Es war der zentrale Satz in dem Interview, das die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» Ende Dezember mit Peter Fischer führte: «Es kann niemand bei uns Mitglied sein, der die AfD wählt», hatte der Eintracht-Präsident gesagt. Das konnte als Ankündigung der Vereinsspitze verstanden werden, Mitglieder der Rechtspopulisten aus dem Verein auszuschliessen.
Zweifel an der Umsetzung im Bundesliga-Alltag waren schon damals erlaubt. Wie etwa sollte der FC Bayern mit seinen knapp 300’000 Mitgliedern eine AfD-Mitgliedschaft herausfinden?
Markige Statements gegen Rechts
Mittlerweile hat Fischer bekräftigt, dass es ihm nicht um den Ausschluss von AfD-Mitgliedern oder -Wählern geht. Die Debatte, ob die Programmatik der AfD mit den Werten eines modernen Profifussballvereins vereinbar ist, ist in vollem Gange. Und offenbar war das auch genau das, was Fischer bezwecken wollte.
Bei der Frankfurter Mitgliederversammlung am vergangenen Wochenende klangen Fischers Klarstellungen jedenfalls eher als Aufforderung, rechtsradikal Denkende sollten doch für sich überprüfen, ob sie tatsächlich gleichzeitig bei einem Fussballverein Mitglied sein können, der sich als weltoffen versteht. Man könne nicht ein «Willensbekenntnis zu unserer Satzung abgeben und gleichzeitig eins zu der von den AfD-Funktionären propagierten Gesinnung».
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Eintracht so klar gegen die AfD positioniert. Vor einem Jahr, als der Thüringer AfD-Rechtsaussen Björn Höcke das Holocaust-Mahnmal in Berlin ein «Denkmal der Schande» nannte, gab Eintracht-Vorstandsmitglied Axel Hellmann den Ton vor: «Politische Neutralität hört auf, wo Satzungsthemen, die bei uns verankert sind, verletzt werden. Wenn sich ein Funktionär der AfD öffentlich sehr nahe an die Relativierung des Holocaust bewegt», müsse sein Klub Haltung zeigen.
«Es ist eine wichtige Aufgabe von Vereinen, Demokratie zu organisieren und zu leben.»
Eintracht-Präsident Fischer drückte sich 2013 sogar so deutlich aus, dass ihm danach Verharmlosung von Gewalt vorgeworfen wurde. Im Interview mit dem Magazin «11 Freunde» sagte er:
«Das braune Pack sollte jede anständige Kurve selbstständig aus dem Block prügeln. Das haben wir früher so gemacht, das wird in Frankfurt heute noch so gemacht. Deswegen haben wir eine so grosse und bunte Szene, wo wirklich jeder willkommen ist, dessen Herz für die Eintracht schlägt.»
Für den Berliner Philosophen und Sportwissenschaftler Gunter Gebauer entspricht diese vehemente Abgrenzung gegen Rechtspopulisten «dem Geist in der alten Kaufmannstadt Frankfurt, die vielleicht die liberalste Stadt Deutschlands ist». Doch so sympathisch Gebauers klare Statements gegen Rechts sind – lieber wäre es ihm gewesen, der Verein würde nicht derart mit Verboten kokettieren.
«Es ist eine wichtige Aufgabe von Vereinen, Demokratie zu organisieren und zu leben», sagt er. Aber Debatten – die ja eine klare Haltung nicht ausschlössen – seien ihm lieber als Zensur. «Mich erinnert das an die Berufsverbote gegen Kommunisten aus den Siebzigern. Ich hatte damals keinerlei Sympathie für die Sektierer von der DKP, aber mich hat es empört, dass sie nicht Beamte werden durften.»
Dass Werder Bremen 2011 das damalige NPD-Vorstandsmitglied Jens Pühse ausschloss – ein Beschluss, den das Landgericht Bremen für rechtens erklärte –, heisst Gebauer hingegen gut. «Aber bei allen kalkulierten Tabubrüchen und verfassungsfeindlichen Aussagen einzelner Funktionäre, ist die AfD doch deutlich weniger radikal als die NPD.»
