Ski-Duell Feuz gegen Hirscher – wer hat die Nase vorne?

55 Punkte liegt der Schweizer Beat Feuz im Rennen um den Sieg im Gesamtweltcup vor dem Österreicher Marcel Hirscher. Die Entscheidung um die grosse Kristallkugel fällt im Weltcupfinal in Schladming. Ein Vergleich der beiden Kontrahenten.

... dessen Spezialität die Speedrennen sind? (Bild: Reuters)

55 Punkte liegt der Schweizer Beat Feuz im Rennen um den Sieg im Gesamtweltcup vor dem Österreicher Marcel Hirscher. Die Entscheidung um die grosse Kristallkugel fällt im Weltcupfinal in Schladming. Ein Vergleich der beiden Kontrahenten.

Marcel Hirscher wirkte gefasst. Beinahe ein wenig erleichtert. Da war keine Spur von Frust nach seinem Einfädler im ersten Slalom-Durchgang von Kranjska Gora, da gab es kein Hadern wegen der grossen vergebenen Chance und der vielen verschenkten Punkte.

Stattdessen stand Hirscher im Ziel der Podkoren-Piste, seelenruhig und mit einem schelmischen Lächeln im Gesicht, und er gratulierte seinem Schweizer Widersacher Beat Feuz bereits vorzeitig zum Gewinn des Gesamtweltcups. Feuz reist mit 55 Punkten Vorsprung zum Weltcup-Final nach Schladming (Ö), wo von Mittwoch bis Sonntag die Nummer 1 des Winters gekürt wird.

«Jetzt ist es mehr oder weniger gelaufen», erklärte also Hirscher, aber wer das Funkeln in seinen Augen sah und seinen frechen Blick, der wusste sofort, dass der 23-jährige Österreicher mit seinem Understatement nur einen Plan verfolgte: Die Favoritenrolle und den gesamten Druck vor dem spannenden Weltcupfinal in Schladming ins Lager von Beat Feuz zu schieben.

«Bei mir ist die Erwartungshaltung jetzt kleiner, das gefällt mir, wenn ich alles auf eine Karte setzen muss», ergänzte Marcel Hirscher noch schnell, bevor er aus Kranjska Gora abreiste, um noch einige Trainingseinheiten einzuschieben. Hört sich so tatsächlich ein Mann ab, der die Grosse Kristallkugel bereits abgeschrieben hat?

55 Punkte sind ein angenehmes Punktepolster, aber sie sind noch lange kein Ruhekissen. Das weiss Beat Feuz genauso gut wie Marcel Hirscher. Aber wer hat nun wirklich die Trümpfe in der Hand? Wer hat die besseren Argumente auf der Piste? Ein Vergleich der beiden Protagonisten der Weltcup-Saison 2011/2012.

Die Ausgangslage:

Beat Feuz wird in Schladming vermutlich – je nach Gesundheitszustand und Weltcupstand – in drei Rennen an den Start gehen. Während er in Abfahrt (Mittwoch) und Super G (Donnerstag) zu den Mitfavoriten zählt, käme ein Punktegewinn im Riesenslalom (Samstag) wohl einer Überraschung gleich. Der 25-Jährige hat in diesem Winter zwar bereits im Riesenslalom gepunktet, allerdings kommen beim Weltcupfinal nur die ersten 15 in die Wertung, weshalb hier nicht mit einem grossen Punktezuwachs gerechnet werden darf.

Feuz hat den Vorteil, dass der Final mit seinen starken Disziplinen eröffnet wird und er also vorlegen kann, während Konkurrent Hirscher zur Untätigkeit gezwungen ist. Der österreichische Technik-Experte lässt die Abfahrt definitiv aus, kokettiert aber mit einem Start im Super G. «Das hängt auch von der Kurssetzung ab, wenn der Torabstand zu gross ist, macht es wenig Sinn», sagt Hirscher.

