Raphael Wickys Hilflosigkeit

Zwei Unentschieden in Serie, Platz 3 nach sechs Spielen und eine Ausbeute vor dem Tor, die schwächer ist als in den letzten Jahren. Raphael Wicky und sein FC Basel werden plötzlich an den Resultaten gemessen, nachdem zuletzt Spektakel und Jugend gefordert wurden.

Raphael Wicky nach seinem siebten Spiel als Trainer des FC Basel: Resultatmässig haben sich das einige anders vorgestellt beim Meister. (Bild: Keystone)

Das Stadion war längst leer, in den Festzelten rund um das Tourbillon standen die Anhänger des FC Sion nur noch in kleinen Gruppen beisammen, und die Autos auf den Parkplätzen machten hinter der Nordwesttribüne wieder den Pferden Platz, die ihre Trainingseinheiten auf der nahe gelegenen Reitanlage beendet hatten.

Auf diesem Parkplatz standen in der warmen Walliser Abendluft, umgeben von der beeindruckenden Bergkulisse, Christian Constantin und Paulo Tramezzani. Der allmächtige Präsident des FC Sion an ein Auto gelehnt, das angesichts seiner Kaufkraft offensichtlich nicht das seine war, sein italienischer Trainer inzwischen in lockerer Kleidung, nachdem er das hektische und zum Schluss aufwühlende 1:1 gegen den FC Basel noch im Anzug erlebt hatte.

Rund zwei Stunden nach Spielschluss machten die beiden einen zufriedenen Eindruck, obschon der FC Sion die Partie beinahe noch gewonnen hätte. Doch Pelé Mboyos Schuss prallte vom Aussenpfosten weg und verhinderte den ersten Sittener Sieg seit vier Spielen.

Die Walliser dürfen sich über diesen Punkt trotzdem freuen, da war sich auch die Lokalpresse einig, die in der Pause beim Stand von 0:1 noch gesagt hatte: «Dieses Resultat nehmen wir gerne.» Denn Basel war bis dahin die dominante Mannschaft gewesen. Und so verabschiedete sich der Trainer zufrieden von seinem Präsidenten, der sich jetzt in ein Auto setzte, das nun wirklich seiner Kaufkraft entsprach.

Stimmen die Resultate, wollen alle Spektakel

Zu diesem Zeitpunkt war Tramezzanis Antipode längst im Bus nach Basel. Raphael Wicky muss über die Ruhe im Basler Mannschaftsbus froh gewesen sein, denn kurz nach dem Spiel sass er wie auf Nadeln. Einerseits, weil er von einem Medientermin zum nächsten gehetzt wurde und deswegen immer wieder Halt bei der Pressesprecherin suchte. Andererseits, weil die Minuten nach einer derart hektischen Partie keine einfachen sind. Zumal Wicky erst wenig Erfahrung auf diesem Level hat (diese sechste Meisterschaftsrunde war sein siebtes Spiel als Trainer einer ersten Mannschaft) und das Resultat nicht den Erwartungen des FC Basel entspricht.

Nach sieben Spielen leicht unter Druck geraten: FCB-Trainer Raphael Wicky im Walliser Medienzentrum.

Die zwei Saisons unter Wickys Vorgänger Urs Fischer haben gezeigt: Stimmen die Resultate, wird der FC Basel nicht daran gemessen, sondern am Spektakelfaktor. Oder daran, wie viele junge Spieler der Trainer einsetzt. Stimmen die Resultate aber nicht, dann wird der FC Basel an ihnen gemessen.

Aktuell stimmen die Resultate nur bedingt: Zwar hat der Meister erst einmal verloren, die Ouvertüre gegen die Berner Young Boys. Aber mit elf Punkten aus sechs Spielen sind sie nicht da, wo sie sein wollen. Sagt Wicky selbst. Und so empfindet es auch der Anhang.

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Zumindest deuten die unbarmherzigen Kommentare auf den Sozialen Medien in diese Richtung. Mit diesem Mittelfeld werde es schwierig, heisst es da zum Beispiel, Matias Delgados Karrierenende wird noch mehr beweint, mangelnde Kreativität wird dem Meister attestiert und David Sieber, Chefredaktor der «bz Basel», fasst den Auftritt auf Twitter so zusammen: «Früher war Fussball besser.»

