Es gibt Menschen in Karlsruhe, die halten die Terminierung des Saisonstarts in die Dritte Liga gelinde gesagt für unglücklich. Ausgerechnet zu Beginn des Fast-umsonst-Open-Airs «Das Fest», das an drei Tagen um die 230’000 Menschen vor die Bühnen lockt, wird an diesem Freitag im Wildpark die Partie des KSC gegen den VfL Osnabrück angepfiffen. In Spielminute 30 beginnen fünf Kilometer entfernt die Sportfreunde Stiller.
«Es kann schon sein, dass das ein paar Tausend Zuschauer kostet», sagt der neue KSC-Geschäftsführer Helmut Sandrock. Aber, so der ehemalige DFB-Spitzenfunktionär, der KSC sei «als Absteiger eine attraktive Marke in der Dritten Liga». Genau wie Osnabrück, der 1. FC Magdeburg, der Hallesche FC, Kickers Würzburg und Preussen Münster. Was diese Traditionsklubs eint: Sie alle wollen so schnell wie möglich in die Zweite Bundesliga aufsteigen.
Dass die meisten Vereine die dritthöchste Spielklasse als reine Durchgangsstation sehen, hat nicht zuletzt finanzielle Gründe. Die Dritte Liga ist de facto eine Profiliga, sie ist kostspielig, die Spieler verdienen gut. Und die Reisekosten sind bei einer Spielklasse, die von Rostock bis nach Unterhaching reicht, ebenso hoch wie in den beiden Oberhäusern.
Abgeschnitten von den üppigen TV-Töpfen
Doch im Gegensatz zu denen ist die «Dritte» von den üppigen Fernsehgeldern fast komplett abgeschnitten. Und die machen in der Ersten und Zweiten Liga längst den Löwenanteil des Etats aus. Beispiel Karlsruhe: Mit dem Fall in die Dritte Liga sank das Fernsehgeld um mehr als 90 Prozent – rund 700’000 Euro bekommen die Badener noch, erläuterte Präsident Ingo Wellenreuther am Mittwoch. In der Zweiten Liga wären es 11,9 Millionen Euro gewesen.
Der KSC hat wie fast alle Absteiger reagiert. Er gönnt sich einen teuren Kader gespickt mit zweitligaerfahrenen Spielern wie Kai Bülow (1860 München) oder Dominik Stroh-Engel (Darmstadt), auch Drittliga-Rekordschütze Anton Fink (Chemnitz) kam zurück. «Lange bevor der Abstieg feststand, war für uns klar: Wenn wir runtermüssen, reicht es nicht, den Kader punktuell zu ergänzen. Dann braucht es einen kompletten Neuanfang», sagt Sportdirektor Oliver Kreuzer.
Oliver Kreuzer und die Stinkstiefel
Den Absturz erklärt sich Kreuzer drastisch: Es habe zu viele «Stinkstiefel» in der Mannschaft gegeben. «Von denen, die eine Luftveränderung gebraucht haben, ist keiner mehr da», sagt der 51-Jährige. Und er redet über die Erfordernisse der neuen Spielklasse: «Fast alle Absteiger versuchen ja, möglichst sofort wieder hochzukommen. Sonst besteht die Gefahr, dass du dich in der Dritten Liga einnistest und nicht mehr hochkommst.»
Dass der Klub mit seinem Fünf-Millionen-Etat trotz hoher Verbindlichkeiten um die sieben Millionen Euro munter in den Kader investieren konnte, verdankt er, wie stets in den vergangenen Jahren, dem Privatvermögen des 82-jährigen Vizepräsidenten Günter Pilarsky. Der Altmetallhändler ist Honorarkonsul von Armenien und beschäftigt dort über 3000 Menschen in einer Mine.
Sein weiteres wirtschaftliches Engagement für den Drittligisten hat Pilarsky an den Verbleib von Präsident Ingo Wellenreuther geknüpft, der für die CDU im Bundestag in Berlin sitzt. Als im Sommer der Dachverband der Fanszene, die Supporters, personelle Konsequenzen forderten und Wellenreuther eine nicht zeitgemässe Alleinherrschaft attestierten, war die Revolte mit dem Machtwort Pilarskys beendet.
Das systemimmanente Alles-oder-nichts
Kreuzer selbst, der von 1997 bis 2002 beim FC Basel erst spielte und anschliessend bis 2005 als Teammanager arbeitete, scheint als Kaderplaner gut gearbeitet zu haben. Nach wenig erfolgreichen Engagements bei 1860 München und dem HSV braucht auch er Erfolgserlebnisse. Da hilft es, wenn man beim Einkaufen etwas Geld im Portemonnaie hat. Dass 17 von 20 Trainern den KSC für den Favoriten halten, kommentiert er gelassen: «Von Prognosen ist noch keiner aufgestiegen, das geht nur mit Leistung. Das wird garantiert kein Selbstläufer.»
Dabei hat der DFB natürlich Recht, wenn darauf hingewiesen wird, dass es unseriös sei, alles auf die Aufstiegs-Karte zu setzen. «Mehr Geld auszugeben als man einnimmt, kann keine Lösung sein», sagt DFB-Vize Rainer Koch. Doch das Alles-oder-nichts ist systemimmanent. Denn die Vereine stehen vor der Alternative, ein bisschen in der Dritten Liga vor sich hin zu kicken und langsam aber sicher der Vergessenheit anheimzufallen. Oder ins Risiko zu gehen – und zu scheitern, wenn der Aufstieg nicht binnen ein, zwei Jahren gelingt.
Ein zweites Jahr wollen sie in Karlsruhe gerne umgehen. Zumal das gewaltige Stadionprojekt, ein 113 Millionen teurer Neubau während des laufenden Spielbetriebs bis Mitte 2020, vom Gemeinderat beschlossen ist. Innert 30 Jahren, so der Plan, soll der KSC das vorgeschossene Geld aus den öffentlichen Kassen wieder zurückzahlen.
Als tröstlich in schwierigen Zeiten empfindet man in Karlsruhe den Zuspruch der Fans. 2500 kamen zum ersten Training, mehr als bei vielen Erstligisten. Und auch zur Heimpremiere rechnet man mit mindestens 12’000 Fans. Trotz der Sportfreunde Stiller.
Alles, was man zur Dritten Liga in Deutschland und der Saison 2017/18 wissen muss, und wo man die Spiele sehen kann.