Profis im Geiste, Amateure in den Strukturen

Am Samstag (Rankhofhalle, 18 Uhr, Gratiseintritt) steht für die Handballerinnen von Basel Regio der Showdown gegen den TV Uster auf dem Programm. Wer verliert steigt ab. Die Saison der Baslerinnen zeigt exemplarisch die Probleme vieler halbprofessioneller Clubs in der Region auf: Die meisten haben grosse Visionen – aber nicht die Mittel, diese auch Realität werden zu lassen.

Anja Scherb im Angriff gegen den KFH Pristina. Basel Regio durfte im Europacup die Luft der grossen Handballwelt schnuppern. Geblieben aber ist davon ein Loch von 35’000 Franken. (Bild: Robert Varadi)

Sportvereine mit semiprofessionellen Strukturen haben ähnlich grosse Visionen wie ihre professionellere Konkurrenz. Sie stehen in einem Spannungsfeld zwischen Erwartungen und Realitäten, für das es viele Gründe gibt – und Lösungen, die niemand hören will.

Bedingungsloses Engagement. Davon zeugen Gespräche mit Menschen, die sich im semiprofessionellen Sport engagieren. Bedingungslos, weil sie unentgeltlich Zeit und Kraft für den Sport opfern. Die Volleyballerinnen von Sm’Aesch Pfeffingen, die Macher bei den Starwings Basket Regio Basel, die Handballerinnen von Basel Regio oder ihre männlichen Pendants beim RTV Basel – der Antrieb ist ihre Leidenschaft, Herzblut die eingesetzte Währung.

Wer bei seiner Freizeit, seiner Arbeitszeit und zuweilen auch bei der Zeit mit der Familie Abstriche macht, der strebt mit seiner Passion hohe Ziele an. Oftmals auch zu hohe. Denn wo Mittel für professionelle Strukturen fehlen, fehlen auch die Möglichkeiten, mit der Konkurrenz mitzuhalten, die über solche Strukturen verfügt. «Das Geld hat schon immer eine Rolle gespielt, aber heute ist es extrem», stellt Alex Ebi, Präsident des RTV Basel, fest.

In der Krise «masslos überfordert»

Basel Regio ist ein solches Team, dem das Geld fehlt. «Wir arbeiten alle ehrenamtlich», sagt Sportchef und Vorstandsmitglied Paul Scherb über die Situation beim Aushängeschild des regionalen Frauenhandballs. Das Team ist vom Abstieg aus der höchsten Schweizer Liga bedroht und durchlebte während der Saison ein Wechselbad der Gefühle. Mitten im Abstiegskampf konnten die Amateurinnen in Kosovo und in Frankreich im Europacup spielen. Sie erlebten dabei einen Hauch von Welthandball. Doch der finanzielle Aufwand werde ein Loch in der Grössenordnung eines Jahresbudgets in der Vereinskasse hinterlassen, schildert Scherb die Kehrseite dieses Abenteuers.

Dieses Budget, knapp 35’000 Franken, reicht nicht für einen bezahlten Trainer. Hätte der Verein mehr Geld, er würde es unter anderem sofort in ein Entgelt für den Übungsleiter stecken, sagt Scherb. Vor allem nach den Vorkommnissen in dieser Saison, die in einem professionellen Umfeld möglicherweise nicht passiert wären: Vor der Trennung von Thomas Mathys, immerhin rund vier Jahre Trainer der ersten Mannschaft, war bereits Teammanager Peter Sammarchi entlassen worden. Dieser hatte sich gemäss Scherb zu stark in die sportlichen Fragen eingemischt, und es wurde «im Verein viel Geschirr zerschlagen». Der Sportchef ist sicher: «In einer solchen Krisensituation ist eine ehrenamtliche Struktur masslos überfordert.»

Wer Fehler macht, wird sofort bestraft

Geld fehlt auch den Volleyballerinnen von Sm’Aesch Pfeffingen. Zwar verfügt der Verein über ein Budget von 350’000 Franken, hauptsächlich alimentiert von Präsident Werner Schmid. Doch reicht das nur dann für eine erfolgreiche Saison, wenn keine Fehler gemacht werden. Doch das war in dieser Spielzeit nicht der Fall. Wie Basel Regio hatte auch Sm’Aesch vor dem Saisonstart einen Schritt nach vorne angekündigt – und landete schliesslich nach herben Enttäuschungen in der Abstiegsrunde.

Schmids Erklärung: Trainer Alessandro Lodi habe vor der Saison ausländische Profispielerinnen engagiert, die nicht den Anforderungen für die höchste Spielklasse genügten. Der heutige Trainer Timo Lippuner geht gar so weit zu sagen: «Bezüglich dieser Spielerinnen spreche ich nicht mehr von ‹Profis›, sondern von ‹Ausländerinnen›.»

Natürlich war es Schmid gewesen, der Lodi Anfang der Saison unter Vertrag genommen hatte. Der Präsident hatte gehofft, mit Lodi werde alles besser als in der vorangehenden Saison, in der die Finalrunde ebenfalls verpasst worden war. Stattdessen musste der Italiener den Club bald wieder verlassen.

