Wie der Molde Fotballklubb von Norwegens Fussballikone Ole Gunnar Salskjaer wachgeküsst wurde und nun gegen den FC Basel (Mittwoch, 19.00 Uhr, live in Telebasel) überprüft, ob man bereit ist für das nächste Level.
Ole Gunnar Solskjaer kann mit grosser Leidenschaft über Fussball und seine Mannschaft reden, davon, welche aussergewöhnliche Gelegenheit sich bietet, gegen einen Gegner vom Format des FC Basel zu spielen. Und wer den Trainer des Molde Fotballklubb über die Qualifikationspartie zur Champions League reden hört, der glaubt ihm, wenn er schwärmt: «Solche Spiele ereignen sich nicht oft in Norwegen, schon gar nicht in Molde.»
Im idyllischen Ort, wie hingemalt an das Ufer des Moldefjords mit seinem Hafen und seinen Häusern, die sich die dicht bewaldeten Hügel der Moldemarka hinaufziehen, ist das allerdings noch nicht ganz durchgedrungen. Im Vorverkauf für das grosse Spiel sind nur 4000 Tickets weggegangen. Zum Vergleich: 7000 Saisonkarteninhaber zählt der Club und begrüsst in der Tippeligaen im Schnitt 9500 Zuschauer.
Es werden nicht viele Zuschauer erwartet
Die Zurückhaltung hat zwei Gründe: Auch die Norweger machen um diese Jahreszeit Urlaub, ausserdem zieht es viele Stammkunden nach Oslo zum zweitgrössten Jugendfussballturnier der Welt, und die Stadt ist auch ein bisschen müde nach dem Jazzfestival. MoldeJazz rühmt sich, die älteste und grösste Jazzveranstaltung des Kontinents zu sein und zieht jährlich 100‘000 Besucher an. Und wer keines der 40‘000 Tickets bekommt, der geht zum Fussball. So kamen vor 14 Tagen in der zweiten Qualifikationsrunde selbst gegen den lettischen Meister Ventspils 7500 Zuschauer.
Wenn es gegen Basel 6000 im Aker Stadion werden, kann der Molde FK schon froh sein. Für den kleinen Haufen Basler Supporter, inklusive derer, die sich am Dienstag mit Zug, Flug und Bus in den hohen Norden aufgemacht haben, wird sich allein der Besuch der kleinen, schmucken Arena lohnen. Unmittelbar am Fjord gelegen bietet sie bei internationalen Spielen 11‘000 Sitzplätze.
Das Geschenk der reichen Männer
1998 wurde das Stadion für damals umgerechnet rund 42 Millionen Franken erbaut. Es ist quasi ein Geschenk zweier Söhne der Stadt, Kjell Inge Rökke und Björn Rune Gjelsten, die zu den reichsten Menschen Norwegens zählen. Rökke ist der Kopf des Mischkonzerns Aker, der mehr Menschen beschäftigt (25‘300) als in Molde wohnen (24‘800), und er ist immer noch einer der Investoren, die Profifussball in seiner Heimatstadt und ein Jahresbudget von rund 12 Millionen Franken möglich machen.
Ole Gunnar Solskjaer ist ein anderer grosser Sohn des Fussballclubs. Er stammt zwar aus dem eine Autostunde entfernten Kristiansund, seine schillernde Karriere hat er aber beim Molde FK lanciert, für den er in 42 Spielen 31 Tore erzielte. Was Manchester United 1996 umgerechnet zwei Millionen Franken wert war. In England brachte es Solskjaer (ausgesprochen: Sulschjär) zu einer lebenden Legende.
Unvergessen wird sein Lastminute-Tor bleiben, das 2:1 in der Nachspielzeit gegen Bayern München, das Manchester United 1999 in Barcelona den Champions-League-Triumph bescherte. Mit Thorsten Dink als einem der Sündenböcke und mit Heiko Vogel als Zuschauer im Nou Camp. An was sich Solskjaer auch noch erinnern kann: Sein Tor beim 3:1-Sieg von Manchester United 2002/03 in Basel: «Zwischen die Beine des Torhüters habe ich getroffen», erzählt Solskjaer
20 Sekunden für einen neuen Job
14 Jahre lang war Solskjaer in Old Trafford, sechs Mal wurde er englischer Meister, 235 Spiele machte er in der Premiere League und erzielte 91 Tore, 28 davon als Einwechselspieler, was ihm zum einen den Übernahmen «super-sub» eintrug; sein bis heute, als 39-Jähriger, jungenhaftes Gesicht den anderen: «Der Babyface-Killer».
