Os Belenenses: Lokaler Mythos, städtisches Terrain und das koloniale Erbe

Der Weg des FC Basel im Europacup führt mal wieder nach Lissabon, zum Rückspiel gegen Os Belenenses am Donnerstag (21.05 Uhr). Ein Blick auf einen Traditionsklub, der zwar im Schatten von Benfica und Sporting steht, in der Hauptstadt aber eine spezielle Stellung geniesst.

Lissabon, Belém, Estádio do Restelo von Os Belenenes und die Mosteiro dos Jerónimos, das Hieronymuskloste

Der Weg des FC Basel im Europacup führt mal wieder nach Lissabon, zum Rückspiel gegen Os Belenenses am Donnerstag (21.05 Uhr). Ein Blick auf einen Traditionsklub, der zwar im Schatten von Benfica und Sporting steht, in der Hauptstadt aber eine spezielle Stellung geniesst.

Auch in den alten Vierteln der portugiesischen Hauptstadt waren die 1990er-Jahre eine gute Zeit. Wirtschaftlich ging es aufwärts, reichlich sprudelten Gelder aus Brüsseler Fonds. Wenn im Juni die Volksfeste mit gegrillten Sardinen gefeiert werden, platzt die Alfama immer noch aus den Nähten. Dann mischen sich Leute aus allen gesellschaftlichen Sphären anonym unters Volk, dem Stadtpatron Santo Antonio zu Ehren. Und so kommt es, dass ein Kellner aus Alfama einen Termin mit einem Funktionär von Os Belenenses vermitteln kann.

Im Restelo-Stadion im Stadtteil Belem ist das Restaurant «Varanda azul» eine Attraktion, die Aussicht traumhaft, das Essen im Verhältnis zur Qualität preisgünstig. Gefüllte Tintenfische waren ein Gedicht, das Weitere war abgesprochen. Ein Direktionsmitglied von Belenenses kam zum Tisch und orderte eine Flasche Whisky. Entspannt verlief die Unterhaltung, danach besichtigten wir das Stadion und die Statue Pepes, eine Galionsfigur von Belenenses. 23-jährig starb der Mittelstürmer, weil ihm ein von der Mutter zubereitetes, ungeniessbares Sandwich zum Verhängnis wurde. In der Saison 1930/1931 hatte Pepe mit 36 Toren in 14 Spielen einen Rekord aufgestellt.

Die konservative Grundhaltung der Mitglieder

Das Restelo ist kein Luxus, doch etwas Spezielles, eine kleine Insel in der Stadt. Sofern die geplante Cidade (Stadt) Belenenses Realität wird, ändert sich das Bild. Eine Holding des Medienunternehmers Pais do Amaral will 66 Millionen Euro investieren, vorgesehen ist rund um die Arena ein Komplex mit Sporthalle, Schwimmbädern, Klinik, Universität und Supermärkten.



Modell einer neuen Sportanlage in Lissabon, Belém, der Os Belenenses

Grosse Investitionspläne: Modell einer neuen Sportanlage in Belém, wo der FCB-Gegner Os Belenenses zuhause ist.

Der Bürgermeister von Lissabon, Fernando Miranda, hat seine Unterstützung zugesagt, die Clubmitglieder müssen indes noch zustimmen. Dass es nicht einfach wird, eine Mehrheit zu finden, ergibt sich aus der konservativen Grundhaltung vieler Socios, der Vereinsmitglieder. Bürokratisch-juristische Hürden könnten das Projekt weiter hinauszögern oder gar scheitern lassen. Drei frühere Versuche sind bereits fehlgeschlagen, obwohl die Stadt das Terrain gratis zur Verfügung stellte.

Auch daran nehmen Kritiker Anstoss. Sie warnen davor, eine der schönsten Gegenden mit Immobilien zu verschandeln, nur um einen maroden Club am Leben zu halten. Angesichts der Schulden, die Sporting Lissabon mit einem ähnlichen Projekt namens Alvalade Galaxia aufgetürmt hat, ist die Skepsis berechtigt.

Investitionen in die Zukunft

Wiedererweckt wurde ein anderer Mythos, der Campo das Salésias. Aus dem 1928 eingeweihten Stadion, das damals als modernstes der iberischen Halbinsel galt, war Belenenses in Zeiten des autoritären Salazar-Regimes vertrieben worden. Grund für den Umzug von 1956 ins Restelo war der Beschluss von Infrastrukturminister Duarte Pacheco, eine Strasse durch das Salésias zu führen – die freilich nie gebaut worden ist.

