Als am Samstag in der 38. Minute ein Schuss von der Strafraumgrenze im Kasten von FK Krasnodar einschlug und damit das Spiel zwischen dem Verein aus dem Süden Russlands und ZSKA Moskau entschied, da war es, als hätte sich noch einmal eine längst vergangene Ära zu Wort gemeldet. Der Name des Torschützen: Aleksei Beresuzki (35). Zusammen mit seinem Zwillingsbruder Wassili, Russlands Rekordnationalspieler Sergei Ignashevich (38) und dem damals erst 19-Jährigen Torhüter Igor Akinfeev hat der Innenverteidiger 2005 den Uefa-Cup gewonnen.
Zusammen bringen sie es auf 374 Länderspiele und sind so etwas wie das Symbol der Ära Jevgenij Giner geworden. Der ukrainische Geschäftsmann wurde 2001 Präsident und leitete die erfolgreichste Epoche des vom Verteidigungsministerium alimentierten Clubs ein. Sechs Meistertitel, sieben Pokalsiege und als Krönung 2005 der erste Europapokal-Triumph in der Geschichte des russischen Fussballs stehen im Palmarès. Dazu kommen sieben weitere Meisterschaften aus Sowjetzeiten.
Akinfeev, die Beresuzkis und Ignashevich – dieses ewige Quartett dürfte nun bald in Rente gehen. Und mit ihm auch ihr Präsident. Jevgenij Giner soll sich am Bau des neuen 350 Millionen Euro teuren Stadions und einem Investment im Energiesektor auf der Krim verhoben haben. Auf den Plan tritt nun ein alter Freund, der schon immer hinter dem undurchsichtigen Firmengeflecht von ZSKA Moskau vermutet wird: Roman Abramowitsch.
Spekulationen über einen Einstieg der Abramowitschs
Anfang September haben mehrere russische Zeitungen, darunter der weit verbreitete «Sport Express», von einer bevorstehenden Übernahme des Vereins durch den ältesten Sohn des Chelsea-Eigentümers Arkadiy berichtet. Der ist zwar erst 24 Jahre alt, aber mit Beteiligungen an Gas- und Erdölfirmen selber schon 2,8 Milliarden Euro schwer.
2010 soll der damals erst 17-jährige Abramowitsch-Sohn versucht haben, den FC Kopenhagen zu kaufen. Und nun also ZSKA. Giners Anteile (75 Prozent, die übrigen 25 gehören der russischen Armee) sollen 250 Millionen Euro wert sein. Kein hoher Preis, wenn man bedenkt, dass damit ein alter Traum Roman Abramowitschs in Erfüllung gehen könnte.
Schon als Kind soll der Oligarch leidenschaftlicher Anhänger der rotblauen Fussballer vom Leningradski Prospekt im Nordwesten von Moskau gewesen sein. 2004 war er dann über seinen Erdölkonzern Sibneft (2005 in Gazprom eingegliedert) als Sponsor eingestiegen und investierte in kurzer Zeit über 50 Millionen Euro. Schon wenig später musste er sein Engagement allerdings zurückschrauben, da die Uefa die Teilnahme mehrerer Vereine mit demselben Eigentümer in einem ihrer Wettbewerbe nicht erlaubt.
Abramowitschs alter Weggefährte Giner gab sich in der Vergangenheit gern ausweichend, wenn es um die wahren Besitzverhältnisse bei ZSKA Moskau ging. Mal stellte er sich als alleiniger Besitzer dar, dann wieder sprach er von weiteren Aktionären. Einer davon soll schon immer der Spezie von der Stamford Bridge gewesen sein.
Spitzenplatz im europäischen Schulden-Ranking
Womöglich ist das Versteckspiel bald vorbei. Für ZSKA würde der Einstieg der Abramowitschs jedenfalls zum richtigen Zeitpunkt kommen. Die Helden des Uefa-Cup-Triumphs treten langsam ab, und das einstige Wunderkind des russischen Fussballs, Alan Dzagoev (27), kommt auch langsam in die Jahre, ohne dass die prophezeite Karriere die ganz grosse geworden ist.
Geld für prominente Neuzugänge ist nicht vorhanden. Die Transferausgaben vor der laufenden Saison beliefen sich auf null, und der Marktwert des Kaders hat sich innerhalb der vergangenen fünf Jahre mehr als halbiert. Im Uefa-Ranking der am höchsten verschuldeten Clubs Europas wird ZSKA Moskau mit 224 Millionen Euro in den Miesen auf Rang sieben geführt. Eine Liste übrigens, die von den beiden anderen Basler Gruppengegnern angeführt wird:
Grund dafür ist vor allem der Bau des neuen Stadions für 30’000 Zuschauer, ganz in der Nähe des traditionellen ZSKA-Geländes. Die VEB-Arena – benannt nach der Bank für Aussenhandel – ist ein architektonischer Prachtbau mit einem Business-Turm, der der Uefa-Cup-Trophäe nachempfunden ist.
Die Kosten von über 300 Millionen Euro hat der Verein komplett selber finanziert und wurde dafür vom Präsidenten des russischen Fussballverbandes ausdrücklich gelobt. ZSKA, so Vyacheslav Koloskov, sei einer von lediglich fünf Vereinen, die in der russischen Liga ohne staatliche Hilfe überleben können.
41 internationale Spiele lang nicht ohne Gegentor geblieben
Doch Überleben dürfte den Abramowitschs zu wenig sein. Ihr Name steht für Erfolg, vor allem auch auf internationalem Parkett. Und dort haben die Rotblauen seit 2005 nicht mehr viel erreicht. In den letzten zehn Jahren konnte man sich zwar achtmal für die Champions League qualifizieren, aber nur zweimal schaffte man es über die Gruppenspiele hinaus – 2010 in die Viertelfinals gegen Inter Mailand und 2012 in die Achtelfinals gegen Real Madrid.
Seit über zehn Jahren hat ZSKA Moskau in jedem Spiel der Champions-League-Gruppenphase oder der K.o.-Runde einen Gegentreffer kassiert. Torhüter Akinfeev musste dabei in 41 Spielen hintereinander mindestens einmal hinter sich greifen.
Immerhin kann die «Rote Armee» auf eine junge Offnsivtalente blicken. Konstantin Kuchaev (19) gehört dazu, und vor allem auf Timur Zhamaletdinov ruhen dabei die Hoffnungen. Der 20-Jährige wird mit seinem bulligen Körperbau und dem explosiven Antritt gern mit Luis Suarez verglichen und erzielte im ersten Champions-League-Gruppenspiel bei Benfica Lissabon den 2:1-Siegtreffer.