Mit Marco Streller will Trainer Heiko Vogel am Sonntag (16.00 Uhr, SF2 live) in Sion zum vielleicht meisterschaftsentscheidenden Spiel antreten. Spontan gefeiert wird, wenn alles «niet- und nagelfest» fest, wie es beim FCB heisst.
Ein bisschen nervt es Heiko Vogel schon, dass der ultimative Moment in der Schweizer Meisterschaft möglichweise noch mit einem Fragezeichen versehen sein wird. Auf Rechenspiele will sich der FCB-Trainer dennoch nicht einlassen, sondern sich allein darauf konzentrieren, am Sonntag in Sion zu gewinnen. Gelingt das, und holt der FC Luzern am Samstag nicht mehr als einen Punkt gegen Servette, wäre der FCB nach Stand der Dinge zum 15. Mal Schweizer Meister.
Daran schlösse sich das schon zur Gewohnheit gewordene Ritual an: Nach Rückkunft in Basel dürften sich die FCB-Fans darauf freuen, dass sich die Mannschaft am späteren Sonntagabend noch – völlig spontan natürlich – auf dem Balkon des Stadtcasinos zeigen würde
Heuslers Rechtsverständnis
Die Haltung beim FC Basel ist die: Der Entscheid des Obergerichts in Bern, auf den Antrag des FC Sion, die 36 Punkte Strafabzug zurückzuerhalten erst gar nicht einzutreten und sich gar nicht dafür zuständig zu erklären, darf als weitreichend im Hauptsacheverfahren (erste Verhandlungstermin: 22. Mai, einen Tag vor der letzten Runde der Saison) begriffen werden. «Nach meinem Rechtsverständnis darf man die Entscheidung als endgültig betrachten», sagt FCB-Präsident Bernhard Heusler, und dessen Rechtsverständnis als Partner der Kanzlei Wenger Plattner darf man ja durchaus ernst nehmen.
Bleibt noch der Rekurs des FC Luzern, der zwei Punkte ausmachen könnte. Diese hat der FC Basel, der 16 Punkte Vorsprung hat, auf der Rechnung und deshalb sagt FCB-Sprecher Josef Zindel zur Ausgangslage der Runde am Wochenende: «Wir tun so, als ob Luzern diese Punkte hätte.» Gefeiert wird, so Zindel, «wenn alles niet-und nagelfest ist». Sprich: mit mindestens 18 Punkte Vorsprung nach Abpfiff in Sion. Welche Konstellationen das möglich machen, ist im Beitrag «Champagner, oder was?» aufgelistet.
Vogel setzt auf den Six-Million-Dollar-Man
Mit von der Partie im Wallis wird Marco Streller sein. Am Sonntag hatte er sich beim Cup-Halbfinal in Winterthur einen Mittelhandbruch an der linken Hand zugezogen, der am Montag im Bruderholz-Spital operativ behandelt wurde. Mit einer Manschette trainierte Streller gestern bereits wieder ohne Einschränkung mit der Mannschaft, und Heiko Vogel lässt keinen Zweifel daran, dass er den Stürmer am Sonntag im Tourbillon auflaufen lassen will: «Es scheint zu gehen, und er ist ja auch mein Captain.»
Angesichts der Metallkonstruktion, mit der Strellers Bruch fixiert wurde, sagt Vogel in Anlehnung an eine US-Fernsehserie: «Er ist unser Six-Million-Dollar-Mann.» Ganz so drastisch wie beim fiktiven Astronauten Steve Austin, bei dem ein Auge, ein Arm und beide Beine durch bionische Körperteile ersetzt wurden, ist es bei Streller nicht, aber Vogel will seine stärkstmögliche Mannschaft im Tourbillon auf den Platz schicken. Gegen einen Gegner, vor dessen defensiver Ordnung er Respekt hat: Sion hat seiner Gruselsaison zum Trotz die wenigsten Gegentore aller Super-League-Teilnehmer kassiert.
Wie man einen Spitzenkampf erfindet
Vogel findet – und mit irgendetwas muss er ja noch einen Rest an Motivation herauskitzeln – das es sich am Sonntag um ein Gipfeltreffen handelt. Dazu addiert er einfach die ominösen 36 Punkte, die Sion aberkannt wurden, zu den in diesem Frühjahr gewonnenen 13, kommt auf 49 Zähler für die Sittener und sagte: «Wir spielen nicht gegen den Tabellen-Neunten, das ist ein Spitzenkampf Zweiter gegen Erster.» Die Sittener haben übrigens klein beigegeben: Auf der Website hatten sie monatelang tapfer eine Tabelle mit ihren 36 Punkten. Jetzt ist die für sie bittere Realität abgebildet.
Neben den Langzeit-Ausfällen (Chipperfield – nirgends zu sehen; Voser – laboriert an einer neuen Verletzung) fehlen Kwong Ryong Pak (Ellbogengelenk ausgekugelt) und Philipp Degen (muskuläre Probleme). Ausserdem wird David Abraham, der am Freitag ein leichtes Lauftraining absolvierte, mit seiner Kniereizung weiterhin geschont. «Keinen Zeitdruck bei Genesung angeschlagener Spieler zu haben, das ist unser Luxus», so Vogel.
Der Trainer mag nicht rechnen
Die Erhebungen, wo und wann und wie der alte und designierte neue Schweizer Meister FC Basel definitiv seinen Titel-Hattrick vollenden wird, erklärt Heiko Vogel als «dritt-, viert- und fünftrangig». Der Trainer, der nach seiner Beförderung im Oktober vom Co- zum Chefrainer gleich zwei Titel einfahren kann, wenn auch noch der Cupfinal gewonnen werden sollte, gibt sich alle Mühe, seine innere Vorfreude auf den auch für ihn fraglosen grossen Moment zu verbergen: «Wir machen keine Rechnungen, wir machen Spiele. Unser Anspruch ist es, in Sion zu gewinnen. Und wenn es dann reicht, dann ist es so.»