Restspur einer Reform

Was von der Fifa in ihrem Reformprozess als Erfolg betrachtet wird, sehen kritischere Beobachter des Weltfussballverbandes ganz anders. Wichtige Punkte der Agenda sind entweder vom Tisch oder wurden an den Kongress im Mai delegiert.

(Bild: STEFFEN SCHMIDT)

Was von der Fifa in ihrem Reformprozess als Erfolg betrachtet wird, sehen kritischere Beobachter des Weltfussballverbandes ganz anders. Wichtige Punkte der Agenda sind entweder vom Tisch oder wurden an den Kongress im Mai delegiert.

An einer zweitägigen Sitzung des Exekutivkomitees (Exko) in Zürich stand der sogenannte Governance-Reformprozess zwar im Vordergrund. Viel kam jedoch nicht heraus. Zu einem der wichtigsten Punkte, die von einer Gruppe um den Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth ausgearbeitet worden war, die Alters- und Amtszeitbegrenzung, fand die Exekutive keinen klaren Standpunkt. Darüber soll der Kongress entscheiden.

Die Vollversammlung aller Verbände kommt Ende Mai auf der schönen Insel Mauritius zusammen. «Die Meinungen in den Konföderationen gehen weit auseinander. Einige sagen ja, andere lehnen das komplett ab. Der Ausgang ist offen», wird Theo Zwanziger zitiert. Der ehemalige Präsident des Deutschen Fussball-Bundes leitet die Statutenkommission, die die eigentlichen Grundlagen des künftigen Gebahrens an der Spitze des Weltfussballs ausarbeitet.

Offenbar vom Tisch ist eine unabhängige Überprüfung künftiger Exekutivmitglieder. Das war eine der Forderungen von Pieth in einem Sieben-Punkte-Papier. Für ihn war diese Prüfung der neuen Mitglieder «fast so wichtig» wie die Aufarbeitung der Vergangenheit, wie er der TagesWoche in einem Interview im April 2012 sagte. Blatter hat den Compliance-Experten aus Basel jüngst zurecht gewiesen und ihm dann einen Maulkorb verpasst. Öffentliche Äusserungen des international renommierten Professors zum Reformprozess sind inzwischen nur noch mit Blatters Segen gestattet.

Tritt Pieht nun zurück?

Gespannt darf man sein, wie nach dem minimalistischen Fortschritt von Zürich Pieths Reaktion ausfallen wird.

Update: Pieth will weitermachen

Die Kollegen von der «Frankfurter Allgemeine Zeitung» haben Strafrechtler Mark Pieht zu einem möglichen Rücktritt angefragt. Er will trotz seiner Enttäuschung weitermachen und hegt sogar noch Hoffnung, schreibt die Zeitung in einem Artikel von Donnerstagabend. «Das Ergebnis ist zwar nicht befriedigend. Aber es ist noch nicht der Zeitpunkt des Rücktritts. Herr Zwanziger hat mit seinem Nachher-vorher-Vergleich in gewisser Weise recht. Wir sehen hier nicht mehr den chinesischen Volkskongress vor uns, sondern einen Laden, in dem diskutiert wird. Darüber darf man nicht unglücklich sein», wird Pieth zitiert. Der Strafrechtsprofessor will also vorerst weitermachen mit seinen Angriffen auf Filz und Korruption: «Wir haben noch Pfeile im Köcher», sagte Pieth.

Immer wieder – und zuletzt deutlicher – hatte er seinen Rücktritt angekündigt, sollten zentrale und «unverzichtbare» Forderungen nicht erfüllt werden. Kritiker bezeichnen den Reformprozess der Fifa ohnehin als Inszenierung. In der «Süddeutschen Zeitung» hatte die Kanadierin Alexandra Wrage aus dem Pieth-Komitee in dieser Woche kein Blatt vor den Mund genommen. Es gäbe nur «kosmetische Verbesserungen ohne echte Veränderungen», und es würden «nur die Liegestühle auf der Titanic umgruppiert» (Artikel nicht online).

Auch der abschliessende Bericht der Ethikkommission zur ISL/ISMM-Affäre, in der Millionensummen an hohe Fifa-Funktionäre geflossen waren, lässt noch auf sich warten. Das vom US-Amerikaner Michael J. Garcia, dem neuen Chefermittler der Fifa erstellte Papier liegt bei Hans-Joachim Eckert, dem Vorsitzenden der neuen Spruchkammer der Fifa. «Bis zum 15. April sollen das Exekutivkomitee und die Öffentlichkeit informiert werden», hat Blatter angekündigt.

Zugeständnis bei der WM-Vergabe

Ein kleines Zugeständnis machte das Exekutivkomitee immerhin: Die WM soll in Zukunft durch den Fifa-Kongress (die Vollversammlung der Vertreter der Nationalverbände) vergeben werden, nicht mehr durch das Exko selbst. Die Änderung ist allerdings nur ein Vorschlag zur Reform der Statuten – letztlich bestimmt auch darüber die Vollversammlung auf Mauritius, berichten die Agenturen dpa und sid. Allerdings behält sich das Exko das Recht vor, eine Vorauswahl und Reduzierung auf maximal drei Bewerber zu treffen.

Bleibt zum Schluss noch eines zu sagen: Die Zeichen mehren sich, dass der am 10. März 77 Jahre alt gewordene Blatter 2015 ohne mit der Wimper zu zucken für eine weitere Amtszeit kandidieren will.

Wer sich selbst ein Bild von den kommunizierten Ergebnissen machen will, kann sich die Abschluss-Medienkonferenz der Fifa ansehen (ab Minute 8):

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