Cristiano Ronaldo und Real Madrid leisten sich grad das grösste Schisma aller Zeiten: Der grösste Spieler gegen den grössten Club. Am Confed Cup in Russland steht der Portugiese deshalb noch mehr im Mittelpunkt als sonst.
Es könnte eine Stellensuche sein: Fussball-Star will weg von Real Madrid und dem spanischen Finanzamt. Aber natürlich kommen nur wenige Firmen in Betracht. Der FC Barcelona aus naheliegenden Gründen nicht. Der grösste englische Club Manchester United schon eher, aber da war Cristiano Ronaldo bereits, ausserdem kann der ihm derzeit kaum eine Mannschaft seines Niveaus bieten, und nur den von ihm wenig geschätzten Vorarbeiter José Mourinho.
Seit Neuestem ist jetzt auch Bayern München im Gespräch, mit seinem sehr viel sympathischeren Ex-Trainer Carlo Ancelotti. Vielleicht wäre das sogar die beste Lösung für das Schisma, das die Fussball-Welt in Atem hält: Grösster Club versus grösster Spieler – wer hat mehr zu verlieren?
Eine Häuserwand für CR7
Auch der Confed Cup kennt natürlich kaum ein grösseres Thema. Wobei man die Behörden fast fragen müsste, ob ein Turnierjournalist wie ich überhaupt aus Russland darüber berichten darf, denn das ist laut Visa-Richtlinien «ausschliesslich über den Fifa Konföderationen-Pokal 2017» erlaubt. Bei grosszügiger Auslegung fällt Ronaldos Vereinszukunft allerdings unter den Zusatz «und damit verbundene Ereignisse».
Also weiter im Text und sei’s drum: Ronaldo steht einfach noch mehr im Mittelpunkt als sonst immer. Auf keinen haben sie sich hier mehr gefreut, das Spiel der Russen gegen Portugal am Mittwoch ist praktisch ausverkauft und in Kasan haben sie sogar eine Häuserwand mit einem riesigen CR7 besprayt. Dort sollte er Europameister Portugal am Sonntag beim Auftakt gegen Mexiko wie gehabt als Kapitän aufs Feld führen.
Nach Spanien fliegt er nicht mehr
Das Turnier will er gewinnen, das hat Ronaldo selbst gesagt. Aber nach Spanien fliegt er nicht mehr zurück, wie sein mächtiger Agent Jorge Mendes am Freitag über seine portugiesische Hauszeitung «A Bola» verbreiten liess. Die Entscheidung sei «unumstösslich» und Real-Präsident Florentino Pérez bereits informiert. Zu gross sei die Empörung über die Anzeige wegen möglicher Steuerhinterziehung in Höhe von 14,7 Millionen Euro.
Und wo alle Welt am Wochenende auf ein Dementi wartete, liess der Berater den Konflikt nur weiter eskalieren: Hier ein Angebot von United, da Fotos von einem Treffen mit Paris Saint-Germain, dort der Instagram-Eintrag eines Journalistenfreunds: «(Ronaldo) wirkt sehr verärgert über seinen Verein.»
Briefkastenfirma hier, Briefkastenfirma dort
Real trage zumindest eine Mitschuld an den beanstandeten Finanzkonstruktionen, auch diese Nachricht lässt Mendes kursieren. Mit solchen Nebelkerzen verhüllt er allerdings nur, dass es um ihn ebenso ernst steht wie um seinen Star. Zahlreiche seiner Klienten und Ex-Klienten sind bei der spanischen Steuerfahndung aktenkundig, immer geht es um Briefkastenfirmen. Radamel Falcao, ehemals Stürmer von Atlético Madrid, sagte vor Gericht sogar aus, Mendes habe sich das System miteinfallen lassen – weshalb auch gegen den Berater jetzt ermittelt wird. Diese News passt wiederum Real ganz gut.
Im seit Tagen währenden PR-Krieg war der Club Ronaldo zwar mit einem Kommuniqué zur Seite gesprungen (was er gegen andere von Steuerverfahren betroffene Profis wie Pepe oder Luka Modric nie tat). Aber es gab auch die Geschichte, wonach vereinsnahe Medien gebeten worden seien, ihn bei Nachrichten über die Steueraffäre doch lieber im portugiesischen Trikot abzubilden.
Fertig Bibäbelen
Zusätzlich geschockt haben dürften Ronaldo die kühlen Antworten auf seine Abschiedsdrohung. Man hoffe auf Besinnung, lancierte Real, werde aber niemanden gegen seinen Willen dabehalten. Auf keinen Fall erpressbar werden lautet die Devise – sie wurde bereits in Fällen wie Mesut Özil oder Ángel Di María hart erprobt, wegen der Stardichte bei Real Madrid hält das Kader sie eisern hoch. Wobei: Bei Ronaldo gab es einmal eine Ausnahme. Als er nämlich 2012 verlautbaren liess: «Ich bin traurig, und der Verein weiss, warum», bekam er alsbald seinen Vertrag verlängert. Aber da war er auch noch fünf Jahre jünger.
Jetzt ist er 32 und hat an sich noch einen Vertrag bis 2021, aber auch nach Barcelona geschaut und gesehen, wie sich der Verein bis zur Selbstdemütigung mit dem Steuersünder Lionel Messi solidarisierte («Wir sind alle Messi») und ihm die Verluste durch eine satte Gehaltserhöhung zu kompensieren bereit scheint. Real will diesen Weg offenbar nicht gehen, es hat viel Offensivtalent im Kader und notfalls einen alten Plan von Pérez in der Schublade: die Thronübergabe an den einst zu genau diesem Zweck verpflichteten Gareth Bale. Das Projekt wurde zuletzt durch Ronaldos brillante Form und die Verletzungsanfälligkeit des Walisers aufgeschoben.
Bei 200 Millionen Euro soll das Preisschild hängen, aber es würde wohl auch billiger gehen. Ronaldos neuer Verein könnte sich nicht nur auf ein Marketingmonster freuen, sondern auch auf einen Profi, der dank seiner Konversion zum Mittelstürmer und eiserner Körperpflege bis an die 40 Jahre spielen will. Paris, Manchester, München: allesamt sind sie kein Real Madrid. Abgesehen davon, dass Ronaldo den schlechten Eindruck machen würde, vor einem Verfahren davonzulaufen. Ein Verfahren, notabene, das ihn auch aus dem Ausland beanspruchen würde.
Spielerkarrieren, selbst seine, gehen irgendwann zu Ende, Vereine bleiben ewig. Real versteht das einzusetzen, und so ist die Ausgangslage in der Seifenoper des Sommers an sich schnell umrissen: Niemand hat mehr zu verlieren als Cristiano Ronaldo.