So weit ist es mit den Bayern gekommen

Auf der Suche nach ihrem Selbstverständnis machen die Münchner Bayern in der Champions League Zwischenstation in Basel. Und Trainer Jupp Heynckes warnt alle davor, einen Fehler nicht zu machen.

Bayern-Trainer Jupp Heynckes am Dienstag bei der Medienkonferenz in Basel. (Bild: Reuters)

Auf der Suche nach ihrem Selbstverständnis machen die Münchner Bayern in der Champions League Zwischenstation in Basel. Und Trainer Jupp Heynckes warnt alle davor, einen Fehler nicht zu machen.

Karl-Heinz Wild ist, da tritt man ihm nicht zu nahe, ein Haudegen des Fussballjournalismus. Seit 26 Jahren begleitet er für das «Kicker-Sportmagazin» den FC Bayern München. Da müsste man ziemlich exakt den Puls spüren können im bedeutendsten Club Deutschlands. Am Freitag ist Wild mit Namensvetter Rummenigge in München zusammengesessen, und was der Vorstandsvorsitzende der Bayern da vermittelte, klang für den sturmerprobten Berichterstatter besorgniserregend.

«Die Verunsicherung ist so gross wie fast noch nie», diagnostiziert Wild. Und das will nach 26 Jahren Dauerbeobachtung etwas heissen. Die Bayern sind vor dem Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League beim FC Basel (Mittwoch, 20.45 Uhr, SF2 live) jedenfalls weniger mit dem Gegner als mit sich selbst beschäftigt.

Markus Hörwick – noch zwei Jahre länger beim FC Bayern Pressesprecher als Wild Bayern-Reporter – wollte die öffentlichen Debatten über den Zustand des Rekordmeisters ironisch brechen, als er am Dienstag die Medienkonferenz mit der locker dahergeworfenen Frage an Mario Gomez eröffnete, wie verunsichert die Mannschaft denn nun sei. Das sei der falsche Ausdruck, entgegnete der Stürmer. «Wir wissen, dass wir in der Rückrunde noch nicht überragend gespielt haben, dass wir am Samstag in Freiburg einiges haben vermissen lassen. Aber wenn wir unser Potenzial abrufen, dann schlagen wir Basel.»

Es steht viel auf dem Spiel für die Münchner

Ja, wenn. Im proppenvollen Saal des Swissotel le Plaza am Messeplatz liessen die mitgereisten deutschen Journalisten nicht locker, wollten wissen, was da am Montag an der Säbener Strasse im Beisein der Clubspitze hinter verschlossenen Türen los war. Man habe sich «ausgetauscht», sagte Mittelfeldspieler Toni Kroos nur, alles weitere bleibe in den eigenen Reihen. Was so klingt, als ob es einen ordentlichen verbalen Einlauf gegeben hat.

Es steht ja auch viel auf dem Spiel für die Bayern. Die Champions League und der Final im Mai im eigenen Stadion ist die Sahnehaube. Aber in der Bundesliga, wo man als zeitweise haushoch überlegener Herbstmeister inzwischen vier Punkte hinter Titelverteidiger Dortmund rangiert, erneut nicht zu reüssieren, würde noch weiter nagen am Rekordmeister. «Das haben wir uns selbst eingebrockt», sagt Kroos, «nun wollen wir ein paar Dinge ändern, läuferisch und kämpferisch.»

«Man sollte den FC Bayern nicht unterschätzen»

Und weil alle rumkritteln, sah sich Jupp Heynckes («Wir kommen sehr optimistisch nach Basel») am Dienstag zu einem Appell veranlasst. «Eines», sagte der Trainer zum Ende seines Vortrags und hob die Stimme, «eines sollte man nicht machen: den FC Bayern unterschätzen.» Soweit ist es also gekommen mit den Münchnern, dass sie an ihre Stellung erinnern müssen.

Wo denkt er aber auch hin, der gute Mann? Kein Mensch in der Schweiz würde auf diese Idee kommen und sich dazu versteigen, den Bayern am Mittwoch nicht eine markante Steigerung zuzutrauen. Beflügelt vom Flair der Champions League. Und herausgefordert vom FC Basel.