Womit er in guter Gesellschaft ist. Die Starwings, Sm’Aesch, der RTV, Basel Regio – alle haben sie während der Saison den Trainer gewechselt. Wobei nur Lodi einen Profivertrag hatte. Alle anderen Vereine müssen eigentlich froh sein, wenn sie jemanden finden, der ihr Team unentgeltlich führt. Das führte beim RTV zur fast schon absurden Situation, dass Rückkehrer Silvio Wernle der Nachfolger seines eigenen Nachfolgers wurde. Und es kommt unweigerlich zu einem fast unmöglichen Spagat zwischen den Möglichkeiten der Amateurtrainer und den hohen Ansprüchen der Clubs.

Die Verpflichtung ausländischer Profis – eine Lotterie

Sm’Aesch also bewies kein glückliches Händchen bei der Verpflichtung der ausländischen Spielerinnen. Auch mit diesem Problem steht der Club nicht allein. Bei den Basketballern der Starwings unterschrieb Travele Jones vor der Saison ein Arbeitspapier, nur um wenige Tage später um dessen Auflösung zu bitten. Dem Amerikaner lag ein besseres Angebot aus Japan vor. Danach verpflichteten die Starwings mit Jamarkus Holt einen der statistisch besten Spieler aus der höchsten portugiesischen Liga. Doch stellte sich schnell heraus, dass er aufgrund eines medizinischen Problems nicht für die Nationalliga A taugt.

Am Ursprung solcher Missverständnisse steht einmal mehr das Geld: Der einzige Deutschschweizer Basketball-Verein in der höchsten Spielklasse verfügt nicht über die Mittel, potenzielle Neuverpflichtungen zu testen. Die unbefriedigende Lösung ist das Studium von Statistiken, die Sichtung von Videos und das Einholen von Agenten- und Vereinsmeinungen – die aufgrund der jeweiligen Interessen freilich subjektiv sind. «Man kauft die Katze im Sack», sagt Pascal Donati, Vizepräsident des Vereins, dem die Liga wegen 100’000 Franken Schulden jüngst die Lizenz für die kommende Saison nur unter Auflagen erteilte.

Bei den Volleyballerinnen ist die Situation nicht anders: «Von den Amerikanerinnen kriegt man jeweils ein Video, das aber möglicherweise bereits zwei Jahre alt ist. Da weiss man einfach nie, was man bekommt», sagt Trainer Lippuner, der sicher ist: «Der Weg zum Erfolg führt nur über ein höheres Budget und bessere Ausländerinnen.»

Auch bei den Handballern des RTV Basel sind die Ausländer ein Thema. Allerdings eher jene der Gegner, denn für einen dereinstigen Wiederaufstieg in die Nationalliga A braucht es nicht nur ein starkes eigenes Team, sondern auch das passende Jahr ohne übermächtigen Gegner. «Wenn alle anderen Mannschaften finanziell vernünftig weitermachen und nicht massiv in Ausländer investieren, können wir am ersten und zweiten Platz schnuppern», sagt Präsident Alex Ebi. Will aber ein Gegner unbedingt aufsteigen und macht dazu die Mittel zur Verpflichtung ausländischer Topkräfte frei, dann sieht sich der RTV ausser Stande, oben mitzumischen.

Vom Problem der Prioritätensetzung im semiprofessionellen Sport

Immerhin plagen den RTV keine Integrationsprobleme mit Ausländern. Das ist bei den Frauen von Basel Regio ganz anders. Laut dem früheren Trainer Thomas Mathys hat das Experiment mit ausländischen Spielerinnen nicht funktioniert. Die Verbundenheit mit der Region und dem Club sei schwach ausgeprägt, entsprechend schnell verliessen Spielerinnen den Verein wieder.

Bei jenen, die als Einheimische eher mit den Clubs verbunden sind, stellt sich ein anderes Problem: Sie verdienen mit ihrem Sport – anders als die Verstärkungen aus dem Ausland – kein Geld, gehen einem Beruf nach oder sind Schüler. Das kann beim Setzen der Prioritäten dazu führen, dass das unentgeltliche Hobby zur Nebensache wird.

So können jene Talente verloren gehen, welche die Vereine selbst ausgebildet haben; in der Hoffnung, dass sie den Club dereinst an der Spitze mittragen könnten, ohne so viel zu kosten wie ausländische Kräfte. Eine gute eigene Jugendarbeit ist ein möglicher Ansatz für die regionalen Clubs. Der Weisheit letzter Schluss ist sie aber nicht.

Kommt dazu, dass häufig und gerne davon gesprochen wird, künftig auf einheimische Spieler setzen zu wollen. Schliesslich aber obsiegt in den Clubs meist trotzdem die Lust auf sportlichen Erfolg. Dann stehen bei den Starwings eben plötzlich vier teure Litauer unter Vertrag, nachdem kurz zuvor noch die Ausbildung einheimischer Spieler angekündigt worden war.

