Mit einem blauroten Auge davongekommen

Apollon Limassol erweist sich für den FC Basel auf dem Weg in die Europa League als eine höhere Hürde als erwartet. Beim dünnen 3:2-Hinspielsieg legt die Mannschaft zwar Moral an den Tag, offenbart jedoch einige Schwächen. Aber Trainer Marcel Koller hat irgendwo einen Glücksbringer im Sack – wie anders soll man die Erfolgsserie seiner ersten 22 Tage in Basel erklären? 

53 Minuten waren vorbei im St.-Jakob-Park, als man sich im falschen Film wähnte. Nach der Pause irgendwie in den falschen Kinosaal verirrt. Vier Zeigerumdrehungen hatten gereicht, um ein Spiel auf den Kopf zu stellen, das die Basler bis dahin dominiert hatten. Und es brauchte eine weitere halbe Stunde, um wenigstens das Peinlichste abzuwenden.

Mit einem minimalen Vorsprung geht der FCB ins Rückspiel gegen Apollon Limassol, nach einer Partie, in der er einige Schwächen nicht kaschieren konnte, in der er nach einer einfach wirkenden Führung in Rücklage geriet, aber immerhin soviel Moral bewies, dem Spiel eine neuerliche Wendung zu geben. «Wir sind mit einem blauroten Auge davongekommen», sagt Marcel Koller.

Der seit 22 Tagen amtierende FCB-Trainer steht mit dem 3:2 nun bei sechs Siegen nach sechs Spielen, und gerne würde man den Glücksbringer kennenlernen, den er irgendwo in Hosen- oder Jackettasche versteckt hat. Dennoch ist es vorstellbar, dass der FCB mit einer Leistung wie gegen Apollon sein europäisches Minimalziel, die Teilnahme an der Gruppenphase der Europa League, verpasst. So wie am Donnerstagabend in Basel kann es jedenfalls in einer Woche in Nikosia schwer werden.

Die vier Minuten vom Ausgleich bis zum Führungstreffer der Zyprioten reichten, um jede Menge Fragen aufzuwerfen. Ist die Ergebnisstabilität unter Koller nur eine Schimäre? Steckt die Verunsicherung doch tiefer? Ist die fussballerische Schaffenskraft derart beschränkt, einen Gegner von der Güte Apollons nicht deutlicher auf Distanz halten zu können?

Zwischen Erstaunen und Bestürzung

Als er in Rückstand geriet, war der FCB längst in einen Trott, in einen Verwaltungsmodus verfallen gegen einen Gegner, der sich von Anfang an in sein Schneckenhaus zurückgezogen hatte und für den der Rückpass das Mittel der ersten Wahl war. Ein überfallartiger Konter nach einem Ballverlust von Geoffroy Serey Dié, ein schlechtes Stellungsspiel von Raoul Petretta und ein sich in Nichts auflösender Eder Balanta reichten, um aus Basler Lethargie einen besorgniserregenden Anfall von Orientierungslosigkeit zu machen.

Das zweite Gegentor auf einen banalen Einwurf, nach einem nicht zupackenden Abwehrverhalten von Eray Cömert und einem noch naiveren von Balanta versetzte die 10’743 Anwesenden im Joggeli in eine Mischung von Erstaunen und Bestürzung. Und diese beiden Gegentore (Koller: «Auf internationaler Ebene darf man die so nicht bekommen, das war schlecht verteidigt») nähren die Hoffnung bei den Zyprioten, den Schweizer Vizemeister im Rückspiel aus dem Rennen zu werfen.

«Kein schlechtes Resultat»

Sasa Markovic, Apollons serbischer Offensivspieler, gab in fliessendem Deutsch die Gemütslage in seinem Team wieder: «Das 3:2 ist kein schlechtes Resultat für uns.» Und auch sein Trainer Sofronis Avgousti, der Apollon schon vor einem Jahr durch die Playoffs gegen den dänischen Vertreter Midtjylland (3:2, 1:1) in die Europa League geführt hat, verströmt einige Zuversicht: «Wir haben schon einige schwierige Situationen gemeistert und haben immer noch eine grosse Chance.»

Avgousti setzt nun auf den psychologischen Aspekt des Heimvorteils im Rückspiel und hofft auf grosse Unterstützung. Weil das Stadion in Limassol nicht den Anforderungen der Uefa entspricht, trägt Apollon auch das Rückspiel gegen Basel im GSP-Stadion von Nikosia aus. Das ist etwa eine Autostunde von Limassol entfernt, und in der vorigen Runde waren es gerade einmal knapp 4000 Zuschauer, die in die 22’000 Plätze bietende Arena kamen. Hexenkessel klingt anders.