Platz 3 oder schlechter nach sechs Runden, das gab es letztmals vor vier Jahren. Dabei war in Sitten, beim zweiten Unentschieden in Serie und dem letzten Spiel vor der Nationalmannschaftspause, gewiss nicht alles schlecht. Der FC Basel erarbeitete sich eine Vielzahl von Tormöglichkeiten. Alleine drei in der ersten Viertelstunde und ein halbes Dutzend in der ersten Halbzeit.

Zudem hat Wicky in Ricky van Wolfswinkel eine Sturmspitze zur Verfügung, die mit sechs Toren in sechs Ligaspielen eine ausgezeichnete Quote aufweist – und den Führungstreffer nach sieben Minuten in vorzüglichster Manier erzielte. Allerdings verschoss der Holländer auch den Elfmeter, steht aber bei Weitem nicht als Einziger da, der mehrere Möglichkeiten ungenutzt liess.

Tomas Vaclik hilft Manuel Akanji auf die Beine. Und der sagt nach dem 1:1 gegen Sion: «Das war einfach zu wenig.»

«Wenn du in der Champions League diese Chancen hast, musst du sie ausnützen, sonst gewinnst du kein Spiel», sagte Taulant Xhaka im hauseigenen Club-TV, und für Manuel Akanji war die Leistung ganz einfach «zu wenig.»

Der systemflexible FCB leidet unter falschen Entscheidungen der Spieler

Die elf erzielten Tore stehen in einem Missverhältnis zur Ausbeute der letzten Jahre, 21 und 17 waren es unter Fischer nach gleich vielen Spielen. Zudem waren die vielen technischen Unzulänglichkeiten auffällig, die im Wallis zwar Tradition haben, seit der Verlegung des neuen Rasens aber der Vergangenheit angehören sollten. Der FC Sion war keinesfalls besser, aber vom FC Basel werden eine andere Passqualität und weniger Annahmefehler erwartet.

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Für beide Mängel, die Ineffizienz und die technischen Fehler, kann Trainer Raphael Wicky wenig. Deswegen sagte er in der Pressekonferenz nach dem Spiel fast etwas hilflos: «Das ist auch etwas Psychologisches.» In diesem Moment zeigte sich die Machtlosigkeit eines Trainers, der seiner Mannschaft eine systemische Flexibilität beigebracht hat, sie wahlweise in einem 3-1-4-2 oder wie in Sion in einem 4-2-3-1 spielen lässt und im Tourbillon fast 50 Prozent mehr Ballbesitz hatte als der Gegner.

Wicky hat den FCB so weit entwickelt, dass er sich eine Vielzahl von Torchancen erarbeitet. Die Auslösungen und Laufwege stimmen also. Dass aber beispielsweise Dimitri Oberlin gegen Lugano viel zu eigensinnig agierte, oder Kevin Bua kurz vor der Pause in Sion statt direkt zu schiessen, den Ball annimmt und dann aus bester Position verzieht, dafür kann der Trainer wenig.

Sünder vor dem Tor: Ricky van Wolfswinkel vergibt eine Möglichkeit gegen Sion, eine von vielen.

Die Bilanz nach sechs Spielen fällt deswegen zwiespältig aus: Bis vor das Tor kommen die Basler, die Effizienz eines Marc Janko oder Seydou Doumbia aus der letzten Saison haben sie noch nicht.

Bern und Zürich machen es kaum besser

Das Glück der Basler ist momentan, dass es die beiden anderen Teams an der Spitze kaum besser machen. Der Leader FC Zürich spielte gegen Luzern ebenfalls 1:1. Und die Young Boys, aktuell auf Platz 2, holten sich in St. Gallen mit einem Tor in der Nachspielzeit gerade noch einen Punkt. Die Super League hat damit ein Spitzentrio, ein Punkt trennt den Leader vom drittplatzierten FC Basel.

Und so gehört das Schlusswort dem FCB-Passionné Thomas Lauber, der auf Twitter schreibt: «Die neue FCB-Führung hat ja nur mehr Spannung versprochen. Nicht besseren Fussball. Et voilà.»

Die Meisterschaft pausiert in den kommenden Tagen, weil die Nationalmannschaft WM-Qualifikationsspiele bestreitet. Weiter geht es für den FC Basel am 9. September in der Meisterschaft mit dem Heimspiel gegen den FC Lausanne-Sport. In der Nationalmannschaftspause absolviert der Meister zudem am Mittwoch, 30. August, ein Testspiel gegen den FC Wohlen.

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