Der FC Basel hat das Hinspiel im Europa-League-Sechzehntelfinal verloren. Gegen das französische Spitzenteam AS Saint-Etienne, das von vielen als leichter Gegner abgetan worden war. Die Erwartungshaltung der Fussballkonsumenten deckt sich nicht mit dem Saisonziel des Vereins, der europäisch überwintern wollte.
Bernhard Heusler steht an der Glasfront in der Abflughalle des Flughafens in Saint-Etienne. Der Präsident des FC Basel trägt eine Plastiktüte des gegnerischen Vereins, Inhalt unbekannt. Möglicherweise überbrachte ihm sein französischer Amtskollege damit Geschenke am offiziellen Abendessen.
Das gemeinsame Essen am Abend vor dem Spiel gehört zum Rahmenprogramm europäischer Begegnungen, sowohl in der Champions League als auch in der Europa League. Im kleineren der beiden Wettbewerbe verlor der FCB am Donnerstag gegen die AS Saint-Etienne mit 2:3. Die Tür zum Achtelfinal steht für den Schweizer Meister offen, eintreten könnte aber ebenso der französische Rekordmeister.
Als «Les Verts» als Gegner bekannt wurden, setzte sich in den Köpfen vieler der Gedanke fest: kein attraktiver Gegner, dafür ein sportlich einfaches Los. Im mittleren Drittel der Ligue 1 war Saint-Etienne damals klassiert, hatte ebenso viele Spiele verloren wie gewonnen und schien mit durchschnittlich gut einem Tor pro Partie keine offensive Übermacht zu sein.
Victor Moses vom FC Chelsea erzielt gegen Yann Sommer im Europa-League-Halbfinal ein Tor – ein europäischer Höhepunkt in der Geschichte des FC Basel, der die Erwartungshaltung in die Höhe schraubte. (Bild: Reuters/EDDIE KEOGH)
Die Freiheit der eigenen Zieldefinition
Dass zudem der Final der Europa League am 18. Mai im Basler St.-Jakob-Park stattfindet, bildete den Boden, auf dem die Wünsche und Träume der Fussballinteressierten wuchsen: ein Final der eigenen Mannschaft im eigenen Stadion, ein «Finale dahoam», wie es in der grossen Münchner Fussballwelt hiess. Das Gedankenspiel des Anhangs liegt nahe, zumal die Basler vor drei Jahren erst im Halbfinal an Chelsea gescheitert waren.
Nur: Die Fans sind nicht die Vereinsleitung. Oder wie es Heusler kurz vor dem Rückflug nach Basel ausdrückt: «Ein Fan ist nie zufrieden. Das ist der Unterschied zwischen dem Fan und denjenigen, die die Ziele des Vereins formulieren. Der Fan will, dass wir den Europa-League-Final erreichen und diesen auch gewinnen.»
Der FCB versucht, diese Erwartungshaltung im Rahmen zu halten, vor allem dann, wenn sie nicht den Zielen des Vereins entsprechen: «Wir müssen uns die Freiheit nehmen, unsere Ziele selbst zu formulieren und sie uns nicht von aussen diktieren zu lassen», sagt der Präsident. «Unser Ziel war es immer, europäisch zu überwintern, in diesem Club hat nie jemand etwas anderes behauptet. Wenn uns das von den Medien in den Mund gelegt wird, dann ist das so. Aber wir messen uns an den Zielen, die wir uns gesetzt haben.»
«Es wird in diesem Club keinen geben, der grosse Ankündigungen macht»
Aus der Serie von sechs Meistertiteln, den europäischen Erfolgen der letzten Jahre sowie der Dominanz in der Liga erwächst Druck. «Der Trainer von Saint-Etienne steht aber ebenso unter Druck wie Urs Fischer. Und Bernhard Heusler steht ebenso unter Druck wie der Präsident von Saint-Etienne.»
Fabian Frei erzielt an der Anfield Road gegen den FC Liverpool in der Champions League das 1:0 – ein weiterer Höhepunkt, nach dem die Erwartungshaltung grösser wird. (Bild: Daniela Frutiger/Freshfocus)
Nach der gesicherten Überwinterung – wenngleich nicht in der Champions League, sondern in der Europa League – «kann man gegen Saint-Etienne weiterkommen, aber man muss nicht», sagt Heusler. «Wir können nicht im Nachhinein Ziele anpassen. Wir werden im Rückspiel alles daran geben, um weiterzukommen. Aber es wird in diesem Club keinen geben, der grosse Ankündigungen macht und sich auf die Brust klopft, um nachher zurückkrebsen zu müssen und zu sagen: Gut, es ist nicht ganz so, wie wir uns das gewünscht haben.»
Für Heusler ist der Leistungsausweis in dieser Saison nicht geringer als in den vergangenen Jahren, als der FCB in der Champions League den Achtelfinal erreichte (2014/15), in der Gruppenphase spielte (2013/14) und in der Europa League im Halbfinal stand (2012/13). 16 bis 17 Teams der Europa League hätten heuer deutlich höhere Budgets und es gebe Teams mit individuell stärkeren Spielern.
Die Fehler vor dem dritten Gegentreffer
Eine abschliessende Beurteilung der Leistung ist nach dem letzten Basler Spiel in der Europa League möglich. Und dieses muss nicht am 25. Februar im St.-Jakob-Park stattfinden. Dass der FCB gewinnen muss, «ist für diese Mannschaft keine aussergewöhnliche Ausgangslage», sagt Heusler.
Das 3:2 durch Jean-Christophe Bahebeck korrigiert die Erwartungshaltung an den FC Basel etwas nach unten. Auch ein Ausscheiden im Rückspiel ist ein denkbares Szenario – was viele bei der Auslosung des Sechzehntelfinales für unwahrscheinlich gehalten haben. (Bild: Keystone/PETER KLAUNZER)
Urs Fischer sah in Saint-Etienne einen «geduldigen und konstruktiven» FC Basel. Abzüge gibt es vom Trainer insbesondere wegen des dritten Gegentores, bei dem «wir beim Befreiungsschlag schlecht aussehen. Marek Suchy muss den Kopfball gewinnen und Walter Samuel müsste danach den Torschützen foulen».
Zwei Gesperrte und ein Verletzter gegen Vaduz
Die Mannschaft trainierte am Freitagmorgen in Saint-Etienne und bereitet nun das Heimspiel gegen den FC Vaduz vor (Sonntag, 13.45 Uhr). Nicht dabei sein werden Marc Janko (zwei Spielsperren nach roter Karte gegen GC), Taulant Xhaka (vier Spielsperren aus derselben Partie) und Andraz Sporar. Die Entzündung beim slowenischen Stürmer ist schlimmer geworden, «so starke Schmerzen wie jetzt hatte er noch nie», sagt Fischer.
Im defensiven Mittelfeld ist Alexander Fransson als Ersatz für Xhaka die naheliegendste Option. Im Sturm könnte Breel Embolo spielen, dahinter Matias Delgado, flankiert von Birkir Bjarnason (links) und Renato Steffen (rechts). Denkbar ist auch, dass Davide Calla zu seinem ersten Einsatz in der Startelf seit November kommt.
Eher undenkbar ist, dass am Sonntag im Medienzentrum zum zweiten Mal in dieser Woche eine Debatte über Zieldefinitionen geführt wird. Der FC Basel hat 15 Punkte Vorsprung in der Meisterschaft. Das Ziel des Titelgewinns wird die Mannschaft mit grösster Wahrscheinlichkeit erreichen.