Beim 0:0 des FC Bayern München gegen den SC Freiburg wurde sichtbar, wie schwer sich der deutsche Rekordmeister gegen vermeintliche Underdogs tun kann. FC-Basel-Trainer Heiko Vogel wird das auf der Tribüne registriert haben. Am Mittwoch kommt es zum Hinspiel in den Achtelfinals der Champions League zwischen den beiden FCB.
Wie gross die gefühlte Not bei Jupp Heynckes war, zeigte sich, als die Bayern im Freiburger Mage Solar Stadion Aufstellung zur zweiten Halbzeit nahmen. Der Trainer der Münchner hatte zur Pause zwar nur einen Wechsel vorgenommen und den holländischen Angreifer Arjen Robben für den brasilianischen Rechtsverteidiger Rafinha ins Spiel geschickt. Über diesen Spielertausch hinaus ordnete Heynckes aber in der taktischen Formation der Bayern mit einer Neubesetzung von gleich vier weiteren Stellen eine grosse Rochade an.
Philipp Lahm wechselte aus seiner angestammten Linksverteidiger-Rolle auf die vakant gewordene Rafinha-Stelle, David Alaba rückte aus dem defensiven Mittelfeld für Lahm nach links hinten, Alabas Arbeitsbereich übernahm Toni Kroos, für den Thomas Müller die offensive Mittelfeldzentrale hinter dem Stossstürmer Mario Gomez besetzte und seinen Job auf dem rechten Flügel an den Einwechsler Robben übergab.
Heynckes wurde laut und energisch
Der Grund für die umfassende Neuordnung, die Heynckes in der Kabine, wie er nach dem Spiel sagte, «laut und energisch» vorgetragen hatte: Die Münchner hatten sich beim Versuch, den Anschluss an Tabellenführer Dortmund nicht zu verlieren, enorm schwer getan, die Schlusslichter aus Freiburg unter Druck zu setzen.
Nur ein einziger guter und Gefahr bringender Angriffs aufs Tor der Südbadener, bei dem Müller mit der Direktabnahme einer Ribéry-Flanke an Keeper Oliver Baumann gescheitert war (42.) – das war die magere Pausenbilanz beim Aufeinandertreffen von bis dato bester Offensive und schlechtester Defensive der Liga (Bayern hatte vor dem Match in 21 Spielen 49 Tore erzielt, Freiburg 47 Gegentreffer kassiert).
Heynckes war dabei auch nicht verborgen geblieben, dass zur Pause neben all den schon getätigten Wechseln ein weiterer zwingend nötig war: der bei der Interpretation der Aufgabenstellung. Es klang sogar noch eher einfühlsam, als der Bayern-Coach nach dem Abpfiff konstatierte, sein Star-Ensemble habe geglaubt, «mit fussballerischen Mitteln zum Erfolg zu kommen».
Null Esprit, kaum Bewegung
Tatsächlich blieb der Esprit vor allem beim Vortrag des hoch veranlagten Münchner Offensivquartetts eine Hälfte lang so überschaubar wie das investierte Engagement. Statisch hielten Ribéry und Müller ihre Flügel und Gomez das Zentrum, so dass sich für Kroos dahinter keine Lücken zu gefährlichen Anspielen auftaten.
Zumal die Münchner es auch nicht schafften, ihre individuelle Überlegenheit in erfolgreich gestaltete Eins-zu-eins-Situationen umzusetzen. Das hatte viel mit der Leidenschaft zu tun, mit der die junge Freiburger Mannschaft zu Werke ging. Aber auch mit dem taktischen Mut von Christian Streich, der erst in der Winterpause die sportliche Verantwortung bei den Südbadenern übernommen hat.
Der SC-Trainer, der seit 10 Jahren mit grossem Erfolg die renommierte Freiburger Fussballschule sportlich leitet, hatte die Defensivreihe seiner Elf gegen die Bayern bei eigenem Ballbesitz schnell und erstaunlich weit nach vorne rücken lassen und damit richtig gelegen: Der hoch stehende Gegner störte die Münchner Spielentwicklung empfindlich.
Freiburger Pressing schmeckt den Bayern nicht
Auch der junge David Alaba, dem man zuletzt zunehmende Reife und das Potenzial bescheinigt hatte, die Stellvertreter-Rolle für den verletzten Bastian Schweinsteiger zu übernehmen, schaffte es unter dem Freiburger Pressing-Druck nicht, dem Vorwärtsspiel aus dem defensiven Mittelfeld heraus Struktur zu geben. Im Gegenteil, immer wieder versuchten die Münchner, den nachsetzenden Gastgebern mit Quer- und Rückpässen zu entkommen, und kaum einmal fanden sie in den eng zugestellten Räumen Lücken, um das Spiel nach vorne zu öffnen.
Wie vieles andere wurde auch das in der zweiten Hälfte besser. «Man muss energisch dagegen halten, die Gangart mitgehen, das Tempo aufnehmen – das haben wir dann gemacht», sagte Bayern-Coach Heynckes, der dann zumindest 45 Minuten lang gesehen hatte, «was man 90 Minuten demonstrieren muss.»
Wo ist die Leichtigkeit geblieben?
Der physisch spürbar erhöhte Aufwand wurde dabei auch in ein wesentlich variabler gestaltetes Offensivspiel umgesetzt. Allerdings ohne dass viele grosse Chancen heraus gespielt wurden. Was die Qualität ihres Spiels im vordersten Viertel des Feldes angeht, sind die Münchner auch nach halbwegs wieder gewonnener Stabilität noch weit entfernt von der hinreissenden Leichtigkeit, die sie im ersten Teil der Saison ausgezeichnet hatte.
Ausserdem haben sie aus Freiburg einen Sack voll neuer, alter Fragen mitgenommen: Soll Lahm nun doch wieder nach rechts, um dort den offenbar zu wenig konstanten Rafinha zu ersetzen – zumindest so lange Jérôme Boateng wegen Daniel van Buytens Verletzung im Zentrum unabkömmlich ist? Müssen dafür dann Alaba und Kroos wie am Samstag in Freiburg jeweils eine Position nach hinten rücken? Und fehlt dann nicht hinter der Spitze ein schlauer Letzter-Pass-Spieler?
Heiko Vogel lässt sich inspirieren
Dazu kommt: Der Druck auf die Bayern wächst. Durch den Vierkampf an der Bundesliga-Spitze scheint eine Platzierung unter den ersten drei, die eine Champions-League-Teilnahme garantiert, für die Münchner zumindest im Moment keineswegs sicher. Und auf der europäischen Bühne geht es am Mittwoch in der ersten K.o.-Runde des Wettbewerbs nach Basel.
FCB-Trainer Heiko Vogel hat das Bayern-Spiel in Freiburg am Samstag vor Ort beobachtet. Dabei wird ihm nicht entgangen sein, dass es auch für vermeintliche Underdogs durchaus viel versprechende Ansätze gibt, dem grossen FC Bayern ein Bein zu stellen.
SC Freiburg–Bayern München 0:0
Mage Solar Stadion. – 24’000 Zuschauer. – SR Gagelmann.
Freiburg: Baumann; Sorg, Diagné (65. Guedé), Höhn, Schmid; Flum, Makiadi; Rosenthal, D. Caligiuri; Jendrisek (81. Dembelé); Santini (76. Reisinger).
Bayern: Neuer; Rafinha (46. Robben), Boateng, Badstuber, Lahm; Luiz Gustavo, Alaba, T. Müller, Kroos, Ribéry; Gomez (73. Olic).
Ersatzbank Bayern: Butt (Tor), Tymoshchuk, Pranjic, Usami, Petersen.