Alles deutet darauf hin, dass Lionel Messi heute Montag in Zürich zum fünften Mal zum «Weltfussballer» ausgerufen wird. Mit seinem ewigen Konkurrenten um diese Krone, Cristiano Ronaldo, verbindet die beiden Superstars die Zerbrechlichkeit hinter der glamourösen Fassade.
Vermutlich wird Lionel Messi auch am heutigen Montag bei der Verleihung des Ballon d’Or mit seinem Anzug auffallen. In den vergangenen Jahren trug der Argentinier bei der Bekanntgabe der Wahl zum besten Fussballers der Welt extravagante Smokings, mal weinrot schillernd, mal schwarz-weiss gepunktet, in jedem Fall reichlich skurril.
» Der Titel ging – wie erwartet – an Lionel Messi. Hier gehts zur Meldung.
» Der Ballon d’Or bei fifa.com
Manche meinen, der jenseits des Fussballrasens eher blasse Messi wolle sich mit seiner Kleiderwahl auf eine Ebene mit dem ungleich glamouröseren Cristiano Ronaldo begeben, seinem ewigen Konkurrenten um den offiziellen Königsthron der Fussballerwelt. Vielleicht geht es aber auch einfach nur um Marketing. Klar ist allerdings, dass die Wahl auch diesmal zwischen den beiden Stars aus der spanischen Primera Division entschieden wird, Neymar, der dritte Kandidat gilt als chancenlos.
Seit 2007 gab es keinen anderen Sieger mehr, Messi hat vier mal gewonnen (2009 bis 2012), Ronaldo drei mal (2008, 2013, 2014), und so unterschiedlich die beiden erscheinen mögen, gibt es erstaunliche Gemeinsamkeiten. Beide eint eine gewisse Schrulligkeit, die sich nicht nur modisch ausdrückt. Eine Eigentümlichkeit, die die beiden besten Fussballer der Gegenwart trotz ihres Ruhms irgendwie zu Aussenseitern macht.
Die Einsamkeit des Cristiano Ronaldo
«Ich halte mich für einen Einzelgänger», sagt beispielsweise Ronaldo, «die meiste Zeit bin ich alleine.» Der Portugiese ist allein erziehender Vater, lebt mit dem fünfjährigen Cristiano Ronaldo Jr. in einer riesigen Villa, und die Mutter ist unbekannt. Kontakt gibt es nicht, und das ist offenbar auch genauso geplant.
Wer sich dafür interessiert – Cristiano Ronaldo führt durch seine Madrider Gemächer:
Im vorigen Jahr hat der portugiesische Weltstar gemeinsam mit dem Regisseur Anthony Wonke den Film «Ronaldo» über sein Leben gedreht, der tiefe, manchmal rührende und auch traurige Einblicke in dieses schräge Leben der Fussballikone gewährt. Ronaldos Offenheit ist erstaunlich, er zeigt seine Isoliertheit, das Leben in der merkwürdigen Männer-WG mit dem Sohn, die Geschichte des alkoholkranken Vaters, der früh starb. Und die Schwierigkeit, Frauen kennen zu lernen.
Hinter der Fassade des von Sportartikelkonzern Nike inszenierten Superhelden verbirgt sich ein zerbrechlicher Mensch, der Halt in seiner Familie, bei der Mutter und den Geschwistern sucht und von einem geradezu fanatischen Ehrgeiz getrieben ist. Diese Eigenheit teilt Ronaldo mit seinem ewigen Konkurrenten aus Argentinien, der in diesem Jahr als Favorit für den Weltfussballertitel gilt.
Die Spekulationen um Lionel Messi
Messi wird den Ballon d’Or wohl gewinnen, weil er sein überragendes Champions League-Jahr mit dem FC Barcelona im Sommer mit dem Gewinn des Titels krönte. Und der kleine Angreifer wird ebenfalls oft als eine Art Aussenseiter beschrieben. «Am Anfang dachten wir, er wäre stumm», hat Cesc Fàbregas, ein ehemaliger Mitspieler vom FC Barcelona, einmal über den kleinen Künstler gesagt, und in der Messi-Biografie des Autors Luca Caioli taucht alle paar Seiten der Begriff «schüchtern» auf.
«Ich sehe ihn nicht als Rivalen, sondern als Mensch, der mich zu einem besseren Spieler macht und ich ihn.»
Cristiano Ronaldo über Lionel Messi
Romario, der brasilianische Weltmeister von 1994, behauptete vor zwei Jahren sogar, Messi leide am Asperger-Syndrom, einer Form des Autismus, die soziale Interaktion erschwert, während Betroffene oft bestimmte Fähigkeiten schon in frühestem Kindesalter extrem ausprägen. So wie Messi das Spiel mit dem Ball.
Das scheint irgendwie zu passen, zumal es sehr leichte Formen dieser mitunter nur sehr schwer diagnostizierbaren Störung gibt. Vater Jorge Horácio erklärte aber umgehend, Romarios Laiendiagnose sei falsch und drohte mit einer Klage.
