Papierschnipsel im Wind

Wie Pep Guardiola Manchester City zu einer fussballerischen Siegmaschine umgebaut hat. Dabei aber auch keine grossen Rücksichten nimmt. Am Dienstag macht das aktuell aufregendste Team der Welt seine Aufwartung in Basel.

Man nennt es Handschrift: Pep Guardiola, Perfektionist des Tiki-Taka beim FC Barcelona, Fussballkulturschaffender in der Bundesliga bei Bayern München und nun Baumeister der Erfolgswalze für Manchester City.

Vor ein paar Tagen lieferte die britische Trainerpersönlichkeit Neil Warnock einen Einblick, wie es den gegnerischen Mannschaften in dieser Saison meistens im Duell mit Manchester City auf dem Platz erging. In der vierten Runde des FA-Cups traf Warnock mit Cardiff City auf den Branchenriesen aus dem Nordwesten der Insel. Die ungleiche Auseinandersetzung ging für den Zweitligisten mit 0:2 verloren.

Wesentlich unangenehmer als das Resultat an sich war für die Profis des Aussenseiters jedoch, im Spiel lediglich 22 Prozent Ballbesitz abbekommen zu haben. Im Verdacht, dass sich ein derartiger Wert für sein Team nicht vermeiden liesse, teilte Warnock nicht ganz ernst gemeint mit, in den Trainingseinheiten zur Vorbereitung auf Übungen mit dem Ball vollständig verzichtet zu haben. «Stattdessen haben wir den Spielern einige Papierschnipsel in den Wind geworfen, die sie einfangen mussten», sagte er.

Papierschnipsel im Wind einzufangen ist freilich ein fast ebenso unlösbares Unterfangen wie etwa den eigenen Schatten zu jagen. Mit dem Vergleich veranschaulichte Warnock daher anschaulich die Komplexität der Aufgabe, die dem FC Basel am Dienstag bevorsteht, wenn er sich im Achtelfinale der Champions League im St.-Jakob-Park mit Manchester City messen muss. 

Jenem vermutlich aktuell besten Team im Weltfussball also, das in dieser Saison bloss zwei Spiele verloren hat, einmal die unbedeutende Begegnung zum Abschluss der Gruppenphase gegen Schachtar Donezk (1:2) sowie das Auswärtsspiel in der Premier League beim FC Liverpool (3:4).

Das Aufgebot des Startrainers Pep Guardiola hat zum Leidwesen der Basler dabei bloss noch ein paar vereinzelte Spieler gemein mit der Mannschaft, die in der Vorsaison in derselben Runde an der AS Monaco scheiterte. Damals gab es in den 180 Minuten der beiden Achtelfinals sechs Gegentreffer für die Engländer. 

Ein Starensemble, gegen das kein Kraut gewachsen scheint

Nach dieser Schmach hat sich City, im Bemühen den Kader für den Gewinn der Champions League zu optimieren, von keinem finanziellen Aufwand abschrecken lassen. Nach den Vorgaben des Guardiola besserte der Klub seine sowieso sündteure Mannschaft in dieser Spielzeit weiter auf – für mehr als 300 Millionen Euro. Zuletzt überwies der Klub im Winter für den französischen Innenverteidiger Aymeric Laporte rund 65 Millionen Euro an Athletic Bilbao.

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Dadurch finden sich in diesem illustren Starensemble gefühlt inzwischen nicht nur Spieler für jede Position, sondern auch Spieler für jede Art der Positionsdefinierung. Mithilfe Guardiolas fussballerischer Lehre haben sich die Zukäufe während der Saison zu einem Team entwickelt, gegen dessen Spielweise die englischen Ligarivalen kaum eine Lösung finden. Wenn überhaupt lässt sich der individuell geradezu übermächtigen Elf nur mit der Idee entgegentreten, den ballführenden Spieler konsequent zu umzingeln und ihn an einem Abspiel zu hindern. Denn den Ball einfach an eine andere Stelle auf dem Feld zu zaubern – das können nicht mal die Profis von City.

Vier Titel – das hat noch kein englisches Team geschafft

Bei mehr als zehn Punkten Vorsprung in der Premier League hat die Konkurrenz längst jede Hoffnung auf eine mögliche Aufholjagd fahren lassen. Die sportliche Kapitulation erfolgte spätestens, als City im Dezember die Defensive des Stadtrivalen Manchester United nach Lust und Laune auseinander kombinierte. 

Die Restspannung in der englischen Meisterschaft besteht deswegen einzig daraus, wie viele Rekorde die Himmelblauen im weiteren Verlauf noch brechen werden. Und ob es zu diesem eigentlich feststehenden Meistertitel auch gelingt, als erstes englisches Team ebenso den Ligapokal, den FA-Cup und die Champions League zu gewinnen.

Der FC Basel steht nicht einem herkömmlichen Klub gegenüber, sondern einem global agierenden Imperium.

Dem Streben der City Football Group nach globaler Aufmerksamkeit scheinen die nationalen Trophäen indes schon länger nicht mehr zu interessieren. Durch die Anteile an bis zu sechs verschiedenen Vereinen auf fünf Kontinenten baut die Holding-Gesellschaft, die wiederum zu knapp 90 Prozent dem arabischen Scheich Mansour gehört, sukzessive ihren Einfluss auf dem globalen Fussballmarkt aus. Die Klubs, dazu gehören etwa Melbourne City und New York City, sollen gewissermassen Zulieferer sein für den Vorzeigeklub aus Manchester.

Das führt dazu, dass am Dienstag der Schweizer Serienmeister eigentlich mehr einem Imperium gegenüberstehen wird statt einem herkömmlichen Fussballverein. Etliche Einzelspieler von City sind, was den Marktwert anbelangt, mehr wert als Basels gesamtes Aufgebot. Und trotzdem gibt es eine Chance dem nahezu unbesiegbar erscheinenden Favoriten eins auszuwischen. Denn mit Ausnahme des Chelsea FC ging kein anderes europäisches Spitzenteam bisher so verschwenderisch mit den eigenen Ressourcen um.

Guardiola presst die Zitrone

Nach 40 Wettbewerbspartien, die City bis dato absolviert hat, haben bereits zehn Spieler mindestens 30 Einsätze vorzuweisen. Im ewigen Streben nach der Perfektion verzichtet Guardiola meist darauf, seine Startelf zu verändern. Seine wichtigsten Profis mussten daher fast durchspielen, was sich besonders auf die Handlungsschnelligkeit negativ auswirkt. Citys Spielanlage, bei der alles mit allem zusammenhängt, fordert ein ständiges Mitdenken, mit der Zeit ermüdet das den Geist.

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Die Entscheidung des rastlosen Katalanen, seinem Team just eine Woche vor dem bedeutenden Auftritt in Basel drei Tage freizugeben, hört sich nach einem Eingeständnis an, über den Jahreswechsel die Leistung aus den Spielern herausgequetscht zu haben wie den Saft aus einer Zitrone. Der besten Saisonleistung gegen Tottenham Hotspur vor Weihnachten folgten nämlich durchaus mühselige Darbietungen. Bevor es am Samstag das rauschende 5:1 gegen Leicester gab, resultierten aus den vorhergehenden sechs Pflichtspielen bloss drei Siege. Für das verwöhnte Publikum bei City ist das inzwischen eine fast schon beunruhigende Formkurve.

Das Problem ist nur, dass Manchester City mittlerweile von seinem Leistungsniveau derart enteilt ist, dass selbst mässige Leistungen reichen, um trotzdem besser zu sein als die meisten anderen Vereine.

Der FC Basel in der Champions League im Dossier der TagesWoche

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