Die Form:

Beat Feuz plagen schon seit Wochen heftige Schmerzen im Knie. Der Schweizer beisst aber die Zähne zusammen und sammelt trotz der körperlichen Probleme fleissig Punkte. Bei den letzten Speed-Rennen im norwegischen Kvitfjell raste der 25-Jährige drei Mal in die Top 4 und bestätigte seine ausgezeichnete Rennform. «Beim Training tut’s immer weh, aber während der Fahrt spüre ich nichts», erklärt Feuz, der in diesem Winter bereits vier Rennen (2 Abfahrten, 2 Super G’s) gewinnen konnte.

Auch Konkurrent Hirscher zeigte in diesem Winter kaum Schwächen. In Riesenslalom und Slalom fährt der Österreicher den schnellsten Schwung – Podestplatz oder Ausscheiden lautet die Devise des Salzburgers, der heuer bereits acht Weltcuprennen (5 Slalom, 3 Riesentorlauf) gewinnen konnte. Der Fahrstil des 23-Jährigen ist allerdings dermassen riskant, dass er gerade im Slalom immer mit einem Ausfall rechnen muss. «Ein Einfädler ist Part of the Game», weiss Marcel Hirscher

Die Erfahrung:

Beat Feuz und Marcel Hirscher begegnen sich auf Augenhöhe. Für beide ist diese Situation Neuland, für beide wäre es auch der erste richtig grosse Erfolg der Karriere. Aber egal, wer das Rennen um die grosse Kristallkugel macht: Der neue Weltcup-Sieger steht für eine neue Erfolgs-Generation. In der Vergangenheit waren die Weltcup-Gesamtsieger in den meisten Fällen bereits etwas ältere Ski-Semester. Ein Vorteil für Hirscher: Er hat auf dem Hang in Schladming Zusatztrainings absolviert und erst im Jänner ebendort das Night-Race gewonnen.

Der Druck:

Auch wenn Marcel Hirscher nach seinem Aus im Slalom von Kranjska Gora die Favoritenrolle zu Beat Feuz schiebt – beim Weltcupfinal im eigenen Land werden alle Augen auf den Österreicher gerichtet sein. Hirscher gilt in seiner Heimat als legitimer Nachfolger von Hermann Maier, nicht zufällig trägt er den gleichen gelben Helm wie der Herminator und hat den gleichen Kopfsponsor.

In Schladming werden bei der WM-Generalprobe für 2013 bei den Rennen bis zu 40.000 erfolgshungrige Fans erwartet. Ob der 23-Jährige in dieser aufgeladenen Atmosphäre so cool bleibt, wie er jetzt vorgibt, bleibt abzuwarten. Beat Feuz wirkt schon den gesamten Winter wie die Gelassenheit in Person: Auch als er wie zuletzt in Kvitfjell einen Punkterückstand auf Hirscher aufholen musste und unter akutem Erfolgsdruck stand, verfiel er nicht in Panik, sondern agierte abgeklärt und besonnen.

Die Statistik: Österreich wartet schon länger auf einen Weltcup-Gesamtsieger. Benjamin Raich war in der Saison 2005/06 der letzte Österreicher, der die begehrte Trophäe gewinnen konnte. Für die Schweiz war Carlo Janka in der Saison 2009/2010 erfolgreich.

Insgesamt ist die Bilanz ausgeglichen: Die Schweiz hat seit Einführung des Weltcups (1967) vier Gesamtsieger hervorgebracht: Peter Lüscher (1978/79) , Pirmin Zurbriggen (1985/86, 1986/87, 1987/88, 1989/90), Paul Accola (1991/92) und Carlo Janka (2009/10).

Österreich hat ebenfalls vier Weltcup-Winnertypen: Karl Schranz (1968/69, 1969/70), Hermann Maier (1997/98, 1999/00, 2000/01, 2003/04), Stephan Eberharter (2001/02, 2002/03), Benjamin Raich (2005/06).

 

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