Nadal setzt gegen müden Geheimfavoriten Wawrinka ein Ausrufezeichen

Im Duell gegen Rafael Nadal gab es für Stan Wawrinka an den World Tour Finals nichts zu holen. Der Mallorquiner zeigte dagegen, dass mit ihm wieder zu rechnen ist.

Rafael Nadal of Spain celebrates at match point after winning against Stan Wawrinka of Switzerland during their singles tennis match at the ATP World Tour Finals at the O2 Arena in London, Monday, Nov. 16, 2015. (AP Photo/Kirsty Wigglesworth)

(Bild: AP Photo/Kirsty Wigglesworth)

Im Duell gegen Rafael Nadal gab es für Stan Wawrinka an den World Tour Finals nichts zu holen. Der Mallorquiner zeigte dagegen, dass mit ihm wieder zu rechnen ist.

Das Logo auf seinem Trainingsanzug ist unübersehbar: «Good to Great». Genau so hat der Exprofi und Trainer Magnus Norman (Schweden) seine kleine, feine Tennisakademie benannt, und was er zunächst ein bisschen kühn als Anspruch formulierte, hat er dann mit zwei prominenten Arbeitgebern durchaus prachtvoll in die Tat umgesetzt. Erst bei seinem Landsmann Robin Söderling, den er in die Top Ten führte und zum Grand-Slam-Finalisten formte. Und dann erst recht bei Stan Wawrinka, dem Schweizer Kraftpaket, das mit Normans Hilfe eher überraschend in späten Karrierejahren noch zum zweimaligen Grand-Slam-Champion wurde.

Am Montagabend in der Londoner 02-Arena allerdings hat auch Norman ein wenig ratlos gewirkt – und sein Arbeitscredo etwas unpassend. Jedenfalls für seinen Chef Wawrinka, der seine Auftaktpartie bei der WM gegen den spanischen Fighter Rafael Nadal sang- und klanglos mit 3:6 und 2:6 verlor.

Wawrinka ohne Chance

Auf der Zielgeraden dieser wieder einmal auszehrenden Saison war jedenfalls eine völlige Umkehrung der vorherigen Kräfteverhältnisse zu betrachten: Wawrinka, der French-Open-Champion und vielgerühmte Aufsteiger, stand, wenn überhaupt, für den Rückschritt von «Great to Good», von grossartig zu allenfalls gut. Und Nadal, der Mann der langen, quälenden Dauerkrise, war der WM-Hauptdarsteller, dem beim offensichtlichen Comeback von «Good to Great» plötzlich wieder alles zuzutrauen war, eben auch eine ernsthaftere Titel-Konkurrenz für Novak Djokovic als gedacht.

Auferstanden aus für ihn zwischenzeitlich ruinösen Verhältnissen schien er allemal, der Matador aus Manacor, der in dieser Saison entthronte Sandplatz-König, der fast aus den Top Ten der Weltrangliste herausgepurzelte Kämpfer. «Das Selbstvertrauen kehrt zurück. Und mit ihm auch wieder gute Siege», sagte Nadal nach der mehr als deutlichen Abfuhr des Gegenspielers Wawrinka. Des Mannes, der ihn in drei der letzten vier Duelle bezwungen und als gefährlichste Bedrohung für WM-Pokalkandidat Nummer eins Djokovic gegolten hatte.



epa05028866 Switzerland's Stanislas Wawrinka reacts after losing a point to Spain's Rafael Nadal during their singles Ilie Nastase group match of the ATP World Tour Finals tennis tournament at the O2 Arena in London, Britain, 16 November 2015. EPA/ANDY RAIN

Dieses Mal konnte Wawrinka gegen Nadal nicht sein bestes Tennis zeigen. (Bild: ANDY RAIN)

Doch vom neuen Machtstatus Wawrinkas, immerhin die Nummer 4 der Tennis-Charts, war überhaupt nichts zu sehen, stattdessen setzte der vielfach schon abgeschriebene Nadal das erste wirkliche Ausrufezeichen bei diesem Tour-Finale der Spielergewerkschaft ATP. «Es hat sich noch nie gelohnt, Nachrufe auf Nadal zu verfassen. Er ist noch lange nicht am Ende», sagte der frühere australische Weltranglisten-Erste Pat Cash.

Rückkehr des mallorquinischen Kämpfers

Nadals vorerst letztes Comeback, seine Rückkehr nach Verletzungsproblemen und Zwangspausen, verläuft keineswegs so spektakulär wie frühere Neustarts in seiner Karriere. Es gab keine Paukenschläge, keine Sensationscoups aus dem Stand, aber doch einen beharrlichen, stetigen Aufwärtstrend. «Ich habe nie Wunderdinge von mir erwartet», sagte der 29-Jährige, «ich wusste besser als jeder andere, wie schwer es wird, wieder den Anschluss ganz oben zu kriegen.» Nadal kämpfte sich mehr denn je durch eigene Zweifel, Sorgen und Ängste durch, liess die Unsicherheiten aber schliesslich hinter sich – auch wenn es immer wieder Rückschläge gab, wie zuletzt auch noch einmal mit dem frühen US-Open-Aus gegen den Italiener Fabio Fognini.

Im Herbst wollte sich Nadal eigentlich am ehesten eine gute Plattform und Ausgangsbasis für das Spieljahr 2016 schaffen. Doch bald hatte sich der wieder konsequent kampfesmutige Mallorquiner für das Abschlusstreffen der besten Acht der Saison qualifiziert, ein echter Befreiungsschlag, der ihn umso mehr gelöst und energisch aufspielen liess. Bei den Swiss Indoors kürzlich in Basel wirkte er in einem leidenschaftlich umstrittenen Finalmatch wieder auf Augenhöhe mit dem Sieger Roger Federer.

Und so ist er nicht nur wieder in allem gebotenen Respekt ein Mann, der für die grossen, grösseren und grossartigen Titel im Jahr 2016 infrage kommt, sondern auch einer, der noch ein Wörtchen mitsprechen will und kann beim Londoner Titelkampf – am Ende einer zwiespältigen Saison mit vielen Tiefen und späten Höhen. «Ich bin einfach glücklich, dass ich wieder so viel besser spiele», sagt Nadal, «es war eine schwere Zeit. Aber ich habe die Herausforderung gemeistert.»

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