Der bekam ein paar Artigkeiten ab. Heynckes imponiert, wie Heiko Vogels Mannschaft organisiert ist, er hat bei ihr eine «wunderbare Haltung» auf dem Platz ausgemacht und sagt deshalb: «Basel steht nicht umsonst in den Achtelfinals. Das soll uns eine Warnung sein.»

Abgerechnet wird in München

Gomez wollte und konnte nicht näher auf die Qualitäten des Mittwoch-Gegners eingehen. Weil er am Dienstag zur Mittagszeit noch gar nicht viel davon wusste: «Der Trainer wird uns schon noch darauf einstellen.» Der Nationalspieler, mit sechs Toren im laufenden Wettbewerb einmal mehr erfolgreich als Alex Frei im Basel-Trikot und einmal weniger als Lionel Messi, sagte noch etwas von «nicht auf die leichte Schulter nehmen» (Basel) und «blaues Wunder» (ManU).

Während Gomez vor anderthalb Jahren beim ersten Aufeinandertreffen in Basel (1:2) unter Trainer Louis van Gaal keine Rolle spielte, war Kroos im linken Mittelfeld solange auf dem Platz, bis Bastian Schweinsteiger zum Ausgleich traf. Jener Schweinsteiger, den die Bayern nun so sehr als Kopf des Teams und Strategen vermissen. Und noch ist nicht absehbar, wann er von seiner Knöchelverletzung zurückkommt.

«Wir wissen, zu welcher Leistung der FC Basel mit seinen Fans im Rücken fähig ist», sagt der 22-jährige Kroos. Defensiv kompakt stehen und erst mal kein Gegentor bekommen, so lautet sein Rezept, «wir haben eine Mannschaft, die in Basel ein Tor schiessen kann», heisst seine Hoffnung, und überhaupt: «Abgerechnet wird in München.»

Und so ähnlich sieht es auch der Chefreporter Wild. Wahrscheinlich, sagt er, würden die Münchner für ein 1:1 am Mittwoch vorab unterschreiben. Ganz gewiss jedoch werde sich im St.-Jakob-Park ein anderer FC Bayern präsentieren. So sind sie eben auch, die Münchner. Und oft genug miterlebt hat Karl-Heinz Wild das ja.

Mit Robben in der Startelf?
Dem Ansinnen, es mal mit zwei Sturmspitzen zu versuchen, hat Jupp Heynckes am Dienstag eine klare Abfuhr erteilt: «Am System werde ich auf keinen Fall etwas verändern.» Dennoch ist es keine einfache Wahl, die der Bayern-Trainer zu treffen hat: Setzt er Arjen Robben ein weiteres Mal auf die Bank? Oder bringt et den Holländer in Basel von Beginn an und greift dafür in die Statik der Mannschaft ein?
Die Signale aus München gehen dahin, dass Robben kaum noch ruhigzustellen ist. Beginnt er auf dem rechten Flügel, muss Heynckes entweder den WM-Torschützen Thomas Müller draussen lassen, oder ihn auf der Zehnerposition hinter Mario Gomez bringen und dafür Toni Kroos von dessen bevorzugten Arbeitsbereich zurückziehen auf die Doppelsechs. Die war zuletzt mit Luiz Gustavo und David Alaba besetzt. Es wäre auf jeden Fall eine offensive Variante.
In der Abwehr hat Rafinha in Freiburg zwar einen schlechten Tag gehabt und wurde ausgetauscht, es ist aber nicht anzunehmen, dass Heynckes Philipp Lahm wie in der zweiten Halbzeit in Freiburg vom linken zum rechten Verteidiger macht. Defensiv links sind die Bayern nämlich dünn besetzt, was sich mit der Ankunft von Xherdan Shaqiri ändern könnte – der hat in Basel bewiesen, dass er auch dort zu gebrauchen ist. Kaum anzunehmen, dass Rechtsfuss Alaba wie in Freiburg nach der Pause links verteidigt. Eher wird es dort zum Duell Lahm-Shaqiri kommen. Und darauf darf man sich freuen.

Mögliche Aufstellung des FC Bayern:
Neuer; Rafinha, Boateng, Badstuber, Lahm; Luiz Gustavo, Alaba; Robben, Kroos, Ribéry; Gomez.
Es fehlen: Schweinsteiger, van Buyten, Contento.
Schiedsrichter: Rizzoli (Italien).

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