Die Flucht in eine warme Parallelwelt
Messis Blässe jenseits des Rasens bleibt aber erstaunlich. Diego Schwarzstein, ein Arzt, der Messi wegen seiner Kleinwüchsigkeit behandelte, sagte einmal: «Wir unterhielten uns immer über Fussball. Das war das einzige Gesprächsthema mit dem man die Schüchternheit des Jungen besiegen konnte.» Das scheint irgendwie bis heute so zu sein.
Wen Walter Samuel vom FC Basel wählen würde:
Wenn man Interviews mit Messi liest, findet sich so gut wie keine Aussage mit Substanz, der 28-Jährige umgibt sich mit Höflichkeiten und Floskeln. Beide Superstars wirken geradezu unbeholfen in selbstverständlichen Aspekten des Lebens, ihre kunstvolle und im Trainingsalltag manchmal auch fanatisch wirkende Hinwendung zum Fussballspiel erscheint wie die Flucht in eine warme heimatliche Parallelwelt. Wobei es natürlich schon Unterschiede gibt.
Eine Ära prägende Rivalität
So ist der Ballon d’Or für Ronaldo von enormer Bedeutung, «das bleibt fürs Leben, das ist der Höhepunkt der Arbeit eines Jahres»», sagt er, während Messi meint: «Solche persönlichen Auszeichnungen machen vor allem die Leute um mich herum glücklich, (…) Titel, die ein ganzes Land oder eine ganze Stadt glücklich machen, sind viel mehr wert.»
Aber das grosse persönliche Duell zwischen den beiden prägt eine Ära, und beim Ballon d’Or wird es Jahr für Jahr vom Duell zweier ganz aussergewöhnlicher Fussballspieler im Umfeld ihrer Mannschaften zu einem Wettbewerb der Einzelsportler, die sich bei aller Konkurrenz gegenseitig zu beflügeln scheinen.
«Ich sehe ihn nicht als Rivalen, sondern als Mensch, der mich zu einem besseren Spieler macht und ich ihn», sagt Ronaldo.
Alle Weltfussballer seit 1991 | |||||
---|---|---|---|---|---|
|
|
|
|
|
|
1991 | Lothar Matthäus | Deutschland | Inter Mailand | Jean-Pierre Papin | Gary Lineker |
1992 | Marco van Basten | Niederlande | AC Milan | Christo Stoitschkow | Thomas Hässler |
1993 | Roberto Baggio | Italien | Juventus Turin | Romario | Dennis Bergkamp |
1994 | Romario | Brasilien | FC Barcelona | Christo Stoitschkow | Roberto Baggio |
1995 | George Weah | Liberia | Paris St-Germain AC Milan |
Paulo Maldini | Jürgen Klinsmann |
1996 | Ronaldo | Brasilien | PSV Eindhoven FC Barcelona |
George Weah | Alan Shearer |
1997 | Ronaldo | Brasilien | FC Barcelona Inter Mailand |
Roberto Carlos | Dennis Bergkamp Zinedine Zidane |
1998 | Zinedine Zidane | Frankreich | Juventus Turin | Ronaldo | Davor Suker |
1999 | Rivaldo | Brasilien | FC Barcelona | David Beckham | Gabriel Batistuta |
2000 | Zinedine Zidane | Frankreich | Juvenrus Turin | Luis Figo | Rivaldo |
2001 | Luis Figo | Portugal | Real Madrid | David Beckham | Raul |
2002 | Ronaldo | Brasilien | Inter Mailand Real Madrid |
Oliver Kahn | Zinedine Zidane |
2003 | Zinedine Zidane | Frankreich | Real Madrid | Thierry Henry | Ronaldo |
2004 | Ronaldinho | Brasilien | FC Barcelona | Thierry Henry | Andrij Schewtschenko |
2005 | Ronaldinho | Brasilien | FC Barcelona | Frank Lampard | Samuel Eto’o |
2006 | Fabio Cannavaro | Italien | Juventus Turin Real Madrid |
Zinedine Zidane | Ronaldinho |
2007 | Kaká | Brasilien | AC Milan | Lionel Messi | Cristiano Ronaldo |
2008 | Cristiano Ronaldo | Portugal | Manchester United | Lionel Messi | Fernando Torres |
2009 | Lionel Messi | Argentinien | FC Barcelona | Cristiano Ronaldo | Xavi |
2010 | Lionel Messi | Argentinien | FC Barcelona | Andres Iniesta | Xavi |
2011 | Lionel Messi | Argentinien | FC Barcelona | Cristiano Ronaldo | Xavi |
2012 | Lionel Messi | Argentinien | FC Barcelona | Cristiano Ronaldo | Andres Iniesta |
2013 | Cristiano Ronaldo | Portugal | Real Madrid | Lionel Messi | Franck Ribéry |
2014 | Cristiano Ronaldo | Portugal | Real Madrid | Lionel Messi | Manuel Neuer |