Zu naiv für eine Überraschung, mangelnde Wettkampfhärte, kein echter Test für Real Madrid – Urteile über den FC Basel der spanischen Beobachter, die enttäuscht sind vom Auftritt des Schweizer Meisters. Trotz des klaren 5:1-Sieges scheint es sich allerdings um einen brüchigen Frieden beim Champions-League-Titelhalter zu handeln.
Der Höhepunkt kam beim Spielstand von 4:1, jedenfalls aus madrilenischer Sicht. Die Partie gegen den FC Basel war zwar längst entschieden, offen blieb jedoch die in Spanien mit weitaus mehr Verve diskutierte Frage, wie Iker Casillas aus dem Abend herausgehen würde. Die erstaunlichen Pfiffe gegen die Vereinsikone von den Rängen des Estadio Santiago Bernabéu seit dem Derby gegen Atlético Madrid (1:2) haben die Stammtische in Aufruhr versetzt, es ist das Thema der Themen im Land – und es erhielt in der 66. Minute dieses Spiels also eine neue, altbekannte Nuance.
Da nämlich gelang Casillas endlich mal wieder eine dieser Paraden, die früher als sein Markenzeichen galten: eine blitzschnelle Reaktion, eine Torverhinderung jenseits des selbst von einem Spitzentorwart normalerweise Erwartbaren. Mit der linken Hand klärte er gegen einen hohen Schuss des allein vor ihm aufgetauchten Derlis González. Seine Mimik danach, ein so erleichterter wie ernster, fast feierlicher Blick zum Himmel sagte alles über die Erleichterung, die er dabei empfunden haben musste.
Das 1000. Tor in Reals Europacuphistorie
Das Verhältnis von Anfeuerungen und Pfiffen wandte sich danach zu seinen Gunsten, und weil später auch noch der zuletzt ebenfalls angefeindete Karim Benzema mit dem 1000. Tor in Reals Europacupgeschichte zum 5:1 traf, ist fürs erste zumindest so etwas wie ein brüchiger Frieden wiederhergestellt. «Europäische Therapie» schlagzeilte die Sportzeitung «As» anderntags über den versöhnlichen Abend.
«Voller Handschlag» titelte wiederum die Konkurrenz von «Marca» angesichts der fünf Tore des zehnmaligen Gewinners von Europapokal der Landesmeister oder Champions League: Real Madrid «findet in seinem Lieblingswettbewerb wieder zu sich» und «gibt dem Bernabéu den Glauben zurück».
«Das war nicht die europäische Überraschungsmannschaft sondern das echte Basel, bei dem das Defensivgerüst eine Angelegenheit von Walter Samuel ist, eines 36-Jährigen.»
Sollte diese mit dem verlorenen spanischen Supercup und zwei Niederlagen an den ersten drei Ligaspieltagen so traumatisch begonnene Saison doch noch einen guten Verlauf nehmen, wird man sich dieses Abends mit Wohlwollen erinnern – nicht zuletzt dank freundlichen Gäste aus der Schweiz, die in der Presse übereinstimmend als harmlos und naiv eingestuft wurden. Gekommen, so die prestigereiche Tageszeitung «El País» enttäuscht, sei nicht die europäische Überraschungsmannschaft der letzten Jahre, sondern «das echte Basel, eine Mannschaft, deren Defensivgerüst eine Angelegenheit von Walter Samuel ist, eines 36-jährigen, immer noch aktiven Ex-Madridista».
Die Abenteurer aus der Schweiz
Der Basler Versuch, spielerisch mitzuhalten, habe Madrids Partie gegen den öffentlichen Unmut und die eigenen Nerven stark erleichtert, schreibt Berichterstatter Juanma Trueba in «As»: «Die Schweizer boten die richtige Gegenwehr: gute Manieren und wenig Schiesspulver. Wir haben es schon tausend Mal gesehen: Im Bernabéu ist es schlecht sich zu verriegeln, aber noch viel schlechter, das Abenteuer zu suchen.»
Um die mangelnde Wettkampfhärte der Gäste zu illustrieren, zitiert der Chronist sogar Orson Welles aus «Der Dritte Mann»: «In Italien gab es in den 30 Jahren unter den Borgia nur Krieg, Terror, Mord und Blutvergiessen, aber es brachte Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance hervor. In der Schweiz herrschte brüderliche Liebe, 500 Jahre Demokratie und Frieden. Und was hat es gebracht? Die Kuckucksuhr.»
Ein zufriedener Real-Trainer Ancelotti
Seine Dämonen exorzieren durfte an so einem Abend auch der zuletzt stark kritisierte 80-Millionen-Euro-Einkauf James Rodríguez. Offensiv im zentralen Mittelfeld und damit in seinem natürlichen Lebensraum aufgeboten partizipierte er wie nie zuvor in dieser Saison am Spiel, bereite das 1:0 durch einen hübschen Hackentrick vor und staubte selbst zum 4:0 ab. Ein Zeichen zur rechten Zeit, nachdem am Spieltag noch ein paar Trainingsfotos für Aufsehen gesorgt hatten, auf denen Platzhirsch Cristiano Ronaldo den Neuen wie einen Schuljungen zurechtzuweisen schien.
Eher weniger kreativ als seine Spieler auf dem Platz zeigte sich Trainer Carlo Ancelotti bei seiner Analyse. Die bestand vor allem aus einem Wort: gut. «Wir haben gut reagiert. Das Wichtige war, gut zu beginnen. Alles ist gut gelaufen. In der zweiten Halbzeit haben wir das Spiel gut kontrolliert. Die drei Stürmer haben eine sehr gute Partie geliefert. Benzema habe ich gut gesehen. James hat sehr gut gespielt, mit guter Einstellung.»
Als ernsthafter Test wird der Basel-Match nicht betrachtet
«Noch sind nicht alle Probleme gelöst», befand Ancelotti allerdings auch, und darin erhielt er weitgehend Zustimmung in der Presse, die den Besuch des FC Basel überwiegend nicht als ernsthaften Test einstufen wollte. Sogar die Schweizer, schreibt «As»-Chefredakteuer Alfredo Relaño, hätten Madrids Probleme – nur eine gute Halbzeit und das Zerbrechen in zwei Mannschaftsteile – zwar beinahe ausgenutzt. Aber dafür fehlte ihnen dann offenbar die Klasse anderer Teams: «Unsere Liga hat so an Niveau gewonnen, dass der Besuch eines Basel leicht fällt im Vergleich etwa zu dem eines Córdoba, das vor kurzem im Bernabéu gastierte und besser dabei weg kam. Madrid gewann solvent, aber ohne grössere Leidenschaft.»
Nur gut, dass es für die Emotionen derzeit das Schauspiel um Iker Casillas gibt.