Kollers Gebetsmühle

Eine Woche Zeit – mit einem Super-League-Auswärtsspiel am Sonntag beim FC Zürich dazwischen – bleibt dem FC Basel, sich für diese kapitale Aufgabe vorzubereiten, die plötzlich komplizierter erscheint, als es die Qualität der beiden Mannschaften vermuten liess. Marcel Koller führt inzwischen schon gebetsmühlenartig die Hindernisse seines noch so jungen Wirkens beim FCB ins Feld. «Es ist verständlich, dass noch nicht alles klappt», gibt er nach jedem Spiel ebenso zu Protokoll wie den Hinweis, dass taktische Arbeit quasi nur per Video oder Taktiktafel möglich sei.

Denn es gibt offenkundig noch einiges zu tun für das neue Trainergespann. «Es kommt viel zusammen, was die Spieler unter einen Hut bringen müssen», sagt Koller und gibt den Verständnisvollen. Die 95 Minuten gegen Limassol deuten darauf hin: Dem Pressing, das die Mannschaft bei Ballbesitz des Gegners aufsetzen will, fehlt die Schärfe, der Spielrhythmus bei eigenem Ballbesitz ist der einer Sanduhr – gleichmässig und ohne Überraschungsmoment –, und mit ihren Ungenauigkeiten und einfachen Ballverlusten bringt die Mannschaft keine Ruhe in ihren Aufbau.

Die Umstellungen fruchteten immerhin. Balanta, der schon in der Halbzeitpause von muskulären Problemen in der Wade berichtet hatte, sich aber dennoch für den zweiten Durchgang arbeitsfähig meldete, wurde nach den beiden Gegentoren gegen Taulant Xhaka ausgewechselt. Da hatte Koller Fabian Frei, der mit einer unkonventionellen Kopfballvorlage das Führungstor eingeleitet hatte, bereits in die Innenverteidigung beordert. Frischen Wind brachte auch Kevin Bua, der nach dem Rückstand für den wirkungslosen Aldo Kalulu ins Spiel kam.

Omlins Ausfall macht Hansen zum Joggeli-Debütant

Mit der Reaktion seiner Mannschaft auf den Rückstand waren Koller und seine Assistenten einverstanden: «Es hat uns gefallen, wie sie sich zurückgekämpft hat und mit den beiden Toren belohnt wurde.» Und das an einem Abend, der mit dem Ausfall von Jonas Omlin begonnen hatte. Beim Aufwärmen im Stadion zog sich der Goalie eine noch nicht vertieft diagnostizierte Muskelverletzung im Oberschenkel zu.

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Für Omlin gab Martin Hansen sein Heimdebüt im FCB-Dress. Zwei Schüsse bekam er aufs Tor. Zwei Gegentore kassierte der Däne, bei denen er machtlos war. Auf der anderen Seite machte es Ricky van Wolfswinkel ähnlich – zwei Chancen, zwei Tore. Der Niederländer, von Koller vom Stossstürmer zum fleissigen Flügelspieler umfunktioniert, behält damit seine gute Quote aufrecht, wenn er in der Startelf steht.

Ein dünner Brotaufstrich

Dass dann der junge Eray Cömert seinen erst jüngst von Cümart geänderten Nachnamen erstmals in die Torschützenannalen des FCB eintrug, war die stürmische Schlusspointe eines Europacupabends, der aufregender verlief, als es sich die Basler bei allem Respekt vor der erfahrenen Truppe von der Mittelmeerinsel wohl ausgerechnet hatten. Gross zum Feiern war der Mannschaft nach Schlusspfiff vor der Muttenzerkurve dann auch nicht zu Mute. Vermutlich ahnten die Spieler da schon, was sie sich mit dem dünnen Brotaufstrich aus diesem ersten Durchgang eingebrockt haben.

«Mit zwei, drei Toren Vorsprung hätte man das Rückspiel etwas ruhiger angehen können», macht Koller klar, was er für möglich gehalten hatte, «mit diesem Ergebnis aber ist uns klar, dass wir uns voll reinhauen müssen und nicht ein, zwei Prozent weniger bringen können.» Das verträgt diese Mannschaft derzeit sicher nicht. Sechs Siege aus sechs Spielen unter Koller hin oder her.

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