Irland (2:2) gelang der Ausgleich erst in der Nachspielzeit, beim Heimsieg gegen Schweden (2:1) enthielt der Schiedsrichter in der Schlussminute den Gästen einen klaren Elfmeter vor.

Stammpersonal im Formtief

Das grösste Manko sind aber das Formtief und die fehlende Matchpraxis einiger Leistungsträger: Torhüter Robert Almer – zuletzt fehleranfällig in der zweiten deutschen Bundesliga mit Cottbus. Abwehrchef Emanuel Pogatetz – mit Nürnberg in der Krise. Captain Christian Fuchs – bei Schalke nur mehr Ersatz. Die Mittelfeldstrategen Julian Baumgartlinger und Zlatko Junuzovic – bis vor einer Woche noch im Krankenstand. Und der Goalgetter Marc Janko – bei Trabzonspor Edelreservist und Tribünengast.

Marcel Koller lächelt diese Sorgen sympathisch weg. Er will nicht in das typisch österreichische Raunzen einstimmen, ein Wesenszug, der dem Schweizer in Wien schnell aufgefallen war. «Hier wird gerne gejammert», schmunzelt der Teamchef. Und überhaupt: «Ich habe schon Spieler eingesetzt, die drei Monate nicht gespielt haben.»

Alaba – der Hoffnungsträger

Und wenn alle Stricke reissen, ist da ja immer noch David Alaba, der personifizierte österreichische Heilsbringer. Ohne den Jungstar des FC Bayern würde Österreich jetzt schon im Abseits stehen, er allein hat mit seinem späten Siegestor zuletzt gegen Irland (1:0) das Endspiel von Stockholm erst möglich gemacht.

Alaba allein trug in den vergangenen Partien stets die meiste Verantwortung bei der Nationalmannschaft. Auch deshalb weil er von Koller im zentralen Mittelfeld eingesetzt wird, und nicht wie bei den Bayern links hinten agieren muss.

Wenn Koller vor dem Match in Stockholm behauptet, «Schweden ist Ibrahimovic», dann gilt umgekehrt auch: Österreich ist Alaba. «Manchmal fällt es schwer, nicht abzuheben», erklärt der 21-jährige Alaba, der genau das Gegenteil des egozentrischen und exzentrischen Zlatan Ibrahimovic ist. «Das Spiel gegen Schweden kann für uns ein Türöffner sein.»

Auch Platz 2 ist keine Gewähr

Es kann aber auch der Worst Case eintreten und die Tür nach Brasilien schneller zufallen, als Alaba und Co. lieb ist. Denn selbst bei einem Sieg in Schweden und dem Erreichen des zweiten Gruppenplatzes ist die Weltmeisterschaft noch in weiter Ferne. Ja nicht einmal die Barrage ist den Österreichern sicher, da nur die acht besten Gruppenzweiten die verbleibenden vier WM-Startplätze ausspielen dürfen. Und die Österreicher laufen derzeit Gefahr, als schlechtester Gruppenzweiter auszuscheiden.

Zwei Siege in den verbleibenden beiden Partien würden die Sache befeuern. Der Haken daran: Nach dem Match in Schweden muss die Mannschaft noch auf die Färöer Inseln. Und gegen die Inselkicker haben die Österreicher bei zwei Anläufen auswärts noch nie gewonnen.

Die Auswärtsspiele Österreichs in den Qualifikationen seit 2000 
  7.10.2000 WM-Q Vaduz Liechtenstein–Österreich 0:1
24.3.2001 WM-Q Sarajevo Bosnien-Herzegowina–Österreich 1:1
  1.9.2001 WM-Q Valencia Spanien–Österreich 4:0
27.10.2001 WM-Q Tel Aviv Israel–Österreich 1:1
14.11.2001 WM-Q Istanbul Türkei–Österreich 5:0
12.10.2002 EM-Q Minsk Weissrussland–Österreich 0:2
  2.4.2003 EM-Q Prag Tschechien–Österreich 4:0
  7.6.2003 EM-Q Tiraspol Moldawien–Österreich 1:0
  6.9.2003 EM-Q Rotterdam Niederlande–Österreich 3:1
13.10.2004 WM-Q Belfast Nordirland–Österreich 3:3
26.3.2005 WM-Q Cardiff Wales–Österreich 0:2
  3.9.2005 WM-Q Chorzow Polen–Österreich 3:2
  7.9.2005 WM-Q Baku Aserbaidschan–Österreich 0:0
  8.10.2005 WM-Q Manchester England–Österreich 1:0
10.9.2008 WM-Q Marijampole Litauen–Österreich 2:0
11.10.2008 WM-Q Torshavn Färöer Inseln–Österreich 1:1
  6.6.2009 WM-Q Belgrad Serbien–Österreich 1:0
  9.9.2009 WM-Q Bukarest Rumänien–Österreich 1:1
14.10.2009 WM-Q Paris Frankreich–Österreich 3:1
12.10.2010 EM-Q Brüssel Belgien–Österreich 4:4
29.3.2011 EM-Q Istanbul Türkei–Österreich 2:0
  2.9.2011 EM-Q Gelsenkirchen Deutschland–Österreich 6:2
  7.10.2011 EM-Q Baku Aserbaidschan–Österreich 1:4
11.10.2011 EM-Q Astana Kasachstan–Österreich 0:0
12.10.2012 WM-Q Astana Kasachstan–Österreich 0:0
26.3.2013 WM-Q Dublin Irland–Österreich 2:2
  6.9.2013 WM-Q München Deutschland–Österreich 3:0
WM-Qualifikation, Gruppe C
Datum Spiel Resultat
11.10.2013 Färöer – Kasachstan 19.00
11.10.2013 Deutschland – Irland 20.45
11.10.2013 Schweden – Österreich 20.45
R Mannschaft Sp S U N G : E P
1. Deutschland 8 7 1 0 28 : 7 22

2. Schweden 8 5 2 1 14 : 8 17

3. Österreich 8 4 2 2 16 : 8 14
4. Irland 8 3 2 3 13 : 13 11
5. Kasachstan 8 1 1 6 4 : 17 4
6. Färöer 8 0 0 8 3 : 25 0

Nächster Artikel