Die Grasshoppers, am Samstag (20 Uhr) Gegner des FC Basel, entlassen Pierluigi Tami und installieren Carlos Bernegger als Cheftrainer bis Ende der Saison. Man wolle die schwierigen Tage hinter sich lassen, sagt CEO Manuel Huber – und Bernegger will ohne Experimente den Ligaerhalt sichern.
An der Fassade des GC-Campus hängt eine Uhr. Kurz nach dem Mittagessen, in der Sonne dieses prächtigen Frühlingstages im Zürcher Unterland, zeigt der grosse Zeiger die volle Stunde an. Der kleine aber sagt: halb drei.
Das Bild könnte nicht sprechender sein für das, was sich im Innern des Gebäudes abspielt: Elemente, die nicht miteinander harmonieren, Rädchen, die irgendwie nicht ineinandergreifen wollen – Gegebenheiten, die den Grasshopper Club in den Abstiegskampf führten.
Der Verein hat am Sonntag nach der Niederlage gegen den Tabellenletzten FC Vaduz seinen Trainer Pierluigi Tami entlassen. Zwei Tage, nachdem Präsident Stephan Anliker der «Neuen Zürcher Zeitung» noch gesagt hatte: «Mit Tami ziehen wir die Sache durch.»
«Wir wollen die schweren Tage hinter uns lassen.»
Tami, «der Gentleman unter den Schweizer Fussballtrainern», wie Anliker seinen entlassenen Angestellten bezeichnet, wird nach etwas mehr als zwei Jahren durch Carlos Bernegger ersetzt. Und dieser betritt wenige Minuten nach 14 Uhr den Medienraum, um als erstes mit dem CEO Manuel Huber kamerawirksam einen Händedruck zu inszenieren. Mit dem Mann, der unter Bernegger vor rund zehn Jahren im Tor der U21 von GC stand.
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Der Händedruck ist derart flüchtig, dass ihn zwei anwesende Bildagenturen nicht in ihren Datenbanken führen. Dabei sollte dieser Moment doch festgehalten werden, dieser Moment, «in dem wir die schweren Tage hinter uns lassen wollen», wie Huber sagt; dieser Moment, der eigentlich nichts neues ist beim Grasshopper Club.
Der 48-jährige Bernegger übernimmt den Rekordmeister bereits zum vierten Mal interimistisch, dieses Mal bis zum Ende der Saison. Mit dem Ziel, den Ligaerhalt zu sichern.
«Carlos Bernegger (rechts) wird ein paar Spiele als Eingewöhnungszeit brauchen.»
Der Argentinier, einst im Nachwuchsbereich des FC Basel engagiert, hat den Verein bestens kennengelernt, seit er vor 17 Jahren erstmals einen Posten bei GC übernahm. Seit letztem Oktober war er Technischer Ausbildner im Jugendbereich.
Eine Hintertür ist bereits aufgestossen
Berneggers Beförderung ist naheliegend, da die finanzielle Lage auch den Einsatz der eigenen Jugend erfordert. Ob der 48-Jährige aber auch die beste Wahl ist, darüber entscheiden die letzten zwölf Runden.
«Carlos Bernegger wird ein paar Spiele Eingewöhnungszeit brauchen», sagt Huber. Als ob es bereits eine Hintertür bräuchte, durch die man im Falle des Misserfolgs in den ersten Wochen schlüpfen könnte.
Da kommt es den Zürchern gerade recht, dass sie am Samstag (20 Uhr) auswärts gegen den FC Basel antreten. Dann hat GC, das seit Anfang Dezember auf einen Sieg wartet und in der Rückrunde erst einen Punkt gewonnen hat, im St.-Jakob-Park nichts zu verlieren – zumal es mit dem FC Thun erst einer Mannschaft gelungen ist, dem Meister in Basel Punkte abzunehmen.
Carlos Bernegger spricht von «Authentizität», «Pragmatismus» und «Arbeit im zwischenmenschlichen Bereich». (Bild: Keystone/ENNIO LEANZA)
Bernegger, der als Nothelfer beim FC Luzern schon einmal einen Abstieg verhindert hatte, übernimmt den Tabellenachten also für das letzte Drittel der Saison. «Er hat damit genügend Spiele», sagt Huber und meint damit: genügend Zeit, die Weichen in Richtung Ligaerhalt zu stellen.
Der FC Zürich hatte vergangene Saison den Fehler gegangen, den Trainer erst drei Runden vor Saisonende zu wechseln, und ist dann mit dem neuen Coach Uli Forte abgestiegen. Diesen Fehler will GC nicht auch machen, auch wenn die Geschichte des Stadtrivalen keine Rolle bei der Trainerentscheidung gespielt habe, wie Huber sagt.
Bernegger wird sich mit seinem Vorgänger Tami unterhalten
Der Moment des Entscheids ist eine Chance für GC. Der Trainer hat nach der Partie in Basel Zeit, während der Länderspielpause zwei Wochen in Ruhe mit dem Team zu arbeiten.
Er werde sich dafür auch mit seinem Vorgänger Tami unterhalten, sagt Bernegger, der am Dienstag erstmals mit der Mannschaft trainiert. Der Argentinier sieht sich in der Lage, «neue Impulse zu setzen», wie er es nennt, «Zeit für Experimente haben wir aber nicht».
Die Präsentation von Carlos Bernegger als neuer Coach von GC zieht die Medien an – ein Teil davon bei den letzten Interviews. (Bild: Samuel Waldis)
Mit «Authentizität» will der Coach an die Arbeit gehen, «pragmatisch» vorgehen und viel in das «Zwischenmenschliche» investieren. So soll das Potenzial abgerufen werden, über das GC gemäss Huber ausreichend verfüge.
Bernegger, mit dem die Grasshoppers in all den Jahren nie einen längerfristigen Vertrag als Cheftrainer unterzeichneten, liegt es fern, zu weit nach vorne zu blicken. Weder was seine persönliche Zukunft betrifft, noch was das Team angeht: «Wir haben keine Zeit für Träume und Visionen.»
Die Gegenwart ist Berneggers Baustelle. Und das bedeutet: Platz acht, mit drei Punkten Vorsprung auf den Abstiegsplatz.
Abgang Carlos Bernegger: Auf den Argentinier warten Wochen der Bestätigung – und zuerst ein Spiel am Samstag gegen den Meister FC Basel. (Bild: Keystone/ENNIO LEANZA)