Die Königlichen haben in der Champions-League-Sammlung des FC Basel noch gefehlt. Als derzeit aufregendster Club des Fussball-Planeten macht Real Madrid am Mittwoch der Stadt seine Aufwartung.
Vorige Woche wurde Florentino Pérez von Fernsehkameras bei einem vertraulichen Gespräch aufgezeichnet. Der Sportdezernentin von Madrid verriet er auf den Tribünen des Estadio Santiago Bernabéu, wie die mythische Arena in Zukunft heissen werde. «Wir werden es Ipic Bernabéu nennen, Cepsa Bernabéu – oder wie sie wollen.»
«Ipic» ist ein staatlicher Investmentfonds aus Abu Dhabi, «Cepsa» ein dazu gehörender spanischer Ölkonzern, und sie: das sind die Scheichs. Als Teil des Namensabkommens wird das Emirat den anstehenden Umbau des Bernabéu finanzieren. Der ist zwar vorerst gerichtlich gestoppt, wegen eines möglichen Zusammenhangs mit von der EU untersuchten illegalen Beihilfen der Stadt für den Verein, aber solche juristischen Spitzfindigkeiten haben Pérez noch nie lange aufgehalten.
«Einmal mehr sehen wir uns vor einer Herausforderung, die unsere Geschichte prägen wird», sagte der Präsident bei der Vorstellung der Pläne. «In diesem Stadion wurde ein grosser Teil unserer Legende geboren und hier wird unsere Grandezza weiter wachsen». Eine Traumlandschaft soll es werden, in der die Tore, welche die Mannschaft drinnen erzielt, draussen auf einer Videohülle gezeigt werden. «Es wird das beste Stadion der Welt sein», sagt Florentino Pérez. Was auch sonst.
Der Anspruch – die Nummer eins auf dem Planeten zu sein
Nummer Eins auf der Welt – das ist der Anspruch von Real Madrid, seit die ersten fünf Europapokale der Landesmeister geschlossen in die spanische Hauptstadt gingen und, kongenial begleitet von der beginnenden Epoche des Fernsehens, einen Mythos schufen, wie ihn im Fussball allenfalls noch die brasilianische Nationalelf darstellt. Die Nummer 1, der beste Club des Planeten – das wurde immer herunter gebetet bis zum Erbrechen. Sogar dann, wenn es mit der Realität mal wenig zu tun hatte.
Von 2005 bis 2010 erreichte Real Madrid nicht einmal die Viertelfinals der Champions League, derweil Erzrivale FC Barcelona mit einer perfekten Synthese aus Talent, Konzept und Moral zum universalen Lieblingsclub aufstieg. Mit Pep Guardiola ein ebenso charismatischer wie innovativer Trainer; eine Mannschaft, die Fussball wie Kunst aussehen liess und noch dazu überwiegend aus der eigenen Jugend kam; auf den Trikots das Logo von Unicef, für das man sogar noch Geld zahlte. Untersuchungen zeigten, wie die Anhänger in Millionen von Madrid nach Barcelona überliefen.
Als ihn Clubmitarbeiter vorige Saison bedrängten, doch ähnlich wie Mourinho bei seinen Pressekonferenzen die angebliche Benachteiligung durch die Schiedsrichter anzuprangern, soll er geantwortet haben: «Ich bin der einzige Mensch, der zweimal die Champions League als Spieler und als Trainer gewonnen hat. Ich muss nicht den Idioten geben, damit man mich respektiert.»
In Mailand (AC), London (Chelsea) und Paris (St. Germain) war Ancelotti schon erfolgreich, in Madrid entfaltet er seine volle Blüte. Um seinen Anteil zu würdigen, reicht etwa der Blick auf die Lage vor dem Hinspiel gegen den FC Basel im September. Kurz vor Transferschluss wurden mit Ángel Di María und Xabi Alonso zwei Drittel seines angestammten Mittelfelds verkauft.
Spiele gingen verloren, die Kritik tobte: Pérez habe die Mannschaft entkernt, ausgerechnet zwei der wenigen Teamplayer abgegeben und damit seine alten Fehler wiederholt. Niemand sah eine Lösung, Ancelotti fand sie. Sein Mittelfeld voller Spielmacher – Kroos, Modric, Isco, James – stellt sich in den Dienst der Mannschaft; und spielt trotzdem aufregenden Fussball.
Ein denkwürdiger Herbst als Beginn einer neuen Ära
Egal, wie diese Saison ausgeht, mit einer Serie von 14 Siegen und 56:8 Toren ab dem 5:1 im Hinspiel gegen Basel, hat Real schon einen denkwürdigen Herbst hinterlassen. Dieselben Kommentatoren, die im September noch verzweifelten, schreiben jetzt vom Beginn einer Ära, die zu den ganz besonderen im Fussball reifen könnte: wie das Ajax von Cruyff, das Milan von Sacchi, das Barça von Guardiola. Oder eben das frühe Real.
Sacchi selbst sagte jetzt in einem Interview, dass er es nicht anders sehe. Und dass sein ehemaliger Spieler Ancelotti der «Beste darin ist, das Beste aus jeder Situation zu machen». Der einzige Spitzentrainer, der immer mit dem zu arbeiten verstehe, was ihm vorgesetzt werde. Der, mit anderen Worten, bestmögliche Trainer für Real Madrid. Zu Pérez Ehrenrettung ist zu sagen, dass er Ancelotti schon immer haben wollte.
Pérez: ein furchtloser Präsident, der Club-Interessen mit denen seiner Baufirma zu verweben versteht.
Als «ser superior», als überlegenes Wesen bezeichnete Reals Ex-Stürmer und heutiger Funktionär Emilio Butragueño den Präsidenten mal in etwas seltsamen und oft verspotteten Worten. Auch seine Kritiker erkennen Pérez durchaus Talente an: dass er ein furchtloser Geschäftsmann ist und die Interessen des Clubs genial mit denen seiner Baufirma ACS zu verweben versteht; dass er ausgezeichnete Pressekontakte unterhält und ein brillanter Manipulator ist; dass er Justiz und Politik gut im Griff hat und die Ehrentribüne des Bernabéu zum institutionalisierten Get Together der spanischen Eliten ausbaute; dass er den Club auf sich zugeschnitten hat und jede mögliche Opposition geschickt durch Änderung der Vereinsstatuten ausmanövrierte. Nur eines wollen ihm viele partout nicht zugestehen: dass er etwas vom Fussball versteht.
Am Tag nach dem Sieg im jüngsten Clásico gegen den FC Barcelona – der Bestätigung des Zyklenwechsels – sah man den Präsidenten beim Spiel von Reals zweiter Mannschaft mit einem seligen Lächeln. Er wurde von den Fans gefeiert. Er schüttelte Hände. Der Mann ruht tief in sich: Endlich kann er mal nicht nur Rekordtransfers, Rekordprojekte und Rekordumsätze bekannt geben. Endlich ist Real auch auf dem Platz wieder die Nummer 1.