Die radikale Lösung, die niemand will

Die radikale Lösung für das Dilemma der halbprofessionellen Vereine in professionellen Ligen wäre der Gang in die Zweitklassigkeit. Die Kosten sinken, während die Möglichkeiten steigen, mit Schweizer Spielern zu bestehen. Doch dieser Variante stehen die grossen Ambitionen im Weg, die trotz fehlender Gelder in den Köpfen der Macher herrschen. «Für uns ist die Nationalliga B keine Option», sagt beispielsweise Donati – die zweithöchste Spielklasse im Basketball sei «für die Sponsoren nicht interessant».

Einzig bei den Handballern des RTV gibt es Stimmen, die nicht um jeden Preis den Wiederaufstieg anstreben. «Ich habe die NLB schlimmer erwartet. Es ist eigentlich ganz amüsant, wir gewinnen wieder Partien und spielen nicht wie in den letzten Jahren immer gegen den Abstieg», sagt der Torhüter und ehemalige Geschäftsführer Pascal Stauber.

Doch Stauber ist die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Präsident Alex Ebi sieht seinen Verein weiterhin auf Kurs in seinem Mehrjahresplan «RTV on the map – 2016». Worin dieser Plan auch immer bestehen mag. Einst war darin als Ziel definiert, mit dem RTV an der Spitze der höchsten Schweizer Liga mitzuspielen. Inzwischen mag Ebi gar nichts mehr dazu sagen: «Wir kommunizieren 2016, was ‹RTV on the map› bedeutet.»

An Visionen mangelt es nicht

Und auch bei Sm’Aesch sind die Ideen ungebrochen hochtrabend. Präsident Schmid strebt eine Zusammenarbeit mit dem Topverein Voléro Zürich an, der für sich selbst den Gewinn der Champions League als Ziel formuliert. Aus Voléros Portfolio erhofft sich Sm’Aesch die Verpflichtung guter Ausländerinnen, deren volleyballerische Qualitäten bekannt sind. Im Gegenzug solle Sm’Aesch dafür sorgen, dass die Ausbildung von Schweizer Volleyballerinnen vorangetrieben wird, erklärt Schmid. Unabhängig von dieser Partnerschaft wurde ein erster Schritt dazu bereits 2011 mit der Schaffung einer Juniorenakademie gemacht.

Grosse Visionen, daran hat es noch nie gemangelt in den regionalen Clubs, die in der Zwischenwelt von Amateur- und Profisport leben. Die Realität aber sieht oft so aus wie in der zu Ende gehenden Saison: Man startet mit hohen Erwartungen in die Saison – und landet irgendwann in der harten Realität.

Starwings Basket Regio Basel (Basketball)
Jahresbudget: rund 400’000 Franken
In der Nationalliga A haben die Birstaler Basketballer das grosse Saisonziel Playoffs verpasst. Neben dem Feld konnten die Schulden auch wegen des zwar hoch gelobten, aber sündhaft teuren Kaders nicht abgebaut werden. Von der Liga erhielt der Verein die Lizenz für die nächste Saison deswegen nur unter Auflagen. Daneben erschütterte der Gewaltausbruch zwischen den Spielern Miroslav Petkovic und Rokas Uzas den Verein. Uzas wurde verletzt, verliess den Verein und unterschrieb kürzlich in der höchsten griechischen Division; Petkovic wurde fristlos entlassen. Am 7. April treffen sich die Verantwortlichen zu einem Workshop, in dem die zukünftige Ausrichtung erarbeitet werden soll.

RTV Basel
(Handball)
Jahresbudget: 180’000 Franken
Letzte Saison aus der Nationalliga A abgestiegen, spielt der RTV in der zweithöchsten Spielklasse im vorderen Viertel mit – bis ganz an die Spitze reicht es jedoch nicht. Der Verein hat es geschafft, nach dem Abstieg die wichtigsten Spieler zu halten. Torhüter Pascal Stauber ist gar der Meinung, dass das aktuelle Kader besser sei als die Abstiegsmannschaft. In einer der nächsten beiden Saisons will der Verein wieder in die höchste Klasse aufsteigen.

Basel Regio (Handball)
Jahresbudget: knapp 35’000 Franken
Die Handballerinnen sind eines von acht Teams in der Nationalliga A und belegen in der Auf-/Abstiegsrunde einen Abstiegsplatz. Die Saison war geprägt durch die Entlassung von Teammanager Peter Sammarchi und der Trennung vom langjährigen Trainer Thomas Mathys. Der Höhepunkt war die Teilnahme am Europacup, welche allerdings zu einem Minus von rund 35’000 Franken in der Vereinskasse führte.

Sm’Aesch Pfeffingen (Volleyball)
Jahresbudget: 350’000 Franken
Weil das Team die Ziele nicht erfüllte, wurde Trainer Alessandro Lodi entlassen. Dieser hatte bei seiner Ankunft zwei amerikanische Profispielerinnen mitgebracht, die nach Ansicht von Präsident Werner Schmid den Anforderungen in der höchsten Schweizer Liga nicht genügen. Derzeit ist unklar, ob Sm’Aesch in die Abstiegs-Barrage muss.

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