Was ist für den FC Basel in Moskau möglich?

In der heimischen Liga hat der FC Basel in die Spur gefunden, und in der Champions League geht er am Mittwoch die nächste Aufgabe mit dem Rückenwind an, der ihm der Sieg gegen Benfica verliehen hat. Der ZSKA Moskau erscheint gerade in seinem eigenen Stadion nicht als ein allesfressendes Monster. 

Auf den Schwingen mutmachender Leistungen: Mohamed Elyounoussi (hinten) und Albian Ajeti beim Sieg in Lugano, mit dem der FC Basel nun nach Moskau aufbricht. (Bild: Daniela Frutiger/freshfocus)

«Jeder Sieg hilft», sagte Raphael Wicky am späten Samstagabend im Cornaredo. Nach einem unangefochtenen Basler 4:0 gegen Tabellenschlusslicht Lugano. Die Leistung verleiht dem Meister und seinem Trainer Rückenwind in der Super League und gibt ausserdem eine Extraportion Zuversicht für die Champions League am Mittwoch. Dass es in Moskau keinen Spaziergang für den FC Basel geben wird, muss man eigentlich nicht besonders hervorheben. Aber was bedeutet es, wenn Raphael Wicky von einem «brutal schwierigen Spiel» spricht?

Der ZSKA hat am Samstag seine Aufgabe in der Premier Liga mit einem 1:0-Auswärtssieg in Krasnodar erledigt. Verteidiger-Urgestein Vasili Berezutski (35) erzielte kurz vor der Pause mit einem abgefälschten Schuss das entscheidende Tor, das Moskau im Verfolgerduell auf Platz 3 hinter Spitzenreiter St. Petersburg hievte.

Die russische Premier Liga

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Furchteinflössend sieht die Zwischenbilanz des ehemaligen Armee-Clubs jedoch nicht aus. Der 2:1-Erfolg in der Champions League bei Benfica sticht heraus, schon das Heimspiel gegen Manchester United war ernüchternd (1:4), und grosse Stricke zerrissen hat die Mannschaft des weissrussischen Trainers Viktor Goncharenko noch nicht.

ZSKA – im eigenen Stadion nicht unbedingt ein Monster

ZSKA-Trainer Viktor Goncharenko.

Aus den 13 Ligaspielen (7 Siege, 3 Remis) resultiert ein Torverhältnis von 15:9, und in den letzten fünf Spielen hat der ZSKA nur zwei Mal getroffen. Alle drei Niederlagen in der Premier Liga kassierte er daheim in der 2016 eröffneten, 300 Millionen Dollar teueren und 30’000 Zuschauer fassenden VEB-Arena. Und den Tiefpunkt dieser Saison erlebte der Club vor dreieinhalb Wochen mit dem Ausscheiden im russischen Pokal beim zweitklassigen Avangard Kursk.

Der ZSKA erscheint insbesondere im eigenen Stadion nicht unbedingt als ein allesfressendes Monster. Wicky und sein Staff haben bei der Analyse festgestellt, dass es den Moskauern ganz ähnlich ergeht wie ihnen selbst: In der heimischen Liga sind die Moskauer durch die Gangart der Gegner dazu verdonnert, das Spiel zu machen und den Ball zu dominieren. In der Champions League hingegen stand die Mannschaft deutlich tiefer.

In die Jahre gekommen: Sergey Ignashevich, Innenverteidiger von ZSKA, hier von Romelu Lukaku so überfordert, wie es der Stürmer von Manchester United auch schon gegen Basel demonstriert hat.

Den Weg in die Gruppenphase, an der sie zum elften Mal und nun fünf Mal in Folge teilnehmen, haben die Moskauer mit einem makellosen Qualifikationsparcours geschafft gegen AEK Athen (2:0, 1:0) und die Young Boys (1:0, 2:0). Gerade gegen die Berner hinterliessen sie den Eindruck einer sehr routinierten Mannschaft, die in ihrer 3-5-2-Grundordnung die Räume zu bewirtschaften weiss.

Gegen Oldie Ignashevich hat Wicky sogar noch gespielt

Gegen Manchester United wurde die Abwehr allerdings vor allem in der ersten Halbzeit völlig zerzaust. Das 1:4 war die höchste Heimniederlage im Europacup, und es drängt sich eine Parallele zu Benfica auf: Der Dreier-Abwehrblock von ZSKA ist ähnlich in die Jahre gekommen wie jener von Benfica.

