Die Chronik: Dominanz in Halbzeit eins und eine schwer zu überbietende Ineffizienz vor dem Tor
Die halbe Sittener Bank stürmte in der Nachspielzeit auf das Feld, die Arme gen Himmel gestreckt, in Erwartung eines Glücksgefühls, das sie seit einer geraumen Weile nicht mehr erlebt hatten. Doch so schnell sie auf dem Rasen waren, so schnell fanden sie den Weg zurück auf die Bank. Denn Pelé Mboyo hatte den Ball nicht im Tor untergebracht, sondern den Pfosten getroffen. Basels Trainer Raphael Wicky sagt: «Wenn wir uns diese Situation vor Augen führen, dann sind wir zufrieden mit dem Punktgewinn.»
Natürlich hätte der 40-Jährige gerne den Sieg und die erste Tabellenführung der noch jungen Saison nach Basel gebracht. Zumal der FC Basel alle Zutaten in der Hand hatte, um sich das Mahl des Siegers zuzubereiten. Der Meister muss sich an der eigenen Nase nehmen, er vergab Chance um Chance. Vor allem in der ersten Halbzeit, da sind sich alle einig, hätte Rotblau mit mindestens drei Toren führen müssen.
Am Ende des Spiels vor 10’900 Zuschauern standen mindestens ein halbes Dutzend ungenutzter Möglichkeiten, allen voran der verschossene Elfmeter. Ricky van Wolfswinkel hatte sich in den zwei Versuchen in dieser Meisterschaft bisher als sicherer Wert erwiesen, doch im Tourbillon, diesem Kessel prall gefüllt mit Emotionen, traf der Holländer das Tor nicht. Der dumpfe Knall am Gitter, das die Zuschauer vom Geschehen auf dem Rasen trennt, machte fast das Tor vergessen, das van Wolfswinkel in der siebten Minute erzielte. Die Angriffsspitze erlief sich ein Zuspiel des Sitteners Nicolas Lüchinger und traf aus rund 19 Metern, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres auf der Welt.
FC Sion: Ein Tor aus zwei Torschüssen
Sion, zuletzt mit einem Unentschieden und zwei Niederlagen erfolglos, traf das Basler Tor derweil genau zwei Mal: Den ersten Versuch, Adryans Freistoss, wehrte Tomas Vaclik noch ab. Doch Matheus Cunhas Abpraller bezwang den Tschechen. Für das siebte Gegentor der Basler waren damit die zwei Spieler verantwortlich, die erst wenige Sekunden zuvor bei einem Doppelwechsel auf den Rasen kamen.
Dominierten die Basler die erste Halbzeit, was die Chancenerarbeitung angeht, so fanden sie im zweiten Durchgang keine Lösungen mehr. «Das stimmt», sagt Wicky, der mit elf Punkten aus sechs Spielen «nicht dasteht, wo wir sein wollen.»
Zweimal hat der FC Basel in Folge nun nicht mehr gewonnen. Das passierte zum letzten Mal Ende letzter Saison, als der FCB allerdings bereits als Meister feststand. In Spielen, in denen es um etwas ging, ist das dem FCB lange nicht mehr passiert: Im November 2015 verlor er gegen die Grasshoppers und St. Gallen zweimal in Folge.
Raphael Wickys Monolog: «So ist es schwierig, mutiger zu spielen»
«Ich bin mit diesem Unentschieden natürlich nicht zufrieden. Wir müssten zur Halbzeit 3:0 führen, dann wäre es für Sion schwierig geworden, zurückzukommen. Es gab viele Emotionen, auf beiden Seiten. Und am Ende müssen wir froh sein um diesen Punkt. Sion hat es gut gemacht in der zweiten Halbzeit, wenn sie die Räume so eng machen, ist es schwierig, sich Tormöglichkeiten herauszuspielen. Man muss aufpassen, dass man nicht in einen Konter läuft, und damit ist es schwierig, mutiger zu spielen.»
Der Nebenschauplatz I: ein neuer Rasen, zur Freude aller
Zweimal sind sich die beiden Teams seit dem letzten Aufeinandertreffen im Tourbillon begegnet: Im St.-Jakob-Park holte Sion einen Punkt (2:2), in Genf gewann der FC Basel den Cupfinal mit 3:0. An das letzte Duell im Tourbillon hat vor allem Michael Lang wunderbare Erinnerungen: Er erzielte auf Pass von Adama Traoré das einzige Tor, mit einer Direktabnahme, die schwieriger fast nicht hätte sein können. Nicht weil Traorés Zuspiel zu präzis gewesen wäre, sondern weil der Ball mehrmals auf dem Rasen aufsprang, seine Flugbahn kaum auszumachen war.
Das ist nicht mehr möglich. Denn im Tourbillon ist ein neuer Untergrund verlegt worden, Bodenheizung inklusive. Der neue Rasen ist ein Natur- und Kunstrasengemisch. Vergessen sind damit die Zeiten, als sich die Spieler nach den Partien beschwerten und sagten: «Wir müssen mit langen Bällen spielen, anders geht es auf diesem Rasen nicht.»
Der Nebenschauplatz II: Um Raphael Wickys Rückkehr nach Sion ging es nicht
Wenn der FC Basel nicht wenige Tage vor dem Auftritt in Sion mit Manchester United, Benfica Lissabon und ZSKA Moskau in die Champions-League-Gruppe gelost worden wäre, hätte die Geschichte noch mehr Wellen geschlagen. So war Raphael Wickys Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte ein kleines Nebengeräusch, das zwar hörbar, aber nicht unüberhörbar war.
Wicky selbst sagt nach dem Spiel zusammenfassend: «Es geht hier nicht um mich, auch wenn ich eine lange Geschichte hier habe und es schön ist, zurückzukommen.» Immerhin lobte er sein einstiges Publikum mit den Worten: «Das Tourbillon war heute ein Hexenkessel. So kenne ich das von früher.»
Die Aufstellung: zurück zum Altbekannten
Trainer Raphael Wicky kehrte zur Viererkette zurück. Er reagiert damit auf das Spiel gegen den FC Lugano (1:1), das in einem 3-1-4-2 nicht nach den Vorstellungen der Basler abgelaufen war. Eder Balanta blieb vorerst auf der Bank, Marek Suchy und Manuel Akanji bildeten die Innenverteidigung. Mohamed Elouynoussi sollte im offensiven Mittelfeld die Fäden ziehen und Kevin Bua rutschte von der Sturmspitze auf den linken Flügel.
Während des Spiels habe das Trainerteam eine Rückkehr zur Dreierkette diskutiert, sagt Wicky. Aber das Unentschieden sei nicht wegen der Systemwahl zustande gekommen, sondern «weil wir die Tore nicht gemacht haben».
FC Basel (4-2-3-1): Vaclik; Lang, Suchy, Akanji, Riveros; Xhaka (73. Fransson), Zuffi; Steffen, Elyounoussi (84. Calla), Bua (76. Oberlin); van Wolfswinkel.
Die Basler Bank: Salvi (ET), Gaber, Balanta, Fransson, Schmid, Calla, Oberlin.
FC Sion (3-5-1-1): Mitryushkin; Zverotic, Ricardo, Bamert; Lüchinger (46. Cunha), Kukeli, Milosavljevic, Zock, Lenjani; Constant (46. Adryan, 62. Mboyo); Schneuwly.
Die Walliser Bank: Berchtold, Lurati, Mboyo, Karlen, Adao, Cunha, Adryan.