Im Olympiapark von Sotschi heulen an diesem Wochenende die Formel-1-Motoren. Zum ersten Mal macht der Automobilzirkus in Russland Halt, doch acht Monate nach der grossen, sündteuren Olympiasause bewahrheiten sich die düsteren Vorahnungen um die Zukunft der Sportdestination am Schwarzen Meer.
Dafür, dass das Sotschi Autodrom eigentlich nichts hätte kosten hätte sollen, ist der Rubel am Ende ziemlich flott gerollt auf der neuen Automobil-Rennstrecke in der Olympiastadt. 315 Millionen Franken waren es dann immerhin auch wieder, die der Bau des Rundkurses verschlang, auf dem am Sonntag der Formel-1-Zirkus seinen ersten Abstecher auf russischem Boden macht.
Ursprünglich hätten die Kosten für die Rennstrecke auf dem Gelände des Olympiaparks ja bereits durch die Investitionen rund um die Winterspiele gedeckt sein sollen, so jedenfalls lautete eine der Bedingungen an die russischen Olympia-Planer. Aber mit dem 50-Milliarden-Franken-Budget von Sotschi 2014 lag die Finanzierung des Autodroms offenbar einfach nicht mehr drin.
Und trotzdem dürfte die Formel 1 die einzige Rechnung sein, die in Sotschi irgendwie noch halbwegs aufzugehen scheint. Der Grand Prix von Russland ist laut den Verträgen mit Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone zumindest noch einmal bis ins Jahr 2020 an der Schwarzmeerküste vorgesehen. Damit bleibt dem Sotschi Autodrom immerhin ein Schicksal erspart, das fast alle olympischen Sportanlagen eint: nämlich als hochmoderne, sündteure, seelenlose Einweg-Sportstätten vor sich hin zu dämmern und in Vergessenheit zu geraten.
Die olympische Stätten sind verwaist
Noch im Februar waren Sotschi und sein beeindruckendes Hinterland rund um Krasnaja Poljana der Nabel der Sportwelt. Noch im Februar schwärmten die Biathleten, Abfahrer, Freeskier und Eishockey-Cracks von den einzigartigen olympischen Sportanlagen. Und noch im Februar wurde Sotschi den Olympia-Gästen als neues Wintersport-Dorado gepriesen und auf die Nachhaltigkeit der teuersten Olympischen Spiele aller Zeiten verwiesen.
Was für Wintersport-Dorado eigentlich? Und welche Nachhaltigkeit? Kaum war das Olympische Feuer erloschen, da konnten und wollten sich die Sportler, Funktionäre und vor allem auch die russischen Olympia-Verantwortlichen nicht mehr für weitere Wettkämpfe in Sotschi erwärmen. Schon im Jahr eins nach den Winterspielen bleiben die meisten olympischen Sportstätten verwaist.
Lediglich das Sliding Center Sanki wird von den Athleten noch einmal beehrt. Die Kunstbahnrodler ermitteln Ende Februar 2015 auf der Olympiabahn ihre Europameister und die Bobpiloten beenden in Sotschi ihre Weltcupsaison. Und dass es gerade die Eissportler ein weiteres Mal in den Olympiaort verschlägt, liegt in erster Linie daran, dass die Zahl der modernen Kunsteisbahnen auf der Welt ziemlich überschaubar ist.
Der Wintersport macht einen weiten Bogen um Sotschi
Aber sonst? Nichts. Skifahrer, Biathleten, Skispringer, Snowboarder, Langläufer, Freestyler, Eisschnellläufer, sie alle machen mit ihren Weltcups einen weiten Bogen um die Olympiastadt. Und es deutet auch nichts darauf hin, dass Sotschi in naher Zukunft Aufnahme in die Weltcupkalender finden sollte. Und das liegt nicht daran, dass die Terminplaner Russland wegen des Ukraine-Konflikts jetzt etwa boykottieren würden. Sotschi sei, und darin waren sich etliche Wintersport-Experten schon vor den Winterspielen einig, schlicht nicht als dauerhafter Weltcupstandort geeignet.
Als Argument wird dann gerne auf die geografische Lage von Sotschi verwiesen: die Region gehört zu den Ausläufern der Subtropen, die Olympiastadt selbst befindet sich auf dem gleichen Breitengrad wie Nizza. Und niemand würde wohl auf die Idee kommen, Olympische Spiele an der Cote d’Azur veranstalten zu wollen.
Der Olympiatross schaut schon nach Pyeongchang
Die Wetterkapriolen sind es, die vor allem die Skiläufer vor einem weiteren Besuch der spektakulären Olympiapisten abschrecken. Dass die olympischen Skibewerbe im Februar dermassen reibungslos und programmgemäss über die Bühne gegangen sind, sehen viele im Alpinzirkus heute noch als grosses meteorologisches Wunder.
Doch die unsichere Wetterlage in der Schwarzmeerregion ist nur ein Hindernis, erschwerend hinzu kommt, dass der Weltcupkalender seit Jahren schon dicht gefüllt ist mit Klassikern und Sotschi auch deshalb in Zukunft wohl kaum mehr berücksichtigt werden wird.
Zumal der ganze Wintersport-Tross ohnehin schon dabei ist, nach Pyeongchang weiter zu ziehen, dem Ort der kommenden Winterspiele. Auch die neuen Anlagen im exotischen Südkorea müssen bis 2018 eingeweiht und auf ihre Olympia-Tauglichkeit überprüft werden. Für Sotschi gilt derweil: aus den Augen, aus dem Sinn.
Der sündteure Bakken von Ruski Gorki als Mahnmal
Da nützen selbst die besten Sportstätten nichts. Wie am Beispiel Biathlon: In «Laura», die attraktive Loipenanlage auf einem Hochplateau mit ihrem modernen Stadionareal, den steilen Tribünen und der beeindruckenden Aussicht, waren alle Athleten regelrecht verschossen. Für weitere Wettkämpfe reicht es aber dann doch nicht, da Russland mit dem sibirischen Khanty Mansiysk bereits einen traditionellen Biathlon-Weltcuport stellt und sich im Weltcupkalender kein Termin für einen weiteren Wettkampf auf russischem Boden findet. Bis auf Widerruf sind jedenfalls keine Biathlonveranstaltungen in Laura vorgesehen.
Noch weniger Zukunft haben nur mehr die olympischen Sprungschanzen von RuSki Gorki. Leicht möglich, dass sich schon bald überhaupt kein Skispringer mehr über die sündteuren Bakken (250 Millionen Franken) wagt. Denn die Gegend rund um Esto Sadok, wo die Anlage aus dem Berg gesprengt wurde, ist ein schlechter Boden für Sprungschanzen.
Der gesamte Hang hat sich in den letzten Jahren schon um mehrere Zentimeter verschoben, weshalb Gian-Franco Kasper, wortgewaltiger Präsident des Internationalen Skiverbandes (FIS) bereits unkt. «Ich sage immer scherzhaft: Die Schanzen werden in zehn Jahren nicht mehr oben am Berg stehen, sondern unten am Meer.»