Nun ist der Verein wieder im Besitz des Geländes, nach den diesjährigen Feiern zum 96-jährigen Bestehen wurde der Grundstein für ein Trainingszentrum gelegt. Euphorisch gestimmt sagte der Präsident Patrick Morais de Carvalho, er habe den Elektrokonzern EDP für das Namens-Sponsoring gewinnen können.

Der Sieg in Basel löst Begeisterung aus

Begeisterung löste auch der sensationelle Sieg beim Hinspiel in Basel aus. Im medialen Fokus stand der herrliche Volleyschuss von Luis Leal zum 1:1. Und weil neben dem Stürmer aus São Tomé und Príncipe auch Kuca von den Kapverdischen Inseln traf, lag es auf der Hand, die Bedeutung von Spielern aus den ehemaligen Kolonien hervorzuheben. Liess man sie früher einfliegen, so ist die neue Generation meist in der Lissabonner Agglomeration aufgewachsen.



Belenenses Luis Leal (R) reacts after scoring against FC Basel during their Europa League soccer match at the St. Jakob Park stadium in Basel, Switzerland October 22, 2015. REUTERS/Arnd Wiegmann

Ein Tor und eine Vorlage zum Sieg in Basel: Luis Leal (rechts), Stürmer der Os Belenenses aus Portugals ehemaliger Kolonie São Tomé und Príncipe. (Bild: Reuters/ARND WIEGMANN)

Als bekanntestes Beispiel gilt der portugiesische Nationalspieler Nani, der ehemals für Sporting spielte. Seine Familie stammt von den Kapverden. Weniger gute Spieler mit doppelter Nationalität entscheiden sich in der Regel für das Herkunftsland ihrer Eltern, zumal Auswahlen in Afrika häufig von Portugiesen trainiert werden.

Einen beachtlichen Leistungsausweis als kapverdischer Selektionär hat der einstige Goalgetter Rui Aguas. Sein Vater José repräsentierte mit Eusebio, Simão und Torres in den 1960er-Jahren Benfica Lissabons legendäre Angriffsreihe auch im Nationalteam (WM-Dritter 1966).

In diesem elitären Rahmen kommt Belenenses normalerweise nicht vor. Vor rund 20 Jahren bildete der kahlköpfige Captain und Abwehrchef José Antonio als Ergänzungsspieler eine Ausnahme. 45 Länderspiele absolvierte hingegen der aktuelle Trainer Ricardo Sá Pinto. Sein Bekanntheitsgrad rückt den Klub stärker ins Rampenlicht – und die Ergebnisse können sich sehen lassen.

Generalprobe endet mit 0:4-Pleite

Nach dem Husarenstück in Basel besiegte Belenenses im Restelo etwas glückhaft den Aufsteiger União da Madeira. Das Siegtor gelang in der Nachspielzeit Tiago Caeiro, den Cornerball trat der Regisseur Carlos Martins. Beide hatte Sá Pinto eingewechselt.



Belenenses' head coach Ricardo Sa Pinto, left, and goalkeeper Ricardo Ribeiro celebrate after the UEFA Europa League group I group stage matchday 3 soccer match between Switzerland's FC Basel 1893 and Portugal's C.F. Os Belenenses at the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Thursday, October 22, 2015. (KEYSTONE/Peter Schneider)

Der unerwartete Sieg in Basel: Ein Erfolg, mit dem Trainer Ricardo Sà Pinto (links, neben Torhüter Ventura) bei Os Belenenses für Verzückung sorgte.  (Bild: Keystone/PETER SCHNEIDER)

Deutlich schwieriger als der Match gegen die Insulaner gestaltete sich die Generalprobe vor dem Basler Besuch im Restelo. Belenenses war beim heimstarken Tabellenfünften Sporting Braga zu Gast, der in der Europa League alle Gruppenspiele gewonnen und zuletzt in Porto (0:0) überrascht hatte.

Vor der Pause hielten die Blauen gut dagegen, doch in der 38. Minute war der Keeper Ventura erstmals geschlagen. Nach der roten Karte für Luis Leal brachen alle Dämme – und die Equipe aus der Erzbischofsstadt landete noch einen Kantersieg (4:0). Sá Pinto hob den Platzverweis als Schlüsselszene hervor. Nach der dritten Saisonniederlage (alle auswärts) belegt Belenenses nun den elften Tabellenplatz, fünf Punkte über der Gefahrenzone.



Der Stand in der «Basler» Gruppe I der Europa League: Am Donnerstag, in der vierten Runde, tritt der FCB bei Belenenses an, und Lech Posen empfängt die Fiorentina. 

Der Stand in der «Basler» Gruppe I der Europa League: Am Donnerstag, in der vierten Runde, tritt der FCB bei Belenenses an, und Lech Posen empfängt die Fiorentina. 

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