Das Testspiel gegen den FC St. Gallen aus der Challenge League endete für den Super-League-Tabellenführer FC Basel zwar mit einer 2:3 (0:3)-Niederlage. Vier Tage vor dem Spitzenspiel gegen die Young Boys (Samstag, 17.45 Uhr), für das bereits 30500 Tickets verkauft sind, gab das Comeback von Philipp Degen im FCB-Trikot jedoch mehr zu reden.
Mit der Rückennummer 4 kam Philipp Degen in der 58. Minute auf den Rasen im Stadion Rankhof. An einem schon winterlich kühlen Novemberabend feierte der 28-jährige Lampenberger nach sieben Jahren und den Stationen in Dortmund und Liverpool ein Comeback in Rotblau als Einwechselspieler. 950 Zuschauer, darunter einige, die den Weg wegen ihm ins Kleinbasel gemacht hatten, sahen einen unverwechselbaren Philipp Degen, den feinen Techniker, den frechen Dribbler und einen Spieler, dem die lange, lange Verletzungszeit noch anzumerken ist.
Mit Degens Eintritt – und dazu einiger beherzt aufspielenden Junioren – lief es dem FC Basel, bei dem etliche Nationalspieler fehlten und Goalgetter Alex Frei geschont wurde, besser. Lange Zeit hatten sich die Klassenhöheren die Zähne ausgebissen am Tabellenführer der Challenge League, der effizient konterte und vom Schiedsrichter einen frei erfundenen Penalty geschenkt bekam. Degen verpasste sogar ein Tor («Den muss ich eigentlich machen»), war hinterher erleichtert und redselig in einer Journalistenrunde.
Philipp Degen, wie hat es sich angefühlt, wieder für den FC Basel aufzulaufen?
Der FCB, das ist meine Heimat, hier hat alles angefangen, hier habe ich meine Jugend verbracht. Ich verdanke es dem FC Basel, dass ich den Schritt ins Ausland machen konnte. Und jetzt bin ich überglücklich, wieder hier zu sein und wieder schmerzfrei auf dem Platz zu stehen. Für mich ist das eine Genugtuung, und ich habe es genossen, auf dem Platz zu sein, zusammen mit den Jungs, die ich zum Teil noch von früher kenne.
Drei Jahre beim FC Liverpool liegen hinter Ihnen, drei verlorene Jahre?
Ich habe eine lange Zeit hinter mir, in der ich nicht schmerzfrei war, das waren die letzten drei Jahren, die mich sehr bewegt haben und geprägt, positiv wie negativ.
Wann haben Sie denn das letzte Mal gespielt?
Das liegt vier Monate zurück, eine Halbzeit mit Liverpool gegen Galatasaray. Aber auch damals war ich nicht schmerzfrei. Deshalb ist dieser erste Einsatz mit dem FCB wie eine Erleichterung für mich. Auch wenn es nur 30 Minuten waren – ich spüre nichts Negatives. Darauf kann man aufbauen.
Wo stehen Sie auf dem Weg zurück?
Naja, man hat ja gesehen, dass es noch die eine oder andere Situation gab, in der ich nicht zurücklaufen mochte. An der Fitness muss noch einiges gemacht werden, das weiss ich selbst. Aber so ist es halt, wenn man drei Jahre verletzt ist und nicht im Tritt. Da macht jeder Schritt weh. Aber ich bin bereit diesen Weg zu gehen, ich bin gut aufgenommen worden beim FCB, vom Club, dem Trainerteam, dem Präsidenten und der ganzen sportlichen Leitung. Das ist sehr wichtig in dieser Phase, denn sie geben mir das nötige Vertrauen, das man braucht, wenn man drei Jahre lang von seinem eigenen Körper im Stich gelassen wurde und sich nicht auf dem Platz zeigen konnte.
Wie erleben Sie die Mannschaft des FCB sieben Jahre später?
Ich spüre einen super Teamgeist. Jeder gibt jeden Tag alles, um etwas zu erreichen. Das ist ein wichtiger Mosaikstein, um erfolgreich zu sein. Ich bin wirklich froh, hier zu sein.
Trainer Heiko Vogel betont, dass er keinen Druck ausüben und kein Datum für die Rückkehr in den Wettkampf setzen will. Wie sieht Ihr eigener Fahrplan aus?
Ich werde im Januar ins Trainingslager einsteigen und bis dahin hart arbeiten an meiner Fitness, um einigermassen das Level zu erreichen, das nötig ist. Aber das wird noch seine Zeit brauchen, denn drei Jahre steckt man nicht einfach mit zwei, drei Spielen weg.
Also ist erst in der Rückrunde mit Ihnen zu rechnen?
Das ist mein Ziel. Ab Januar läuft mein Vertrag offiziell beim FCB.
Wo wohnen Sie denn momentan?
Wieder bei den Eltern in Lampenberg, nach sieben Jahren bin ich zurück. Natürlich freut man sich, aber vielleicht kennen Sie das aus eigener Erfahrung: dass es nicht ganz einfach ist, wenn man so lange alleine gelebt hat, wieder im Elternhaus zurück zu sein. Aber ich freue mich, die Eltern wieder zu sehen und dem Ganzen wieder näher zu sein. Das ist auch mal eine gute Zeit.
