Simon Ammann und die Herkules-Herausforderung

Skispringer Simon Ammann ist seit seinem fürchterlichen Sturz vor bald einem Jahr leistungs- und resultatmässig in Verzug. Vor den beiden Heim-Weltcup-Springen in Engelberg von diesem Samstag und Sonntag dreht sich dennoch vieles um den Vierfach-Olympiasieger und weniger um seinen zuletzt erfolgreicheren Teamkollegen Georg Deschwanden.

Simon Ammann of Switzerland competes during the training and qualification day at the Skijumping FIS World Cup in Engelberg, Switzerland on Friday, December 18, 2015. (KEYSTONE/Alexandra Wey)

(Bild: KEYSTONE/Alexandra Wey)

Skispringer Simon Ammann ist seit seinem fürchterlichen Sturz vor bald einem Jahr leistungs- und resultatmässig in Verzug. Vor den beiden Heim-Weltcup-Springen in Engelberg von diesem Samstag und Sonntag dreht sich dennoch vieles um den Vierfach-Olympiasieger und weniger um seinen zuletzt erfolgreicheren Teamkollegen Georg Deschwanden.

Auch die jüngsten Ergebnisse stellen die Hierarchie nicht auf den Kopf. Um Simon Ammann, den zweifachen Doppel-Olympiasieger, die Lichtfigur des Schweizer Skispringens, scharten sich beim Medientermin vor dem Weltcup-Springen in Engelberg die Journalisten von nah und fern. Sie ergründeten das Innenleben des Ausnahmekönners. Seine Gedankengänge sollen aufgezeigt werden. Gregor Deschwanden hingegen, der zehn Jahre jüngere Newcomer, der jüngst mit einem siebten Platz in Russland brilliert hatte, hat sich grundsätzlicher zu erklären.

Ammann also, der 34-jährige Routinier, in der gewohnten Position – trotz Problemen. Sein fürchterlicher Sturz Anfang Jahr bei der Vierschanzentournee in Bischofshofen (D) hat tiefe Spuren hinterlassen – Spuren, die auch elfeinhalb Monate später nachwirken. «Ich kann mich zwar nicht an den Sturz erinnern, die Verarbeitung machte dies aber nicht einfacher.»

Ammann traute sich nicht mehr, zu landen wie er das über die Jahre verinnerlicht hatte: mit dem linken Bein als Führungsbein. Weil Landungen mit parallelgeführten Beinen starke Abzüge zur Folge haben, hatte er sich umzuprogrammieren: Telemark-Landung auf die andere Seite. Eine Riesenherausforderung. Im Sommertraining stürzte er drei Mal – wider dem Üblichen. Und die Rückkehr auf Schnee war zusätzlich vorbelastet. «Ich fühlte mich in Verzug», sagt Ammann.

Zurück an den Unfallort

Ganz wichtig gewesen in diesem Prozess ist die Rückkehr auf die Unfallschanze. Vor zwei Monaten war er dazu bereit. Zusammen mit Trainer Pipo Schödler reiste er hin, bestieg die Schanze und liess sich vom Gefühl leiten. Ammann «schaltete den Kopf aus», sprang und erlebte Emotionen: «Ich liess das Adrenalin rauschen, das war ein ganz wichtiger Sprung.» Und die Freude, der Wunsch, am perfekten Sprung zu arbeiten, begleitet ihn seither noch intensiver.

Die notwendigen Automatismen aber hat er noch zu wenig verinnerlicht. Das verunmöglicht die gewünschte Lockerheit. Eher harzig verlaufen ist der Saisoneinstieg. «Leider schaffte ich es nicht, mein Manko ganz zufriedenstellend zu beheben», sagt er. So bringen ihm an sich erstklassige Weiten aufgrund tiefer Stilnoten nicht die gewünschten Rangierungen.

Ammann akzeptiert, sagt: «Die Weltspitze ist enorm kompakt, Top-10-Plätze sind für mich hohe Messlaten, vielleicht zu hohe.» Doch aufbauend wirkt auf ihn der letzte Trainingssprung vom Freitagnachmittag in Engelberg: Platz 4 mit der zweitbesten Weite von 133 Meter. «Ich bin nun gespannt auf den Ernstkampf», sagt er. Schauen möchte er dabei, wo er sich im Vergleich mit den Besten befindet. «Sechs Mal springen, die Möglichkeit nutzen und weiterkommen», will er.

Von Siegen wie 2008 und 2009 (2 Mal) spricht er nicht und ebenso wenig vom zweiten Rang wie vor einem Jahr. «Das Sprung- und Wettkampfgefühl ist wichtiger als das nackte Resultat», betont er.



Simon Ammann of Switzerland during the training and qualification day at the Skijumping FIS World Cup in Engelberg, Switzerland on Friday, December 18, 2015. (KEYSTONE/Alexandra Wey)

Simon Amman feilt noch an den Automatismen. Kollege Gregor Deschwanden hadert derweil mit der Heimschanze in Engelberg. (Bild: KEYSTONE/Alexandra Wey)

Deschwanden: Heim- aber nicht Lieblingsschanze

Zurückhaltend bezüglich eines Spitzenergebnisses äussert sich auch Gregor Deschwanden. Der 24-Jährige Luzerner, zuletzt mit der Aussage zitiert, es gehe noch besser als bei diesem siebten Platz in Russland, sagt: «Engelberg ist meine Heimschanze, aber keineswegs meine Lieblingsschanze.» Mit deren Bau und dem Radius hängt dies zusammen. Die Sicherheit, einen idealen Absprung zu erwischen, fehlt ihm.

Diesen Eindruck bestätigte die Qualifikation: Mit einer Weite von 118 Metern bei seinem besten Versuch kam er nicht über Rang 26 hinaus. «Mein Ziel kann es nur sein, mich im Ernstkampf zu steigern», sagt er. Dazu hilft ihm das Russland-Erfolgserlebnis, helfen ihm aber ebenso die technischen Korrekturen und die Gewissheit, dass er mittlerweile bei der Anlaufgeschwindigkeit markant zugelegt hat.

Der komplette Weltcup-Kalender
Die Highlights des Skisprung-Winters 2015/16
Weltcup in Engelberg 19./20. Dezember
Vierschanzentournee 29. Dezember: Oberstdorf
1. Januar: Garmisch
3. Januar: Innsbruck
6. Januar: Bischofshofen
Skiflug-Weltmeisterschaft 15. bis 17. Januar: Bad Mitterndorf (Kulm)

 

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