Erst rasselt Paulo Sousa durch seine erste grosse Prüfung als Trainer des FC Basel. Danach stellt er der Mannschaft in der Kabine des Estadio Bernabeu so etwas wie die Vertrauensfrage.
Es war ein überraschend zufriedenes Reisegrüppchen, das sich da in der Interviewzone des Estadio Santiago Bernabeu präsentierte. Mit einem 1:5 hatte der FC Basel zwar eben seine Limiten auf schonungslose Art und Weise aufgezeigt bekommen. Aber irgendwie mochte keiner der Basler wirklich angefressen sein. Viel eher schien die Erleichterung durchzudrücken, nicht mit einer noch höheren Packung nach Hause geschickt worden zu sein.
Marco Streller war es, der den Konsens zusammenfasste: «Wir sind in der Realität. Hier ist Real Madrid, die beste Mannschaft der Welt. Und wir sind der FC Basel.» Streller sprach wie ein Staatsmann, wie er da im Untergeschoss des Estadio Santigago Bernabeu von Mikrofon zu Mikrofon ging; ernst und getragen.
Alles muss richtig laufen – auch die eigenen Spieler
Vor einem Jahr war er zum selben Zeitpunkt noch freudig erregt wie ein kleiner Junge mit roten Backen auf dem Rasen der Stamford Bridge gestanden und hatte von «elf Löwen mit zwei Herzen und drei Lungen» geschwärmt. Damals, als der FCB das grosse Chelsea zum Start der Champions League mit 2:1 nieder gerungen hatte.
Von einer solchen Überraschung waren die Basler an diesem 16. September 2014 so weit entfernt wie es das Budget des FCB von jenem der Madrilenen ist. Es gebe «eine Logik des Geldes» hatte Sportdirektor Georg Heitz schon vor dem Spiel gesagt. Nach dem Schlusspfiff stimmte er ein in den Basler Kanon, der besagte, «dass eben alles für uns richtig laufen muss, wenn wir so ein Spiel gewinnen wollen».
Es würde allerdings ebenfalls helfen, und das wusste auch Heitz, wenn auch die eigenen Spieler auf dem Feld richtig liefen. Und das war an diesem lauen Herbsttag in Madrid nicht immer der Fall, wie er feststellte: «Du darfst in solchen Spielen keine Fehler machen. Und wir haben halt einige gemacht.»
Im Experimental-Labor mit Paulo Sousa
Vor allem hatte der FCB in den 92 Minuten gegen Real nie den Eindruck eines gefestigten Gebildes hinterlassen. Aber wie auch? Seit Paulo Sousa den FCB trainiert, hat sich der Club zu einer Art Experimental-Labor entwickelt, in dem der Portugiese mit Freude erst an diesem Rädchen dreht, dann dort etwas Neues zusammenbraut, von Spielern wie von Spezialwerkzeugen spricht, die ihm «Lösungsmöglichkeiten» geben – und schliesslich alles zu einem von ihm viel beschworenen «Prozess» vermischt, dessen allgemeine Richtung für Aussenstehende bislang nicht wirklich ersichtlich ist.
Natürlich kann jede Mannschaft dieser Erde von Real Madrid überfordert werden. Und der FCB hat bereits Erfahrungen mit deftigen Niederlagen in Spanien gesammelt; in seiner jüngeren Europacup-Geschichte stehen ein 0:5 und ein 2:6 in Valencia.
Aber es gab durchaus auch schon Basler Mannschaften, die bereiter waren, sich einer grossen Herausforderung zu stellen, wie sie sich im Bernabeu präsentierte. Beim ersten Test auf grosser Bühne jedenfalls ist Sousa mit seiner Mannschaft durchgerasselt.
Ohne eingespielte Abwehr ins Bernabeu
Vor dem Spiel hatten die Basler noch von einem «Plan» gesprochen, mit dem sie Real ärgern wollten. Im Verlauf der Partie war dann allerdings kaum einmal ersichtlich, wie dieser Plan ausgesehen haben mochte.
Sichtbar war, dass sich Sousa dazu entschieden hatte, eine Abwehr-Formation aufs Feld zu schicken, die er zuvor kein einziges Mal in dieser Zusammensetzung hatte gemeinsam spielen lassen. Entsprechend ungeordnet wirkte das Wirken dieser Fünfer-Kette. Ohne eingespielte Abwehr ins Bernabeu zu reisen – es hat wohl schon bessere Ideen gegeben in der Ära des Profi-Fussballs.
Warum Sousa so aufgestellt hat – und nicht anders? Das bleibt sein Geheimnis. Fragen an Pressekonferenzen beantwortet der Portugiese für gewöhnlich mit einem Schwall wohlklingender Worte, deren Aussagekraft rasant gegen null tendiert.
So dozierte Sousa auf die Frage nach den Beweggründen für seine Aufstellung gegen Real, dass es für ihn keine Stürmer oder Verteidiger gebe, sondern bloss Spieler, die alle gemeinsam verteidigen und angreifen müssten. Hat in Madrid nicht ganz geklappt. Das Team bleibt unter Sousa auf der Suche.
Sousa stellt so etwas wie die Vertrauensfrage
Bleibt offen, ob denn alle Lust darauf haben, was sie am Ende finden sollen. Das muss sich auch Sousa gefragt haben, als er nach dem 1:5 in die Basler Garderobe trat. Er sei vor die Mannschaft gestanden und habe ihr eine Frage gestellt, erzählte er danach in ungewohnter Offenheit: «Ich habe sie gefragt, ob alle überzeugt sind von dem Weg, den wir eingeschlagen haben.» Und alle hätten sie ja gesagt.
Ein FCB-Trainer, der knapp drei Monate nach Amtsantritt so etwas wie die Vertrauensfrage stellt? Paulo Sousa scheint tatsächlich immer für eine Überraschung gut. Bloss wäre es für seine Zukunft beim FCB wohl besser, wenn künftig nicht der Eindruck entsteht, es seien in erster Linie die eigenen Spieler, die durch seine Aktionen überrumpelt werden.