Der Bundesligist aus dem Breisgau verpasst sich professionellere Strukturen und gibt Einblick in sein wirtschaftliches Gebahren: Bei 70 Millionen Euro Rekordumsatz wurden 2013/14 fast 13 Millionen Euro Gewinn erzielt. Der nächste Markstein soll der Neubau eines Stadions werden.
Drei Stunden sind eine Prüfung für die Hauptversammlung eines Fussballclubs. Aber keine Zeit für umwälzende Veränderungen, prächtige Zahlen und grosse Ziele. Drei Stunden tagte der SC Freiburg am Montag, bis sich 466 stimmberechtige Mitglieder eine neue Satzung und Vereinsstruktur verpasst und ein paar neue Leute in die Clubführung gewählt hatten. Künftig wird der Bundesligist von einem ehrenamtlichen Präsidenten sowie zwei hauptamtlichen Vorständen geführt und deren Arbeit von einem neunköpfigen Aufsichtsrat kontrolliert.
Die führenden Köpfe bleiben die selben wie zuvor. Fritz Keller (57), der 2009 den verstorbenen Achim Stocker ersetzte, damals noch Erster Vorsitzender genannt, wurde mit einem weitaus besseren Ergebnis gewählt als bei seiner ersten Bestätigung als Clubchef. Seinerzeit unter dem Eindruck der massgeblich von Keller forcierten Trennung von Trainer Volker Finke.
«Ich bin überwältigt», sagte der renommierte Winzer und Gastronom aus dem Kaiserstuhl über das Vertrauen in seine Person. Und 97,6 Prozent Zustimmung zur neuen Satzung, «das», so Keller, «macht uns in der Bundesliga keiner nach.»
Der Schatzmeister als Garant
Noch mehr Wärme schlug Heinrich Breit entgegen, der nach 16 Jahren als Schatzmeister mit einem Rekordumsatz und unter stehenden Ovationen der Mitglieder abtrat – um im weiteren Verlauf des Abends erst in den neuen Aufsichtsrat gewählt und von diesem Gremium anschliessend zu dessen Vorsitzenden bestimmt zu werden.
Viel Besseres kann dem Sportclub, der in der Bundesliga gerade wieder einmal durch ein Tief muss und von den ersten neun Saisonspielen keines gewonnen hat, nicht passieren. Breit, einst erster Fraktionsvorsitzender der Grünen im Freiburger Gemeinderat und von Haus aus Steuerexperte, ist so etwas wie das wirtschaftliche Gewissen des Vereins, dennoch nicht bloss Buchhalter und über Freiburg hinaus in den Gremien der Deutschen Fussball-Liga (DFL) geschätzt.
Die Freiburger Seriosität ist auch der Grund, warum DFB und Liga nie Druck ausübten auf den bislang noch archaisch geführten Sportclub, neben dem nur noch Schalke, Mainz, Stuttgart und Paderborn eingetragene Vereine sind. Die 13 restlichen Erstbundesligisten haben ihre Profi-Abteilungen in Kapitalgesellschaften ausgegliedert.
Nun hat der SC Freiburg von sich aus einen Schritt vorwärts gemacht, und neben einem Kontrollgremium einen Ehrenrat installiert, der die Aufsichtsräte den Mitgliedern zur Wahl vorschlägt. Breits Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden darf als Garantie für ein weiterhin umsichtiges Wirtschaften des Vereins gelten.
Seit 1998 macht der SC Freiburg weder Verlust noch Schulden
Von 19 Millionen Euro (1998/99) wuchs der Umsatz des SC Freiburg auf rekordhohe 70 Millionen im abgelaufenen Geschäftsjahr 2013/14. Eine Marke, die in der laufenden Saison noch einmal übertroffen wird, wie Breit ankündigte. Die 12,8 Millionen Euro Überschuss wurden durch Sondereffekte realisiert. Zu denen gehört neben der ersten Europacup-Teilnahme nach 1996 auch der für einen für einen zweistelligen Millionen-Betrag zu Borussia Dortmund transferierte Matthias Ginter, einem in der Fussballschule ausgebildeten Verteidiger und der erste Weltmeister des SC Freiburg.
