Wie aus einer anderen Liga wirkt RB Leipzig beim 4:1 (3:1)-Sieg beim überforderten Mitaufsteiger SC Freiburg. In dieser Verfassung ist den Ostdeutschen in der Bundesliga alles zuzutrauen.
Ein paar hundert der 24’000 Zuschauer im ausverkauften Schwarzwald-Stadion waren schon auf dem Weg nach Hause, als Schiedsrichter Benjamin Brand ein merkwürdiges Spiel abpfiff. 4:1 hatte RB Leipzig, dieser erstaunliche Aufsteiger, beim Sportclub Freiburg gewonnen. Es war ein Spiel gewesen, bei dem die meisten Betrachter schon nach wenigen Augenblicken ein ziemlich genaue Vorstellung davon erhielten, wie es ausgehen würde.
Den frühen Führungstreffer durch Naby Deco Keita nach nur 80 Sekunden hätte es dazu noch nicht einmal gebraucht. Denn im Vergleich zu den Leipzigern, die in schwindelerregendem Tempo den Ball laufen liessen, wirkte das Freiburger Spiel umständlich und fast schon behäbig.
Zur Ehrenrettung der Gastgeber muss festgehalten werden, dass das nicht gegen das durchaus bundesligakompatible Tempo der Südbadener spricht. Sondern dafür, dass sich da ein Leipziger Team austoben durfte, das fussballerisch in eigenen Sphären schwebt und derzeit völlig zurecht Platz eins der Liga belegt. Mit 30 Punkten aus 12 Spielen. «Für die ist Erstligafussball noch leichter als Zweitligafussball», sagte Freiburgs Captain Mike Frantz. In der höheren Spielklasse könne RB seine spielerische Potenz optimal ausspielen.
Leipzig ruht sich nicht auf dem frischen Ruhm aus
Das war tatsächlich kaum zu übersehen gewesen, weshalb auch die Freiburger Nordtribüne mit jeder Minute leiser wurden. Und zwar sowohl die Anfeuerung für das eigene Team als auch die Schmährufe gegen den ungeliebten, neureichen Emporkömmling, dessen Sportdirektor später fast schon gelangweilt kommentieren sollte: «Da singen die Freiburger halt irgendetwas nach, was sie mal gehört haben», sagte Ralf Rangnick. «Wir hatten eine Mannschaft mit einem Altersschnitt von unter 24 Jahren auf dem Feld. Wenn das den Fussball kaputt macht, weiss ich auch nicht mehr.»
RB-Coach Ralph Hasenhüttl schwärmte auch in höchsten Tönen von einem Abend im Breisgau, an dem Timo Werner (22./35.) und Marcel Sabitzer (79.) die weiteren Tore für die Leipziger schossen und Freiburgs Florian Niederlechner in der 15. Minute kurzzeitig hatte ausgleichen können. «Die Mannschaft zeichnet im Moment aus, dass wir wegen der Erfolge einen Schritt mehr machen statt uns zurücklehnen», so Hasenhüttl.
Der Freiburger Versuch mit einer Fünferabwehr geht schief
Ganz anders war die Gemütsverfassung im Freiburger Lager, wo Christian Streich bei aller Anerkennung des atembraubenden Leipziger Fussballs auch die Defizite des eigenen Spiels ungewohnt deutlich ansprach. Florian Niederlechners Zweikampfverhalten beim ersten Leipziger Tor, als sich Keita den Ball ungestört zurechtlegen konnte, ärgerte den Freiburger Coach dabei am meisten.
«Das ist nicht akzeptabel. Wenn man so verteidigt», sagte Streich, «kriegt man gegen jeden Gegner in der Bundesliga das Gegentor.» Dass Keeper Alexander Schwolow erneut Schwächen im Stellungsspiel zeigte und so den ersten Werner-Treffer mit auf seine Kappe nehmen musste, dürfte ihm ebenfalls nicht gefallen haben.
Freiburger Fünferkette ohne Wirkung– die Aufstellungen:
(Bild: Screenshot transfermarkt.de)
Allerdings ging auch das Experiment, auf das Pressing und die Offensivwucht der Gäste mit einer Fünferkette zu reagieren, gründlich schief. Nicht nur, weil man das durchaus als Signal an die Mannschaft interpretieren konnte, dass es letztlich um Schadensbegrenzung gehen würde. Sondern vor allem, weil der etatmässige Sechser, Nicolas Höfler, der somit als einer von drei zentralen Verteidigern agierte, im zentralen Mittelfeld schmerzlich vermisst wurde. Dort tobten sich der überragende Keita, der umsichtige Balleroberer Diego Demme und der Schwede Emil Forsberg, ein begnadeter Passgeber, nach Herzenslust aus.
Überfordert gegen Leipziger Highspeedfussball
Amir Abrashi, der bislang eine gute Saison spielte, war in der Zentrale völlig überfordert gegen die ballsicheren Highspeedfussballer in rot und weiss. Und da die Körpersprache der Kollegen mit zunehmender Spieldauer nachliess, nahm das Unheil fast ungebremst seinen Lauf. Lediglich kurz nach Wiederanpfiff, als Leipzig erkennbar Druck aus dem Kessel nahm, wirkte das wieder auf eine Viererkette umgestellte Freiburger Spiel kurzzeitig stabiler.
Der Sportclub hat seine letzten drei Spiele verloren und steht nun vor schweren Auswärtsspielen in Leverkusen und gegen Schalke, dazwischen kommt mit Darmstadt allerdings ein Gegner nach Freiburg, gegen den man durchaus gewinnen kann. «Wir müssen aufpassen, dass wir jetzt nicht in einen Strudel geraten», warnt Streich.
Am späten Freitagabend fiel es ihm schwer, Optimismus zu verbreiten. Dem besten Freiburger Spieler auf dem Platz, Mike Frantz, kam hingegen ein Argument über die Lippen, das des Trainers Fatalismus relativiert: «Das war heute das erste von zwölf Spielen, in dem wir deutlich unterlegen waren.»
Die Leipziger dagegen werden nach einer erneuten beeindruckenden Demonstration ihrer Stärken mindestens eine weitere Woche lang die Spitze der Bundesliga zieren. Und für Streich, der in Freiburg mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln haushalten muss, steht fest: «Mit den unendlichen Möglichkeiten von Leipzig kann man auch Unendliches schaffen.» Das «grosse Kompliment» von Streich war eine tiefe Verneigung vor dem Leipziger Fussball.
Leipziger Überlegenheit in Zahlen – zur kompletten Statistik geht es hier:
(Bild: Screenshot faz.net)