Der Konsument des Unterhaltungsguts Fussball neigt dazu, die Dinge schwarz oder weiss zu sehen. Die Medien, die dieses Unterhaltungsgut artig begleiten, oftmals auch. Wenig spielt sich in der öffentlichen Wahrnehmung in den Grautönen ab. Entweder befindet sich eine Mannschaft in einem Hoch – oder in einem Tief.
Der Weg vom einen Zustand in den anderen ist dabei kurz. So liessen Presse und Anhängerschaft kaum ein gutes Haar am FC Basel, als er sich mehr schlecht als recht durch den Anfang der Saison quälte, mit Niederlagen gegen ein bescheidenes Lausanne oder den FC St. Gallen, mit Unentschieden gegen ein eingebrochenes Lugano oder den kriselnden FC Sion.
Ein 5:0-Sieg gegen Benfica Lissabon in der Champions League, bei dem sich das Gros der Betrachterinnen verwundert die Augen rieb, veränderte alles. Zudem ist das überzeugende 4:0 gegen den FC Lugano vom Wochenende noch in den Köpfen. Und als hätte der FC Basel damit mal eben schnell die Fussballwelt aus den Angeln gehoben, sagt Marco Streller vor dem dritten Spiel in der Champions League: «Wir müssen bescheiden bleiben und Respekt und Demut zeigen.»
Das mag ein wenig übertrieben klingen vom Sportchef eines Teams, das in der Meisterschaft fünf Zähler hinter der angestrebten Spitze liegt und auf die Gala gegen Lissabon in der heimischen Liga ein 0:0 gegen die Grasshoppers von überschaubarer Qualität folgen liess. Aber man darf Streller zustimmen, wenn er kurz vor dem Abflug nach Moskau sagt: «Wir haben eine gute Phase und sind in der Saison angekommen.»
«Ideal wären vier Punkte aus diesen beiden Spielen» FCB-Sportchef Marco Streller
Am Mittwoch (20.45 Uhr, SRF 2) geht es für die Basler weiter in der Champions-League-Gruppe A. Der FCB und der Gegner ZSKA Moskau, die zum ersten Mal aufeinandertreffen, haben nach zwei Partien je drei Punkte, Basel steht wegen des besseren Torverhältnisses (5:3 zu 3:5) hinter dem makellosen Manchester United an zweiter Stelle.
Mit vier Spielen zu null im Rücken
Das gute Zeugnis stellt Streller seiner Mannschaft vor allem deswegen aus, weil sie in den letzten vier Spielen ohne Gegentor geblieben ist, «diese Stabilität ist wichtig». In der gleichen Periode erlebte die Offensive mit zehn Treffern und – abgesehen vom harmlosen Auftritt gegen GC – ebenfalls eine Art Hochzeit.
Auch sie wird gegen Moskau gefordert sein. Denn in der Endabrechnung könnte die Tordifferenz in der Direktbegegnung gegen die Russen zählen. Auswärtstore wären hilfreich. «Es geht jetzt auch um das Weiterkommen», sagt Streller mit neu gefundenem Selbstbewusstsein. «Diese Partie in Moskau ist deswegen wegweisend. Sollten wir gewinnen, hätten wir in Basel gar einen Matchball.»
Zwei Wochen nach dem Hinspiel kommt ZSKA nach Basel zum zweiten Duell der Mannschaften, die zumindest auf dem Papier zum Rennen um Platz drei angetreten waren, nach den ersten beiden Runden aber um Platz zwei kämpfen. «Ideal wären vier Punkte aus diesen beiden Spielen», sagt Streller zum Ziel, das mehr Wunsch denn Vorgabe sein kann. Denn Basel trifft auf eine Mannschaft, die in der Meisterschaft zwar nicht vollends überzeugt, international aber auftrumpft. Gegen Schweizer Teams ohnehin – die Moskauer gewannen alle vier Spiele: zwei gegen YB, zwei gegen Lausanne.
Und wie Basel gewann ZSKA in diesem Jahr gegen Lissabon. In der Qualifikation zeigte der einstige Armeeclub zudem gegen die Young Boys eine Leistung, die vor allem in Sachen Konterqualitäten aufhorchen liess.