2007 trat Solskjaer verletzungsbedingt zurück, und als er Alex Ferguson dies in der Trainerkabine eröffnete, hatte er umgehend einen neuen Job. Solskjaer hat diesen Moment nicht vergessen: «Er meinte nur: Du warst fantastisch. Warum kommst du nicht in mein Trainerteam? So hatte ich 20 Sekunden nach meinem Rücktritt einen Job.»
Anschliessend trainierte Solskjaer bis 2010 die Reserve von Manchester United, dann erfüllte er mit Verspätung das Versprechen an Frau und Familie, kehrte nach Norwegen zurück, übernahm Molde FK als Tabellenelften der Vorsaison, kündigte an, dass er zurückgekommen sei, um Meister zu werden, war Mitte der Serie noch Sechster – und am Ende feierte der Club punktgenau zum 100-Jahr-Jubiläum die erste Meisterschaft seiner Geschichte.
Moldes Trauma
Dieser Titel markiert auch die Überwindung eines Traumas. In der grossen Ära von Rosenborg Trondheim mit 13 Meisterschaften in Serie und regelmässigen Teilnahmen an der Champions League profitierte Molde 1999 vom geäufneten Uefa-Koeffizienten und zog – nach Siegen über ZSKA Moskau und Real Mallorca – als Vizemeister in die Gruppenphase ein. Gegen Real Madrid, den FC Porto und Olympiakos gab es fünf Niederlagen und einen Sieg gegen die Griechen.
Die Nachwehen aber spürte der Molde FK noch lange. Überrissene Eintrittspreise hatten dafür gesorgt, dass das Aker Stadion nicht einmal gegen Real Madrid ausverkauft war. Die Spieler lagen im Prämienstreit mit dem Club, die Löhne schnellten in die Höhe, und der Club stand nicht nur vor dem Ruin, sondern verlor im Handumdrehen seine Identität. Zu schnell zu gross geworden, sagen die Einheimischen über diese Phase, die 2007 im Abstieg mündete.
Die Zukunft trägt den Namen Solskjaer
Fünf Jahre später hat Molde wieder eine Zukunft, und sie heisst vor allem Ole Gunnar Solskjaer. «Ole ist offen, er ist geerdet – es ist wie ein Märchen für uns», sagt ein langjähriger Clubmitarbeiter. Solskjaer hat Mark Dempsey aus der Jugendabteilung von Manchester als Assistenztrainer mitgebracht und vor allem die Erfahrung und Denkweise eines grossen Trainers: «Alex Ferguson hat einfach den Enthusiasmus, das Verlangen, immer das Beste aus sich herauszuholen», sagt Solskjaer über den Lehrmeister in 14 Jahren Manchester, «er glaubt an seine Spieler und sein System, und der vertraut seinen Mitarbeitern und seinem eigenen Urteilsvermögen. Davon kannst du so viel lernen.»
Jetzt ist es an ihm, in Molde all das Gesammelte weiterzugeben, und er wird, bevor er am Mittwoch seine Mannschaft aufs Feld schickt, an seine Spieler appellieren, ob sie bereit sind, die nächste Stufe in ihrer Karriere zu gehen. «Unser Weg erinnert mich an den von Rosenborg Trondheim, und auch an den des FC Basel bis hin zum Ausschalten von Manchester United. Warum soll so etwas nicht auch uns passieren?»
Der Trainer traut seinem Team die Gruppenphase zu
Solskjaers Einschätzung zur Qualifikationshürde FC Basel ist mit Komplimenten für den Schweizer Meister gespickt. «Mir ist wichtig, wie meine Mannschaft gegen einen Gegner dieser Qualität auftritt. Wir spielen nicht oft gegen Mannschaften dieses Formats, und wir werden sehen, ob es für eine norwegische Mannschaft eine Chance gibt.» Und Solskjaer lehnt sich soweit aus dem Fenster, um zu behaupten: «Ja, ich traue unserer Mannschaft zu, die Gruppenphase zu erreichen. Und ich hoffe, die Leute realisieren, welche Gelegenheit das für eine grosse Nacht ist.»