Gegen den 38-jährigen Sergey Ignashevich hat Raphael Wicky sogar noch selbst gespielt. In der EM-Qualifikation 2004, zu Zeiten, als die Schweizer Nationalmannschaft noch mit Jörg Stiel, mit den Yakin-Brüdern, mit Alex Frei und Stephane Chapuisat besetzt war.

So entspannt wie in Lugano hat man Raphael Wicky noch nicht oft als FCB-Trainer erlebt.

Ein bisschen Honig saugen kann der FC Basel ausserdem aus der positiven Bilanz gegen russische Clubs. Seit 1970 und dem ersten von insgesamt sechs Aufeinandertreffen mit Spartak Moskau, kommt der FCB in elf Spielen gegen russische Gegner auf fünf Siege, zwei Unentschieden und vier Niederlagen. Das jüngste Duell war jenes im Frühjahr 2013 in St. Petersburg, als der FCB in St. Petersburg 0:1 verlor, aber durch das 2:0 im Heimspiel weiterkam bis in die Halbfinals der Europa League.

Korridore für Oberlin & Co.

Es ist davon auszugehen, dass Wicky in Moskau seine Startelf fast deckungsgleich zu der beim 5:0 gegen Benfica aufstellen will. Mit dem Dreier-Block in der Verteidigung. Dazu müsste allerdings Eder Balanta, einer der herausragenden Basler Akteure gegen Lissabon, einsatzbereit sein. Er laboriert an Kniebeschwerden und müsste sich quasi aufraffen für den Abend in der russischen Hauptstadt. Anschliessend könnte er wieder den Schongang einlegen, da er noch zwei Spiel-Sperren absitzen muss.

Dem Wunderknaben Dimitri Oberlin könnten sich in der dichten Atmosphäre der VEB-Arena, benannt nach der russischen Bank für Aussenwirtschaft, wieder vergleichbare Korridore öffnen wie gegen Benfica. Am Samstag in Lugano sass er auf der Bank. Das hatte, so die Auskunft des FCB, nichts damit zu tun, dass er, wie unter anderem die «bzbasel» berichtet, in Österreich wegen schwerer Körperverletzung gegen seine ehemalige Lebensgefährtin angeklagt worden ist. Sondern mit einer Erkältung, die vergangene Woche nicht das komplette Trainingspensum zugelassen hat.

Dimitri Oberlin (links) in Lugano auf der Reservebank des FCB. In Moskau könnten die Umstände wieder dem Wunderknaben zupass kommen.

Eine Position muss Wicky im Vergleich zur Benfica-Show auf jeden Fall neu besetzen, nach dem Ricky van Wolfswinkel in der Schlussphase gegen die Portugiesen einen Mittelfussbruch erlitten hat. Rückkehrer Albian Ajeti bietet sich mit seiner körperlichen Robustheit dabei genauso an wie Mohamed Elyounoussi, der sich in Lugano in glänzender Form präsentierte und für den ausserdem das bisschen mehr an Erfahrung auf diesem Niveau spricht wie auch der Speed, den der Norweger mitbringt.

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Keine 48 Stunden zwischen Rückkunft und Anpfiff gegen Thun

Wie auch immer: Es könnte in der russischen Metropole mehr für den FC Basel drinliegen, als man es nach dem ersten Spieltag der Champions League noch zu hoffen gewagt hatte. «Die Ausgangslage ist nicht so schlecht, die wir uns mit dem Benfica-Spiel geschaffen haben», sagt Marco Streller.

Die Umstände der Moskau-Reise bergen für Wicky jedoch noch andere Fallstricke. Der Rückflug am Donnerstag mit einer Chartermaschine der Fluggesellschaft Germania landet erst nach 21 Uhr in Basel-Mulhouse. Keine 48 Stunden später wird im St.-Jakob-Park bereits das Heimspiel gegen Thun angepfiffen. Und dass ihm diese Partie ähnlich am Herzen liegt wie der Auftritt auf der Champions-League-Bühne, das hat Wicky bereits in Lugano zu verstehen gegeben.

Die 2016 eröffnete VEB-Arena, wo der ZSKA Moskau am Mittwoch den FC Basel empfängt.

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