«Moskau hat sehr viel Erfahrung und ist technisch stark», sagt FCB-Trainer Raphel Wicky über den Gegner, der zum fünften Mal in Folge und elften Mal insgesamt in der Champions-League-Gruppenphase steht. «Sie sind gross, kräftig, schnell und abgezockt», sagt Streller über die Russen. Der Sportchef ist sich sicher, «dass sie sich nicht aus der Ruhe bringen lassen – mit ihren russischen Bären hinten in der Abwehr».
Hoffen auf die schnellen Jungen
Die Defensive der Russen ist etwas in die Jahre gekommen, und hinter ihr steht der ewige Igor Akinfeev im Tor, der seit 41 Champions-League-Spielen nicht mehr ohne Gegentor geblieben ist. Gegen diese Abwehr, die wie diejenige der Basler auch gegen Manchester an ihre Grenzen gekommen ist, darf sich der FC Basel mit seiner schnellen und vor allem jungen Offensive Chancen ausrechnen.
«Wir glauben an die Jungen und vertrauen ihnen.» FCB-Sportchef Marco Streller
Wicky, der lediglich auf den langzeitverletzten Ricky van Wolfswinkel verzichten muss, hat diesbezüglich mehrere Optionen: Sollte er wie erwartet mit einer 3-4-3-Grundordnung antreten, dann dürfte Albian Ajeti nach der feinen Vorstellung in Lugano als Mittelstürmer auflaufen; auf dem linken Flügel wäre es eine Überraschung, wenn nicht der formstarke Mohamed Elyounoussi (Hattrick gegen San Marino und Tor gegen Lugano) zum Einsatz käme; und auf der rechen Seite könnte Wicky entweder Dimitri Oberlin aufstellen, der sich mit seinem Kontertor gegen Lissabon in die Herzen des Anhangs gespielt hat, oder Renato Steffen, der in internationalen Spielen mehr Erfahrung als der 20-jährige Oberlin aufweist.
Wie auch immer die Startformation gegen den Dritten der russischen Premjer-Liga aussieht: der eine oder andere junge Spieler wird zum Einsatz kommen. Nur Dominik Schmid und Afimico Pululu sind für die Youth League abgestellt worden, alle anderen Jungen gehören zum Kader der ersten Mannschaft.
Sehr zur Freude Strellers. Nicht ohne Stolz blickt er am EuroAirport auf das Wochenende zurück, als drei der vier Tore Spieler aus dem eigenen Nachwuchs erzielten. «Wir glauben an die Jungen und vertrauen ihnen», sagt der Sportchef, der sich immer mehr bestätigt fühlt, dass das Jugendkonzept der neuen Führung das Richtige sei.
Allerdings weiss auch Streller, wie tückisch die Situation des FC Basel ist: Auch wenn die Resultate besser würden und die Jungen bei ihren Einsätzen immer öfters überzeugten, werde die Partie in Moskau sehr schwierig, sagt er. «Wir wissen, wie schnell es in diesem Business auf und ab geht.»
Tatsächlich würde eine Niederlage in Moskau wieder jede Menge Fragen aufwerfen. Denn mit dem historischen Sieg gegen Lissabon, dem höchsten Champions-League-Erfolg der Vereinsgeschichte, hat der FC Basel Erwartungen geweckt. Erwartungen bei einer Öffentlichkeit, die die Dinge oft schwarz oder weiss sieht.
Björn Kuipers als gutes Omen?
Schiedsrichter der Partie ist Björn Kuipers. Mit dem Holländer verbinden die Basler beste Erinnerungen: Der 44-Jährige leitete 2011 die Partie FC Basel–Manchester United, die der FCB 2:1 gewann und die als Mutter aller magischen Nächte in die Vereinsgeschichte eingegangen ist. Insgesamt leitete Kuipers drei Mal ein Spiel der Basler: Neben dem Sieg gegen Manchester war er auch der Schiedsrichter bei der 2:3-Niederlage gegen Rom (2010) und beim 1:1 gegen Liverpool (2015).
Taulant Xhaka droht Sperre
Der defensive Mittelfeldspieler ist der einzige Basler, der bei einer gelben Karte im Rückspiel gegen Moskau gesperrt wäre.