Wie kurz der Weg vom Tadel zum Torjubel sein kann, zeigte Michael Lang ausgerechnet in der Champions League. Im Heimspiel gegen Benfica Lissabon, es lief die zweite Minute, verwandelte Lang das Zuspiel Dimitri Oberlins wie zu seinen besten Zeiten – flach und eiskalt ins linke untere Toreck der Gäste. «Ich wusste erst gar nicht, wo ich jubeln soll», sagte ein erlöster Lang nach dem Spiel, «in der nahen Ecke standen alles portugiesische Fans.»
Egal, der Torschütze jubelte irgendwo. Lang ist keiner, der Konfrontationen vermeidet. Nicht auf dem Feld, wenn er in Zweikämpfe verwickelt wird, nicht beim Torjubel in der Ecke der Gästefans und auch nicht nach Spielschluss, wenn ihm – wie es in der laufenden Spielzeit öfters vorgekommen war – vor versammelter Presse sein Leistungsausweis der vergangenen Saison heruntergebetet wurde. Bis gestern klang das nicht selten wie eine Schelte.
Michael Lang: «Es war sicher nicht der schlechteste Moment»
Aber gegen Benfica jubelte Lang bereits früh und schüttelte dabei die Last von den Schultern, zu der die Leistungen vergangener Tage zuletzt geworden waren. «Aufgrund meiner früheren Skorerwerten bin ich viel auf die Flaute angesprochen worden», sagte Lang, «das war vergleichbar mit der Situation eines Stürmers, obwohl ich kein Stürmer bin.» Das Tor gegen Benfica allerdings, das erzielte er in der Manier eines Stürmers. «Ich wusste, dass dieser Treffer irgendwann kommt. Und heute war sicher nicht der schlechteste Moment.»
In der Mixed-Zone unter der Tribüne des sich leerenden St-Jakob-Parks hallte der Torjubel noch nach, als ergötzten sich die Mauern an der Vibration, die der FC Basel mit seinem fulminanten 5:0-Erfolg ausgelöst hatte. Ein Zittern lag denn auch in den Stimmen der FCB-Spieler, die nach und nach aus der Kabine und vor die Medien traten, auch Routinier Marek Suchy war vor Superlativen nicht gefeit.
«Vom Resultat her war es das schönste Champions-League-Spiel meiner Karriere», sagte er und musste kurz überlegen wie das passende Wort auf Deutsch noch mal heisst: «Unvergesslich!»
Der staunende Raoul Petretta
Raoul Petretta war als Erster erschienen, schüchtern und mit dem staunenden Blick desjenigen, der noch nicht ganz begriffen hat, was eben geschehen ist. Der 20-Jährige hatte gegen den Gast aus Lissabon seine Feuertaufe in der Champions League erlebt und dabei bis zu seiner Auswechslung in der 68. Minute eine sehr ordentliche Leistung abgeliefert.
«Ich habe heute morgen vor dem Training erfahren, dass ich auflaufen werde, Wicky sagte mir, er habe volles Vertrauen in mich.» Ob er, der in dieser Saison lediglich im Cup mit der ersten Mannschaft gespielt hatte, da nicht weiche Knie bekommen habe? Petrettas Staunen weicht augenblicklich einem festen Blick: «Nein, das volle Vertrauen in mich, das habe ich auch.»
Raphael Wicky habe das Team sehr gut eingestellt, sagte Petretta, «taktisch sind wir sehr, sehr gut gestanden.» Knapp hörte man ihn noch die Worte «magisch» und «Fussballnacht» sagen, da wandte sich der ganze Medientross wie auf Befehl dem Ausgang zu. Denn dort kam Dimitri Oberlin, zweifacher Torschütze, Assistgeber, Penalty-Provozierer, Man of the Match.
Wenn Dimitri Oberlin versucht, «so schnell wie möglich zu helfen»
Also hingehört: «Klar ist das ein sehr spezieller Tag für mich. Ich kann das nicht beschreiben. Ich denke im Fussball kann immer alles schnell gehen, die Mannschaft hat mich gut aufgenommen, und ich bin glücklich damit, wie wir arbeiten. Nach dem Eckball vor dem ersten Tor schiesse ich den Ball weg und gottseidank kommt der zu Renato. Ich habe dann versucht, ihm so schnell wie möglich zu helfen.»
Elf handgestoppte Sekunden. So lange lief die Uhr zwischen Oberlins Kopfballabwehr und seinem Treffer auf der anderen Seite des Feldes. Man darf sich die Zahl merken: Es ist die Zeitspanne, die es braucht, wenn ein Dimitri Oberlin versucht, «so schnell wie möglich zu helfen».
Die Teamkameraden zögerten nicht, dem eiligen Gehilfen ihr Lob auszusprechen. «Dimitri ist ein sehr, sehr guter Typ. Es war am Anfang nicht einfach für ihn», sagte etwa Manuel Akanji, «zwar hatte er einen guten Einstand, aber dann kam diese eine Szene gegen Lugano, in der er den Ball nicht abspielte, das hat ihm Kritik eingebracht. Aber er hat heute eine Antwort gegeben und sich an seinem Geburtstag perfekt belohnt.»
Lang stimmte ein in die Hymne und sagte: «Das ist eine unglaubliche Leistung von ihm. Eigentlich soll man ja niemanden herauspicken, aber heute darf man das für Dimitri, auch weil er Geburtstag hat und das hat man ja nur einmal im Jahr. Er hat einen sensationellen Speed.»
Eine Feier muss warten
Nach der Frage, ob er denn froh sei, den Kritikern das Maul gestopft zu haben, wird Lang kurz ernst. «Ich spiele nicht für meine persönliche Genugtuung, ich spiele für Resultate», sagte Lang, und etwas lauter: «Wenn wir uns von den letzten Zeitungsberichten beeinflussen liessen, dann hätten wir nach dem Spiel gegen St. Gallen aufgehört Fussball zu spielen und die Saison abgeschrieben. Heute hat man gesehen, dass wir nicht nur zusammen kämpfen können, sondern dass wir zusammen auch gut Fussball spielen können.»
Aus dem Hinterhalt schallte es von Renato Steffen her: «Michi, was erzählst du wieder?» Von einer emotionalen Baisse, wie sie die dürftigen Resultate unlängst suggerierten, ist nach diesem Spiel in den Reihen des FCB nichts zu spüren, sogar über eine spontane Feier darf geredet werden. Doch Lang ist um den letzten Spruch des Abends nicht verlegen: «Ich habe mir sagen lassen, dass in Basel an einem Mittwochabend nicht viel los ist.» Und kurz trübt doch noch ein Hauch des Bedauerns die frohe Stimmung.