In Breits Zeit als Schatzmeister wurden die Finanzen des Sportclub in Ordnung gebracht, Fussballschule (Jahresetat: 5,5 Millionen Euro inklusive Frauenteams) samt Stiftung (Barkapital: 2,2 Millionen) aufgebaut und die Sparbüche gefüllt, so dass der SC Freiburg zu einem Stadionneubau mindestens 15 Millionen Euro beisteuern kann. «Und damit ziehen wir uns nicht aus», sagt Breit, was bedeutet, dass weitere Reserven für einen im Breisgau stets mitkalkulierten Abstieg in die zweite Liga schlummern.
Seit 1998 hat der SC Freiburg keinen Euro Verlust oder Schulden gemacht – «das können nicht viele Vereine von sich behaupten», sagt Breit nicht ohne Stolz. Der 66-Jährige macht aber auch auf Risiken und Nebenwirkungen aufmerksam: «Wir sind überproportional von TV-Einnahmen und Transfererlösen abhängig.» Enorme Einnahmesteigerungen kommen den Bundesligisten derzeit nicht nur aus den nationalen Fernsehrechten zu, sondern zunehmend aus der internationalen Vermarktung der Liga.
Das Stadionprojekt für 110 Millionen Euro
In der seit neuestem «Schwarzwald-Stadion» genannten Heimspielstätte erreicht der SC 96,7 Prozent Auslastung. Einnahmesteigerungen sind in dem knapp 25’000 Zuschauern fassenden Kleinstadion im verkehrstechnisch ungünstig gelegenen Freiburger Osten auch im Hospitality-Bereich kaum noch zu erzielen.
Im November wird der Freiburger Gemeinderat mit dem grünen und fussballaffinen Oberbürgermeister Dieter Salomon über das Stadionprojekt für 35’000 Zuschauer im Westen der Stadt und in Autobahnnähe entscheiden. Nach einem Evaluierungsprozess, der sich über zweieinhalb Jahre und etliche Gutachten erstreckte. Gibt es grünes Licht für das 70-Millionen-Stadion und die Investiton in die Infrastruktur von weiteren 40 Millionen Euro, wird am 1. Februar das Freiburger Stimmvolk das letzte Wort haben.
Mit Widerstand muss der Sportclub rechnen und die Mitgliederversammlung war schon einmal ein Vorgeschmack auf den Wahlkampf. Präsident Fritz Keller appelliert ans Herz: «Der SC ist die mehr als ein Profiverein, mehr als ein erstklassiger Steuerzahler. Er ist ein Verein, über den geredet wird, er stiftet Identität und ist Teil der Kultur in Südbaden.»
Und Heinrich Breit argumentiert mit Zahlen: 222 Millionen Euro an Steuern hat der SC Freiburg demnach seit dem ersten Bundesligaaufstieg 1993 abgeführt. Er scheint zu ahnen, was in Freiburg an Gegenwind für das Stadionprojekt und gegen die Beteiligung der öffentlichen Hand entfacht werden wird: «Der Verein sei nicht nur Empfänger. Wir müssen dagegenhalten, wenn manche aus Unwissenheit oder aus Demagogie es anders darstellen.»
Zwei hauptamtliche Vorstände
Das operative Geschäft beim SC Freiburg verantworten künftig zwei hauptamtlich bestallte Vorstände. Oliver Leki (41), einst beim 1.FC Köln in ähnlicher Position und seit 2013 in Freiburg, wird Breits Nachfolger, und Jochen Saier (36), bis vor eineinhalb Jahren Leiter der Fussballschule, wird Vorstand Sport. Zwei Posten, die der Aufsichtsrat besetzt.
In das Kontrollorgan zog auch eine Frau ein: Hannelore Stocker, die Witwe des einstigen Vorsitzenden Achim Stocker, die noch die Zeiten erlebte, als der SC Freiburg eine graue, bettelarme Maus in der zweiten Bundesliga war und die zusammen mit ihrem Mann vor den Spielen die Sandwiches schmierte.
» Die «Badische Zeitung» zur Hauptversammlung des SC Freiburg
» Das Stadionprojekt – die komplette Dokumentation der Gutachten und der offiziellen Verlautbarungen von Stadt Freiburg und SC Freiburg