Die Krux mit den unerwünschten Mitgliedern
Dirk Kindsgrab, Sportrechtler aus Essen, betont hingegen die juristischen Hürden bei einem Vereinsausschluss: «Ich finde es sehr löblich, dass sich ein Vereinsfunktionär mal traut, mehr zu sagen als die üblichen unverbindlichen Floskeln pro Toleranz. Aber das ist ein vereinspolitisches Statement ohne rechtliche Wirkung.» Mitglieder wieder loszuwerden, sei zudem deutlich schwerer als sie gar nicht erst aufzunehmen.
Tatsächlich ist eine Aufnahmeverweigerung vielerorts ohne inhaltliche Begründung möglich, bestätigen Vereinssprecher aus der ersten und zweiten Bundesliga. Sie berichten in diesem Zusammenhang unter anderem von Versuchen professioneller Schwarzhändler, Klubs beizutreten, um so an vergünstigte Tickets zu gelangen.
Hin und wieder wird mit verwehrten Mitgliedschaften auch Vereinspolitik gemacht – so wie vergangenes Jahr, als Hannover 96 119 Beitrittswillige nicht aufnahm, weil die Klubführung in ihnen Oppositionelle vermutete.
Die meisten Vereine haben Paragrafen gegen Rassismus und Gewalt in ihre Satzung aufgenommen.
Mitglieder ausschliessen können die meisten Vereine dann, wenn sie sich rassistisch verhalten oder äussern. Dynamo Dresden ging beispielsweise gegen Mitglieder vor, die an den Ausschreitungen gegen Flüchtlinge im Dresdener Umland beteiligt waren. Auch Fischers Eintracht würde das so handhaben – unter Berufung auf Paragraf 14 der Satzung, wo festgehalten ist:
«Der Ausschluss kann nur bei vereinsschädigendem Verhalten besonderer Schwere, insbesondere bei Fällen von Diskriminierung, Rassismus und Gewalt, erfolgen.»
Solche Paragrafen haben die meisten Vereine in ihre Satzung aufgenommen. Auch der SC Freiburg, wo die Paragrafen 2 und 4 den Ausschluss von rassistischen Agitatoren rechtfertigen würden. Wie ein Vereinssprecher erklärt, hat der SC Freiburg in seiner Satzung Werte wie Solidarität und Fairness fest verankert. «Der Verein tritt rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen entschieden entgegen.» Aber: Es habe den Verein nicht zu interessieren, welche Partei ein Mitglied wählt, das sich ansonsten satzungskonform verhält. «Parteipolitisch, weltanschaulich und konfessionell verhält sich der SC neutral.»
Das sieht auch Sprecher Markus Aretz von Borussia Mönchengladbach so. Vereinsmitglieder, die sich fremdenfeindlich oder homophob äussern, müssen jedoch mit Sanktionen rechnen – in schweren Fällen auch mit dem Ausschluss. «Wir kontrollieren nicht in jedem Einzelfall, ob Vereinsmitglieder Mitglieder in politischen Parteien sind, behalten uns aber bei jedem Antrag auf Mitgliedschaft vor, bei bekannten Gründen, die gegen eine Mitgliedschaft sprechen, diese zu verweigern», so Aretz.
Weitere Bekenntnisse gefordert
Beim Deutschen Fussball Bund (DFB) betont man derweil auf Anfrage, es gebe «von unserer Seite keine Richtlinie an die Vereine, wie mit Mitgliedschaften zu verfahren ist. Auch mit einer juristischen Bewertung können wir (…) leider nicht dienen». Auch hier erfolgt der Verweis auf die DFB-Satzung, wo es in Paragraf 2 heisst, man trete «verfassungsfeindlichen Bestrebungen sowie jeder Form von diskriminierenden oder menschenverachtenden Einstellungen und Verhaltensweisen entschieden entgegen».
Zurück zur AfD und nach Frankfurt. Dort hat Fischer am Sonntag seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, seine Branchen-Kollegen mögen seinem Beispiel folgen: «Es wird hoffentlich Statements geben – ganz deutliche. Und hoffentlich auch Nachahmer.»
Es deutet vieles darauf hin, dass dieser Wunsch realistischer ist als die Fiktion von einem Verein, in dem von Tausenden Mitgliedern kein einziges die AfD gewählt hat. Auch in der Mainmetropole entfielen bei der vergangenen Bundestagswahl gut neun Prozent der Zweitstimmen auf die Rechten.