Marco Streller und die Geschichte einer geplatzten Transferblase

Als es eine Nachricht wurde, war die Spekulation um einen Wechsel von FCB-Captain Marco Streller zu West Ham United schon keine mehr. Eine geplatzte Transferblase, die noch ein paar Fragen offen lässt.

Mit einem lachenden, mit einem weinenden Auge? Marco Streller schlägt ein lukratives Angebot aus der Premier League aus. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Als es eine Nachricht wurde, war die Spekulation um einen Wechsel von FCB-Captain Marco Streller zu West Ham United schon keine mehr. Eine geplatzte Transferblase, die noch ein paar Fragen offen lässt.

Am Geld kann es nicht gelegen haben. 45’000 Pfund hat West Ham offenbar angeboten. Pro Woche, versteht sich im englischen Fussball. Das wären grob umgerechnet im Jahr mehr als drei Millionen… Aber lassen wir das.

Marco Streller wechselt auf seine alten Fussballertage nicht auf die Insel. Das hat er am Dienstagabend beschlossen, also zu einem Zeitpunkt, als die Druckfarbe auf der Mittwochsausgabe des «Blick» noch nicht getrocknet war, in der aufgeregt vom Angebot des West Ham United FC berichtet wurde.

Nun gibt es allerlei Gründe, einen Wechsel nach England durchaus spannend zu finden: London, die Stadt, die Premier League, traditionsreiche Stadien wie den Upton Park von West Ham, prächtige Kulissen, und das Geld natürlich auch. Ausserdem hat Marco Streller in den zurückliegenden Wochen seine Sprachkenntnisse ein bisschen auffrischen können, seit Paulo Sousa den FC Basel auf Englisch trainiert.

Streller erinnert sich an sein Versprechen

Warum er sich erst mit dem Gedanken an einen späten Karriereschritt beschäftigte und dann doch absagte, konnte mangels Kontakt mit dem Spieler selbst bis Mittwochabend nicht in Erfahrung gebracht werden. Aber es gibt eine Erklärung von ihm auf der Website des FC Basel. Eine etwas merkwürdig präsentierte, in der nicht einmal vom interessierten Club die Rede ist.

Es hätte, lässt Streller mitteilen, in den vergangenen Jahren immer wieder Angebote aus dem Ausland gegeben. «Nach reiflicher Überlegung und nach Rücksprache mit meiner Familie und den Verantwortlichen des FCB habe ich mich aber dazu entschlossen, meine Karriere in Basel fortzusetzen.» Als ob man daran Zweifel gehabt hätte.

Er habe, so der Captain des FCB weiter, «nach wie vor grosse Ambitionen, mit dem FCB weiterhin erfolgreich zu sein».

Streller erinnert sich in seiner Stellungnahme quasi an seine eigenen Aussagen und beendet sie mit einem Ausrufezeichen: «Ich habe den Fans ein Versprechen abgegeben, dass ich meine Laufbahn in Basel beenden möchte, dieses Versprechen möchte ich einhalten!»

Die Avancen aus London

Wenn man seinem Berater Marco Balmelli zuhört, war Streller nicht weit davon entfernt, auf dieses Versprechen wieder zurückzukommen. Als West Ham Kontakt aufnahm – zehn Tage vor Saisonbeginn unter Druck geraten, weil ihr zentraler Stürmer Andy Carroll für Monate ausfällt –, wurde Streller schwach. «Er meinte, das schauen wir uns an», schildert Balmelli.

Dem Anforderungprofil der Londoner – gross, erfahren, Leaderqualität – entsprach der im Juni 33 Jahre alt gewordene Stürmer ebenso wie die West-Ham-Späher nur Gutes zu berichten wussten, etwa von einem Europacupspiel in Salzburg.

Während die Streller-Partei mit den Engländern beziehungsweise einem Vertrauensmann von West-Ham-Trainer Sam Allardyce verhandelte, war der FCB auf dem Laufenden. Das sagt Sportdirektor Georg Heitz, der den Fall ansonsten nicht weiter kommentieren will.

Strellers Sinneswandel

Balmelli hat «die Übung», wie er sagt, «relativ locker genommen». Was bei der üblichen prozentualen Beteiligung eines Beraters an einem Transfer natürlich ein bisschen tiefgestapelt ist. Als der «Blick» mit der Geschichte auf dem Markt war, war es dann mit Balmellis Lockerheit vorbei: «explosionsartig» seien die Reaktionen, unter anderem auf seinem Smartphone, gewesen. Jedes Online-Medium, fast jedes, transportierte die Nachricht, die zu diesem Zeitpunkt schon keine mehr war.

Denn – wie weiter oben referiert – zu diesem Zeitpunkt war der Mist bereits geführt, hatte Streller einen Rückzieher gemacht, auch wenn Balmelli betont, dass es «nahe daran» gewesen sei. Wie es zum Sinneswandel bei Streller kam, kann Balmelli, Anwalt in Basel und ein jahrelanger Wegbegleiter Strellers und von Benjamin Huggel, zwar verstehen, aber auch nicht richtig erklären. Er vermutet: «Vielleicht ist ihm das alles schliesslich doch zu viel und zu gross gewesen.»

Wie auch immer: Es hätte auch verwundert, wenn Streller, der Inbegriff der Identifikation mit dem FC Basel, der Fussballregion und ihren Fans, sich bei einem mittelmässigen Premier-League-Club, der sich im Zweifelsfall mit einem Bein eine Liga weiter unten befindet, in ein Abenteuer gestürzt hätte und ausdrücklich als Notnagel empfangen worden wäre.

Da war doch etwas mit Yakin und Chipperfield

Was bleibt, ist die Erinnerung an zwei zwar nicht vergleichbare, aber ähnlich gelagerte Fälle von Rückziehern. Im Juli 2005 machte sich der damals knapp 31-jährige Murat Yakin, seit Monaten beim FCB mit Rückenproblemen ausser Gefecht, mit seiner Krankenakte unter dem Arm auf den Weg nach Köln, wo er den medizinischen Test bestand und dann doch – sehr zur Verwunderung des 1. FC Köln – umgehend nach Basel heimkehrte.

Vier Jahre später, im Januar 2009, wollte Scott Chipperfield sich im selben Alter wie Marco Streller doch noch den mehrfach geplatzten Wunsch nach einem Wechsel in eine andere europäische Liga erfüllen. Chipperfield reiste damals mit einer Verletzung am Knöchel nach Berlin, und nach eingehender Untersuchung nahm Hertha BSC von einer Verpflichtung Abstand.

Strellers Vertrag beim FCB läuft bis Ende Saison

Nun macht Marco Streller derzeit einen kerngesunden Eindruck, und unlängst hat er der TagesWoche geschildert, dass er noch ein gutes, wenn nicht mehrere gute Jahre in seinem Körper spüre. Bis Ende Saison läuft sein Vertrag noch mit dem FCB, und zu seiner überschaubaren Zukunft als Profi sagte er: «Ich will erst mal spielen. Und im März oder April können wir dann über eine Vertragsverlängerung reden.»

Warum er, den man ohne Übertreibung eine Ikone des Basler Fussballs nennen kann, warum der Vater zweier kleiner Kinder sich dann doch noch einmal zur Überlegung hinreissen liess, in England einen letzten Nervenkitzel zu suchen, quasi einen Seitensprung, wird Marco Streller vielleicht ein anderes Mal erzählen.

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