Es ist eine grosse Überraschung: Roger Federer hat sich spontan zu einer Teilnahme am Davis Cup entschieden. Mit dem Doppel Federer-Wawrinka steigen die Erfolgsaussichten beträchtlich.
Der Privatjet, der am späten Mittwochnachmittag auf dem Airport von Novi Sad landete, hatte zwei Passagiere an Bord, deren Kommen allgemein erwartet worden war: Severin Lüthi, der Schweizer Davis Cup-Kapitän. Und Stanislas Wawrinka, in Amt und Würden befindlicher Australian Open-König, «Mann der Stunde» im Welttennis. «Novi Sad» twitterte der Romand um 16.52 Uhr beim Touchdown auf dem Landefeld noch lapidar an seine Internet-Jünger, als ob es sonst nichts zu vermelden gäbe in dieser Stunde und an diesem Ort.
Doch Wawrinka hielt sich nur an ein Schweigegelübde, das sie sich alle im Team von Swiss Tennis auferlegt hatten. Das grosse Schweigen nämlich um den dritten Mann, der ebenfalls noch die Reise in die serbische Provinz angetreten war – kein anderer als Roger Federer höchstpersönlich, der sich in einer spektakulären, tatsächlich aufsehenerregenden Last Minute-Kehrtwende noch unter die eidgenössische Flagge verpflichtet hatte.
Look who I found in Novi Sad … @rogerfederer and Captain Severino! pic.twitter.com/nsq9IQYHiD
— Stanislas Wawrinka (@stanwawrinka) 29. Januar 2014
Federers Mitwirken – es schien einerseits ein Akt der Einsicht zu sein, in dieser Schaffensphase der Nationalmannschaft nicht teilnahmslos und desinteressiert wirkend im Abseits stehen zu können. Mehr noch, zeigte diese einigermassen sensationelle Zusage aber, dass nun auch Federer die grosse, grosse Chance realisiert hatte, die sich dieser Schweizer Auswahl in der Saison 2014 bietet – nämlich die Chance, mit einem Rekord Grand Slam-Champion und einem neuerdings zweiten Major-Gewinner erstmals den Titel holen zu können.
«Mit Federer und Wawrinka wird die Schweiz automatisch zu einem der grossen Favoriten», sagte Startrainer Niki Pilic, der ehemals Deutschland, Kroatien und Serbien zum Davis Cup-Sieg führte. Hinter den Kulissen hatte neben Coach Lüthi dem Vernehmen nach vor allem Verbandsboss Stammbach zuletzt noch vehement um Federers Start gekämpft und gebuhlt, entsprechend «erfreut» und «glücklich» gab der Oberfunktionär sich denn auch am Mittwoch.
Der Davis Cup, eine Lücke in Federers glanzvoller Bilanz.
Federer und der Davis Cup – das war bisher nicht wirklich eine Liebesbeziehung. Meist spielte Federer nur in den Relegationsmatches mit, in denen es um den Verbleib in der Weltgruppe ging. Seit 2005 ging er nur einmal in der ersten Runde an den Start, und diese Teilnahme endete 2012 ausgerechnet zuhause mit einer bitteren Niederlage gegen die USA. Federer verlor damals in Fribourg sein erstes, wegweisendes Einzel gegen den 2,06-Meter-Riesen John Isner.
Viele Davis Cup-Jahre fehlte Federer auch ein kongenialer Partner, ein zweiter starker Mann, um richtig Spass und Laune am Geschehen zu haben und eine Siegperspektive zu erkennen. Nun aber stellt sich die Lage gänzlich anders dar: In einer Saison, in der sich individuelle Grosstaten bei ihm nicht zwingend abzeichnen, könnte der grösste Zugewinn in einem Davis Cup-Gemeinschaftswerk liegen – in der Partnerschaft mit dem «Stantastischen», dem Freund, mit dem zusammen er auch schon die Goldmedaille in Peking holte. «Es wäre ein grosses emotionales Erlebnis für ihn», sagt der schwedische Ex-Superstar Mats Wilander, «und es wäre auch noch eine Lücke, die er in seiner grossartigen Bilanz schliessen würde.»
Gegen Serbien, das ohne seine drei Besten antritt (Djokovic, Tipsarevic, Troicki), hätte Wawrinka als Alleinkämpfer gleichwohl seine Schwierigkeiten gehabt – sicher wären wohl nur zwei Einzelpunkte gewesen, der Rest wegen der schwachen zweiten Schweizer Reihe komplett unsicher.
«Fedrinka» haben grosse Erfolgsaussichten
Doch mit «Fedrinka», mit Wawrinka als Nummer 1 und Federer als Nummer 2, sollte einem Erfolgserlebnis nichts im Weg stehen. Übrigens auch nicht in der zweiten Runde (Viertelfinale), in der es gegen den Sieger der Partie Kasachstan-Belgien geht. Erst im Halbfinale wartet dann ein dicker Brocken – vermutlich Frankreich oder die USA.
Kurios, aber wahr: Als eine Gruppe junger Serben am Mittwochabend zufällig am Flughafen auf Federer stiess, sagte einer zu ihm: «Mann, du siehst tatsächlich wie Roger Federer aus.» Woraufhin der Altmeister nur einen coolen Return setzte: «Ich bin Roger Federer.»