Es gibt also noch Ihr Kinderzimmer? Mit all den Postern der Idole ihrer Jugend?
Idole habe ich da keine hängen, es stehen ein paar Pokale im Zimmer und es sind ein paar Erinnerungen an die grossen Triumphe mit dem FC Basel. Ein Bild von der ersten Meisterschaft, das ich geschenkt bekommen habe und eines aus Thun, wo ich ein Tor und ein Assist gemacht habe. Und eines mit meinem Zwillingsbruder und dem Pokal. Das sehe ich jetzt jeden Tag, und denke: Dahin zurück will ich wieder, dafür schaffe ich jetzt.
Klingt wie ein Jungbrunnen, aus dem man Kraft und Hoffnung schöpft?
Natürlich. Nach drei Jahren sehnt man sich nach einem Erfolgserlebnis, nach dem Gefühl, nach einem Spiel völlig ausgepumpt zu sein.
Können Sie jetzt eigentlich nur hoffen, dass Sie von Ihrem Körper nicht noch einmal im Stich gelassen werden?
Ich hoffe es wirklich. Dass er mir noch einmal die Möglichkeit gibt, mich auf höchstem Niveau zu beweisen, dorthin zurückzufinden. Ich habe neue Freude und Energie gewonnen, auch durch das Team und das Umfeld beim FCB.
Haben Sie irgendetwas umgestellt in Ihrem Leben, die Ernährung, das Gymnastikprogramm oder sonst irgendetwas?
Nein, ich habe eigentlich immer sehr bewusst gelebt, in den Jahren im Ausland noch intensiver. Wenn man so lange verletzt ist wie ich, gehen einem schon viele Sachen durch den Kopf, da habe ich schon einiges ausprobiert. Aber das hat alles nicht hingehauen.
Das heisst: Sie brauchen einfach mal wieder ein bisschen Glück?
Ein Erfolgserlebnis, das Umfeld, das einen früher schon einmal stark gemacht hat – und Glück, ja.
Am Samstag werden Sie auf der Tribüne sitzen, wenn der FCB gegen YB und Ihren Bruder David Degen spielt. Für wen schlägt dann das Herz?
Für den FCB natürlich. Mein Zwillingsbruder ist jetzt mein Konkurrent, das ist so. Neben dem Platz nicht, aber auf dem Platz, wenn es gegen den FC Basel geht, ist er ein grosser Konkurrent.
Was erwarten Sie vom Spitzenspiel?
Mit dem Selbstvertrauen, dass die Mannschaft hat, und so wie der Trainer das Team einstellt auf den Samstag, glaube ich, dass es schwer werden wird für YB, etwas zu holen in Basel.
Und Sie erzählen Ihrem Bruder, was der FCB sich ausdenkt für das Spiel?
Nein, um Himmelswillen nicht…
…sie beide sind so eng…
…nein, ich bin beim FCB und ich will Titel gewinnen. Von mir bekommt er gar nichts, auch wenn er mein Zwillinsgbruder ist.
Das kann man sich nicht wirklich vorstellen.
Doch. Ich wüsste gar nicht, über was ich mich mit ihm vor dem Spiel unterhalten sollte.
Wird wenigstens geflachst?
In den letzten Tagen haben wir eher über die Nationalmannschaft geredet. Aber vielleicht wird das noch kommen.
Apropos Nationalmannschaft: Ist das noch ein Thema für Sie?
Heute und morgen nicht. Aber es ist noch im Hinterkopf. Und wenn ich richtig fit bin, dann kann es noch einmal ein Thema werden. Davon bin ich überzeugt.
FC Basel–FC St. Gallen 2:3 (0:3)
Rankhof. – 950 Zuschauer. – SR Fedayi. – Tore: 8. Valente 0:1, 31. Pa Madou 0:2, 44. Scarione (Foulpenalty) 0:3, 67. Andrist (Chipperfield) 1:3, 78. Vuleta (Chipperfield) 2:3.
FCB: Sommer; Steinhöfer (58. P. Degen), Abraham (46. Kusunga), Kovac, Park (58. Dinkel); Andrist (76. Vuleta), Huggel (66. Zwimpfer), Cabral (66. Zarkovic), Schürpf (76. Kreuzer); Streller (71. Bicvic), Chipperfield.
FC St. Gallen beginnt mit: Lopar; Roduner, Montandon, Stocklasa, Pa Madou; Abegglen, Muntwiler, Scarione, Regazzoni; Valente, Lehmann.
Bemerkungen: FCB ohne die Nationalspieler Shaqiri, G. Xhaka, F. Frei, Dragovic, T. Xhaka, Zoua, Pak, Ajeti, Wieser, Buess. Yapi, Voser (beide verletzt), Stocker (rekonvaleszent), A. Frei, (geschont). – 45. Lattenschuss Streller, 55. Abseitstor Streller aberkannt.